Mainleus — Konrad Wich kramt aus einem Täschchen ein Tuch hervor, in dem etwas eingewickelt ist. Vorsichtig öffnet er es und Edelsteine kullern über den Tisch. Der 75-Jährige schnappt sich einen Opal-Rohling und kramt in seinen Erinnerungen: "Er stammt aus dem südaustralischen Ort Coober Pedy, der sich Opal-Hauptstadt der Welt nennt. Dort schürfte ich 1969 als junger Mann mit selbstgebautem Handbohrer und Vorschlaghammer nach Edelsteinen. Auch Dynamit kam dabei zum Einsatz." Die Opale habe er für gutes Geld weiterverkauft, erzählt Wich.
Kurze Zeit später folgt der Mainleuser dem Ruf einer australischen Maschinenbaufirma nach Südvietnam. Dort arbeitet der gelernte Schlosser und Schweißer zwei Monate lang am Bau von Landungsrampen für Landungsboote der amerikanischen und australischen Streitkräfte mit. Es war die Zeit des Vietnam-Krieges. Ein Geräusch hat Wich noch heute in seinem Ohr, das ihn zu einem tierischen Vergleich anregt: "Wie ein Schwarm Wespen surrten und brummten die Hubschrauberstaffeln, die über uns hinwegflogen." Aus der Ferne vernahm er das dumpfe Grollen der Kanonen.
Angst, der Krieg könnte immer näher rücken, habe er zu keinem Zeitpunkt verspürt, so Wich. Schließlich wohne in seiner Seele der Mut. "Er ist für mich das wirksamste Mittel, um die Angst zu bezwingen", sagt der Mainleuser.
Ihn hat er in seinem Leben schon des öfteren beweisen müssen. Mit einem Heißluftballon in 6000 Metern Höhe über die Alpen zu fliegen - schon beim Gedanken daran würde so manchem die Knie schlottern. Wich hingegen wird es dabei ganz warm ums Herz. 2012 erfüllt er sich den Wunschtraum und unternimmt mit seiner Tochter Stefanie im Winter eine Ballonfahrt. Wich spürt die von Reinhard Mey besungene "grenzenlose Freiheit über den Wolken", aber zugleich auch die 32 Grad Minus, die damals herrschten. "Ich habe noch nie so viel gefroren wie an jenem Tag", erinnert sich Wich.
Ob privat oder beruflich - Fernweh und Abenteuerlust ziehen sich wie ein roter Faden durch das Leben von Konrad Wich. Selbstverständlich hat er schon mit seiner Ehefrau Adelheid und seiner Tochter Stefanie Urlaub am italienischen Sandstrand gemacht. Doch das Salz in der Urlaubssuppe sind für ihn Ausflüge und Reisen abseits des Massentourismus.
Über 30 Länder hat er in seinem Leben schon bereist. Wich fährt auf einem Schiff durch den Panamakanal, kommt den Galapagos-Schildkröten ganz nahe, trinkt in der Mongolei frisch gemolkene Yak-Milch, fährt auf eigene Faust mit dem Pkw durch die spanische Sierra Nevada und hilft in Neu-Guinea beim Bau von Wasserreservoirs mit.
In Südafrika steigt er während der Zeit der Apartheid in den 1960er Jahren versehentlich in ein Taxi, das nur für Schwarze ("Black only") reserviert ist und schrammt haarscharf an einer Geldstrafe vorbei. Im iranischen Isfahan blickt er während der islamischen Revolution Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre grimmig dreinblickenden Revolutionsgarden in die Augen, die seinen deutschen Begleiter dazu auffordern, Frauen in der Öffentlichkeit keine schönen Augen zu machen.
"Mit meinen ausgefallenen Reisewünschen brachte ich den Inhaber eines Kulmbacher Reisebüros fast zur Weißglut", schmunzelt Wich. Darauf angesprochen, wie man sich nach einem Urlaubstrip in ferne Länder fühle, kommt es wie aus der Pistole geschossen: "Frei und um einiges schlauer." Anderen Menschen mit Offenheit zu begegnen und das ursprüngliche Leben in fernen Ländern kennenzulernen - das ist Wich ein Herzensanliegen. Der 75-Jährige ist nach eigener Aussage ein neugieriger Mensch, dessen Lieblingsfach in der Schule Erdkunde gewesen war.
Den Stein ins Rollen bringt in den 1960er Jahren ein nach Australien ausgewanderter Oberfranke, der sich auf Urlaub in seiner alten Heimat befindet und den der Mainleuser in einer Hofer Gaststätte kennenlernt. Das Wappen auf der Brusttasche seines Blazers weckt sein Interesse. "Zu welchem Land gehört es?", fragt Wich. "Australien", entgegnet ihm der Fremde.
Über eine Zeitungsannonce - die australische Botschaft sucht ausländische Arbeitskräfte - bewirbt er sich erfolgreich für einen Arbeitsaufenthalt in Down Under, wie Australien auch genannt wird. Im Ausland erhofft er sich bessere Verdienstmöglichkeiten als in Deutschland.
Mit dem Schiff fährt er 1968 nach Australien, wo er bis 1971 bleibt. Bereits zwei Jahre später zieht es ihn wieder auf den fernen Kontinent. "Ich arbeitete dort noch einmal für ein Jahr, um Geld für die Hochzeit mit meiner Frau Adelheid und unsere erste Wohnungseinrichtung zu erwirtschaften", erzählt Wich.
Die Reiselust hat er an seine Tochter Stefanie vererbt. Sie trampt ein halbes Jahr von Mexiko nach Feuerland, fliegt mit dem Gleitschirm über den südafrikanischen Tafelberg und ist im eisigen Lappland mit dem Hundeschlitten unterwegs.
Wie ist es um seine eigene bestellt? Kleinere Reisebrötchen möchte Konrad Wich, solange es seine Gesundheit erlaubt, nicht backen. Mit einem Überlandbus will er nach der Corona-Krise von Santiago de Chile bis nach Feuerland fahren.