Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen: Das dachte sich auch die Klebheimer Familie Ort. Wenn die Büchereien wegen Corona geschlossen haben, muss es eine andere Idee für Leseratten geben.
Michael Busch Animox fehlt noch. "Animox wäre echt cool, wenn das irgendwann in diesem Schrank steht!" Leon schaut in den Schrank, geht Buch für Buch durch, aber die Geschichte über Menschen, die sich in mächtige Tiere verwandeln können, steht heute nicht im Schrank. "Er ist echt eine Leseratte", sagt Sebastian Ort, Vater des Neunjährigen. Und die beiden jüngeren Geschwister Nico und Anna entwickeln sich ebenso in Richtung lesebegeisterte Kinder, wobei Anna gezielt nach dem Regenbogenfisch greift.
Mit dem Start der Ausgangsbeschränkungen wegen des Coronavirus' tauchte allerdings ein Problem auf. Die Bücher zuhause waren bereits gelesen, die Büchereien haben zu und der Lesestoff ging aus. "Es war sozusagen aus der Not heraus geboren", erklärt der Vater mit Blick auf den buntbemalten Schrank. Eine Idee aus der Not geboren, die aber funktioniert, wie er nach gut einer Woche resümiert. "Ich hatte noch einen alten Schrank daheim. Den haben wir erst einmal zusammen angemalt."
Zusammen angemalt
Auf den Türen finden sich Abdrücke der Kinderhände, ein Smiley -"Der ist von mir", betont Nico" - und ein Regenbogen. "Da hatte Leon die Idee und Mama hat es gemalt."
Der fertiggestellte Schrank wurde dann an die Bushaltestelle in Klebheim gebracht und mit einem Grundstock an Lesematerial versehen. "Mit der Bushaltestelle waren wir uns erst nicht sicher, aber wir suchten einen Platz, an dem es auch trocken ist." Erst gab es die Idee, den Schrank in eine Seitenstraße zu stellen, doch da wäre die Frage gewesen, ob so viele Menschen die Möglichkeit des Bücheraustausches mitbekommen. Sebastian Ort sagt, dass er dann einfach beim Bürgermeister Horst Rehder nachgefragt hat, ob es Probleme geben könnte. "Doch der war sofort begeistert und fand die Idee toll." Und Nico ergänzt: "Außerdem ist hier neben dem Schrank ja noch Platz, wenn es tatsächlich regnet. Und man kann dann beim Warten auch noch etwas Lesen!"
Jetzt steht der Schrank dort und hat ein eigenes Logo. Was die Familie Ort freut, ist der rege Gebrauch des Schrankes. Nico überprüft das jeden Tag und ist begeistert, dass der Schrank und die Idee angenommen wurden. Es sind nämlich nicht nur die Klebheimer, die den Schrank nutzen. "Jeder, der etwas beitragen möchte, kann das tun."
In der Online-Enzyklopädie Wikipedia gibt es sogar eine Liste mit den öffentlichen Bücherschränken in Bayern. "Ein öffentlicher Bücherschrank ist ein Schrank oder schrankähnlicher Aufbewahrungsort mit Büchern, der dazu dient, Bücher kostenlos, anonym und ohne jegliche Formalitäten zum Tausch oder zur Mitnahme anzubieten." Nach diesem Hinweis heißt es: Deutschlandweit gibt es fast 2000 dieser Austauschmöglichkeiten.
Allein in Bayern sind es 141. Klebheim ist allerdings noch nicht aufgelistet. Das kann man dann aber vielleicht zusammen mit Heßdorf aufnehmen. Denn Erich Biermann möchte dort ebenfalls einen Bücherschrank aufstellen. "Es ist eine Superidee, und warum soll man die nicht kopieren?" Mit Sebastian Ort habe er allerdings schon gesprochen.