Kunde ist nicht erziehbar

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Ein städtisches Zentrum muss nicht nur um das Rathaus sein. An der Kronacher Straße in Stadtsteinach gibt es Ansätze für ein sich entwickelndes kleines Nebenzentrum.
Ein städtisches Zentrum muss nicht nur um das Rathaus sein. An der Kronacher Straße in Stadtsteinach gibt es Ansätze für ein sich entwickelndes kleines Nebenzentrum.
"Die Digitalisierung bietet für den ländlichen Raum große Möglichkeiten", sagt Wilfried Weisenberger. Fotos: Klaus Klaschka
"Die Digitalisierung bietet für den ländlichen Raum große Möglichkeiten", sagt Wilfried Weisenberger. Fotos: Klaus Klaschka
 

Der Kommunalberater Wilfried Weisenberger erklärt, warum Stadtsteinach großes Potenzial hat.

Wenn der letzte Bäcker und Metzger im Zentrum schließt, ist es schon zu spät, sich um das Leben im Dorf Sorgen zu machen. "Das Zentrum ist schon vorher gestorben", weiß Wilfried Weisenberger. Auch Appelle an die Bevölkerung, im Ort einzukaufen, änderten nichts: "Man kann die Kunden nicht erziehen."

Weisenberger hat 2011 das Planungs- und Beratungsbüro "Standort Kommune" in Fürth gegründet. Er blickt auf 20 Jahre Erfahrung in der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Doch er agiert nicht als Alleinkämpfer. Vernetzung von Kompetenzen ist seine Devise; die Zusammenarbeit mit weiteren Spezialisten sei unabdingbar.

Und er setzt dabei auch auf Digitalisierung. "Dieses Schlagwort ist in aller Munde, aber so recht anfangen kann man damit noch nichts", sagt er.

Probleme sind bekannt

Das Problem ist bereits eingehend beschrieben: Der demografische Wandel, gepaart mit einer Abwanderung von jungen, gut ausgebildeten Menschen, zieht eine Überalterung und Schrumpfung der ländlichen Gesellschaft nach sich. Öffentliche und private Dienstleistungen sowie technische und soziale Infrastruktur werden unrentabel und dünnen aus. Entsprechend eingeschränkt sind dann der öffentliche Personennahverkehr, die medizinische Versorgung sowie das Angebot an kulturellen, Sport- und Freizeiteinrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten vor Ort.

Fachkräftemangel, niedrigere Löhne, ein höheres Pendleraufkommen sowie ein eingeschränktes Angebot an Betreuungs-, Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten sind weitere Folgen.

Viele Kommunen kämpften mit erschwerten Rahmenbedingungen, so Weisenberger. Dabei hätten sie gegenüber Oberzentren klare Vorzüge, die für das Leben auf dem Land sprächen: Mehr Naturnähe, ein großzügiges Flächenangebot, günstigeren Wohnraum, höhere Lebensqualität und einen höheren Gemeinschaftssinn im meist intakten Vereinsleben.

Gleichzeitig findet bei den jungen Leuten ein Paradigmenwechsel in diese Richtung statt: Lebensqualität, Freizeit, Familie, Freunde bekommen einen höheren Stellenwert als Karriere, Status, dicke Autos.

Überhaupt, so Weisenberger, bietet die Digitalisierung dem ländlichen Raum große Möglichkeiten, die Defizite gegenüber den städtischen Regionen auszugleichen. Dies könne aber nur gelingen, wenn sich alle wichtigen Akteure zusammenschließen. Dabei müssten die Bürger einbezogen und begeistert werden.

Ein zweites Zentrum?

Von selbst passiere jedoch nichts. "Unser Vorgehen ist immer umsetzungsorientiert", sagt Weisenberger. "Dazu braucht es Konzepte oder zur Sicherheit auch Machbarkeitsuntersuchungen bis hin zu Wirtschaftlichkeitsanalysen, integrierte Entwicklungskonzepte, auf die wir aufbauen können." An der Erstellung eines solchen Konzepts - kurz Isek genannt - für die Stadt Stadtsteinach sei sein Büro derzeit beteiligt.

Dabei geht es im augenblicklichen Stadium um eine Bestandsaufnahme, "eine erste Bürgerbeteiligung fand bereits statt". Die Stadt habe Potenziale, die ausgebaut werden müssen. Und möglicherweise sei es noch nicht aufgefallen: In Stadtsteinach hat sich so etwas wie ein zweites Zentrum gebildet.

Man sollte sich nicht auf den Marktplatz oben auf dem Hügel als Zentrum versteifen, wo eher Verwaltung, Gastronomie und Kultur im weitesten Sinn angesiedelt seien. "Als ich kürzlich unter der Woche dort war, war allerdings alles geschlossen,” grübelt Weisenberger.

Weitere Stichworte fallen ihm beim gedanklichen Überfliegen der Stadt aus anderen Projekten ein: "Mobiler und digitaler Bauernmarkt", überhaupt sollte man sich im Einzelhandel nicht über mangelnden Umsatz beklagen. Online-Handel sei nicht nur ein Geschäftsmodell für große Internetportale. Hier könnten sich auch kleinere Geschäfte vernetzen und zusammentun.

Nicht ganz zielführend hält Weisenberger auch die oft vorherrschende Ansicht in den Verwaltungen, dass man sich in den freien Handel und Wettbewerb gar nicht einmischen könne oder dürfe: "Die erreichbare Grundversorgung der Bevölkerung ist eine vornehmliche Aufgabe der Verwaltung." Und wenn die Kalkulation im einen und anderen Bereich zu knapp ist, dann wäre es durchaus legitim, wenn die Kommune einen Teil der fixen Kosten übernimmt - "nur so als Beispiel".