Eine Woche sei er im Krankenhaus gewesen. Schädelbasisbruch, Lendenwirbelsäule gebrochen, Einblutungen ins Hirn - "Eine lebensbedrohende Situation", führte Pelzl aus. Folgeschäden seien aber glücklicherweise ausgeblieben. Ein Um- und Zustand, der die Unfallverursacherin aber offensichtlich nicht interessiert habe. Weder ein Blumenstrauß ins Krankenhaus, unabhängig jeder Schuldfrage, oder der Versuch einer Kontaktaufnahme im Nachhinein. Stattdessen das Fernbleiben vom Gericht, keine Angaben zur Sache, lediglich die Bestätigung, dass sie Fahrerin gewesen sei.
Richter Pelzl hätte auch gerne eine Auskunft von der Jugendhilfe gehabt, doch auch da lag nichts vor. "Man hätte eventuell über das Jugendstrafrecht sprechen können", stellte er in den Raum. Dafür müssten aber entsprechende Kenntnisse vorliegen.
Doch vonseiten der Fahrerin gab es weder diese noch weitere Informationen. Die weiteren zwei Insassen im Auto hatten angegeben, dass sie nichts mitbekommen hätten, da sie in ihre Handys gestarrt hätten. Selbst an der Unfallstelle sei die Fahrerin nicht wirklich aufgefallen, wie die Zeugin schilderte. "Ich kann nicht sagen, wann sie ausgestiegen ist. Sie stand erst später am Unfallort."
Keine Folgeschäden
"Kopfschütteln", äußerte Staatsanwalt Sommer zum Anfang seines Plädoyers. "Die Täterin stellt sich nicht der Situation, aber die Zeugen müssen hier auftreten", warf er den Rechtsvertretern der Beschuldigten vor. Das spreche nicht unbedingt für die junge, sich in der Ausbildung zur medizinischen Assistenten befindlichen Frau. "Und sie verweigert sich etwas zu dem Unfallhergang auszuführen!"
Der Rechtsanwalt führte aus, dass diese moralische Bewertung nicht richtig sei. "Die Prozessordnung sieht dieses Vorgehen vor, das ist dort explizit festgehalten." Und fügte hinzu: "Das dies der Staatsanwaltschaft am Ende des Tages nicht schmeckt, ist mir klar." Die geforderten 100 Tagessätze und der Entzug des Führerscheins seien völlig überzogen. Lediglich ein Freispruch könne angesichts der Beweislage das richtige Urteil sein. Und im Gegensatz zur eigenen Mandantin wendeten sich beide Rechtsanwälte an den im Gerichtssaal sitzenden Geschädigten und erklärten ihm, dass sie froh seien, dass es ihm wieder bessergehe und er keine Folgeschäden davongetragen habe.
Doch das nutzte im Sinne der Verteidigung wenig, für Prozessbeobachter wirkte dieser Versuch wie ein Lippenbekenntnis. Pelzl erklärte im Namen des Volkes, dass die Angeklagte im Sinne der Anklage schuldig sei. 90 Tagessätze in Höhe von 30 Euro und der Entzug des Führerscheins seien die gerechtfertigte Sanktion.
"Es gibt keine Zweifel am Hergang", erläuterte der Richter. Richtig sei, dass die moralische Beurteilung nicht im Vordergrund stehe. Aber man könne einen solchen Prozess durchaus auch unter dem Gesichtspunkt der Wiedergutmachung sehen. "Da ist nichts passiert." Er habe so ein Vorgehen in seiner Richterkarriere noch nicht erlebt und ergänzte: " Es hätte der Angeklagten gut zu Gesicht gestanden. Sie hat einen Pluspunkt liegengelassen."
Glück bei der Strafe
In der Sache selber gelte: "Vor Zebrastreifen hat man seine Geschwindigkeit zu reduzieren, das bekommt man in der Fahrschule eingetrichtert." Und auch ohne Zeugen hätte das Gericht den Unfall nur aufgrund der Lichtbilder so bewertet. Und die Fahrerin habe noch Glück gehabt. "Sie hatte Glück, dass das Unfallopfer nicht gestorben ist." Sie hatte aber auch das Glück, dass der Richter von einem höheren Tagessatz abgesehen hat. "Ich habe schon über 120 Tagessätze nachgedacht", sagte er. Aber bei über 90 Tagessätzen ist man vorbestraft. "Das wollte ich der jungen Frau in der Ausbildung nicht zumuten."
Zumindest sollte ihr klargeworden sein: "Abwesenheit schützt vor Strafe nicht!"