Für den Verein Tschernobyl Kinderhilfe gehört es auch zur Unterstützung der Menschen in der Katastrophenregion, ein wenig Freude zu bringen - und wenn es die Feier eines Tages der Franken ist. Die Not holt alle früh genug wieder ein.
"Essen, Trinken, Unterhaltung" steht auf dem Banner mitten im ukrainischen Dorf Fedoriwka. Und genau das gibt es. Der Verein Tschernobyl Kinderhilfe Neustadt um den Vorsitzenden Dieter Wolf beschert dem Ort einen Tag, der so unvergesslich wird, dass sogar die lokalen Medien in der Ukraine darüber berichten. Und doch ist der Grund für die Anwesenheit der Franken in dem Ort kein lustiger.
Fedoriwka liegt im Shytomerer Gebiet. Die Region wurde nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl stark verstrahlt. Seit über 20 Jahren holt der Neustadter Verein Kinder aus der Region zur Erholung für vier Wochen ins Coburger Land. So eng ist die Verbindung zu den Orten in der Katastrophenregion schon geworden, dass Dieter Wolf und seine Mitstreiter auf der Straße in Fedoriwka auf Deutsch gegrüßt werden. Die Hilfe aus Deutschland wird hoch geschätzt.
In der Region herrscht bittere Not. Viele Männer sind im Krieg, manche kehren nicht zurück, andere sind traumatisiert oder versehrt. Familien sind zerrüttet. Alkoholmissbrauch, Suizide, Gewalt gehören zur Welt, in der die Kinder aufwachsen. 38 von ihnen haben Vertrauenspersonen vor Ort ausgesucht. Eine Vorauswahl.
Schwere Entscheidung
Die 20, die nach Deutschland dürfen, müssen nun die Helfer des Vereins aussuchen. "Wir fuhren in die Dörfer, sprachen mit Müttern und Großmüttern. Wir verstecken dann unsere Tränen. Bis heute können wir nicht entscheiden, welchen Kindern wir sagen sollen, dass sie diesmal nicht mit dürfen", schildert Dieter Wolf die Gemütslage der Helfer. Doch irgendwann müssen die Namen feststehen, gilt es eine Unmenge von Formalitäten zu erledigen. Versicherungen müssen abgeschlossen, Reiseunterlagen erstellt werden. Vor allem ringt der Verein Jahr für Jahr um Spenden, ohne die es nicht möglich wäre, die Kinder zu holen.
Was die Helfer antreibt, sind Erfolge, die sie über die Jahre erleben durften. Kinder, die nach dem Besuch in Deutschland aufblühten, Ehrgeiz entwickelten, sich bildeten und einen Weg aus dem Elend fanden, gehören dazu. Aber auch Kinder wie Ljudmila. Sie war schwer erkrankt, hätte kaum eine Chance gehabt, zu überleben, denn auch eine Sammelaktion der Dorfbevölkerung brachte nicht annähernd die Summe zusammen, die eine Operation kosten sollte. Der Verein konnte das fehlende Geld beschaffen. Ludmilla lebt und fällt ihren Rettern um den Hals, als diese sie beim Besuch in der Ukraine wiedersehen. Eines von mehreren Kindern, die mit Geld aus Deutschland gerettet werden konnten.
Vor Ort unterstützt die Tschernobyl Kinderhilfe Neustadt in mehreren Orten in der Katastrophenregion Schulen und öffentliche Einrichtungen mit Material und tatkräftiger Hilfe. Und wenn die Helfer kommen, gibt es fast immer ein Fest. Nicht immer so groß wie bei der ukrainischen Auflage des Tages der Franken in Fedoriwka, aber immer mit Bratwürsten aus Franken. Tage, an denen die Menschen in dem von ukrainischen Behörden vergessenen Landstrich das Gefühl haben dürfen, dass sie nicht von aller Welt verlassen und vergessen sind. Weil er das so empfindet, steht für Dieter Wolf fest: "Unsere Hilfe muss weitergehen". Erst recht, als die Helfer im Dorf Vysozk die kleine Christina treffen. Das achtjährige Mädchen ist an Krebs erkrankt. Die Mutter kann eine Behandlung nicht bezahlen. Dieter Wolf ist entschlossen: "Wir werden uns um Christina kümmern." Es ist nicht das erste Mal, dass er so etwas verspricht, ohne zu wissen, wie er das nötige Geld zusammenbekommen soll. Aber es wäre das erste Mal, dass er es nicht schafft.
Parallel dazu laufen jetzt aber die Vorbereitungen für den nächsten Erholungsbesuch von 20 Kindern auf Hochtouren, die vier unbeschwerte Wochen im Pfadfinderheim Fornbach verbringen sollen.