Die 82-jährige Christa Kraus (Witwe des 2004 verstorbenen Rudi Kraus) ist nicht nur Mutter von fünf Kindern, sondern bis heute auch die gute Seele der Familie und des Metzgerbetriebs. Schließlich stand sie schon als Teenager Anfang der 1960er Jahre jeden Tag von früh bis abends im Laden in Tettau und hatte dazu noch die Kinder und den Haushalt zu versorgen. Damals gab es für die Verkäuferin keine großen Hilfsmittel wie elektronische Kasse oder computergesteuerte Waage, die gleich den Preis anzeigt. Es gab auch keine verpackten Fleisch- und Wurstwaren mit Etiketten. „Wir mussten jede Wurst- und Fleischsorte wiegen, auf Handzettel mit Bleistift notieren, den Kilogrammpreis auf das abgewogene Gewicht umrechnen und nacheinander auf dem für den Kunden ausgestellten Zettel notieren und dann zum Schluss mit Kopfrechnen addieren“, erzählt sie.
Zeit für einen Plausch
Außerdem musste man sich, besonders als Geschäftsinhaberin, immer ein bisschen Zeit zu einem Plausch mit Kundinnen nehmen. Und Grund zum Lachen gab es manchmal auch, erinnert sich die Seniorchefin an eine Kundin in Tettau. Die vornehme Dame kaufte in hochdeutscher Sprache ein und verlangte Ochsenmundsalat statt Ochsenmaulsalat, wie er in der Fachsprache heißt.
Christa Kraus weiß viel von den Sorgen und Nöten in einem selbstständigen kleinen Handwerksbetrieb. Beispielsweise wenn es um die Betriebsnachfolge geht. Ein Beispiel: Enkel Philipp weilte in seiner Kindheit gerne beim Opa Rudi im Schlachthaus und sagte immer: „Opa, was du machst, will ich auch mal machen. Ich möchte später auch Metzger werden.“ Das war für Vater Eberhard, Opa Rudi und Oma Christa eine große Freude. Doch es kam zunächst anders.
Ans andere Ende der Welt
Als Enkel Philipp die Schule verließ, lernte er Einzelhandelskaufmann und wollte nichts mehr von der Metzgerei wissen. Als Kaufmann wanderte er ans andere Ende der Welt aus. In Australien wollte er reisen, Land und Leute kennenlernen und auch Geld verdienen. Der Zufall führte ihn in Australien in eine Metzgerei. Die Arbeit dort gefiel ihm so gut, dass er nach einem Jahr, wieder zu Hause angekommen, eine Metzgerlehre in Bamberg absolvierte.
2019 präsentierte Philipp Kraus seinen Meisterbrief im Elternhaus in Kronach . Der ziert nun den Verkaufsraum mit dem Meisterbrief von Uropa Ernst Kraus, von Opa Rudi und dem Meisterbrief seines Vaters Eberhard. Der Meisterbrief des Betriebsgründers Nikolaus Kraus fehlt; der wurde bei einem Brand ein Opfer der Flammen.
Für die Familie gibt es kaum Feste und Feiertage, die sie für sich haben. Neben der Fleisch- und Wurstproduktion, für die das Unternehmen nur Tiere aus bekannten Bauernhöfen der Region verarbeitet, kommen noch der Lieferservice und die Bestückung der beiden Filialen sowie das Bereiten von Mittagessen zum Aufgabenfeld.
Schaut Eberhard Kraus heute auf die fast 40 Jahre Meistertätigkeit zurück, so denkt er an zig Auszubildende – Metzger und Verkäuferinnen –, denen er zu einer qualifizierten Ausbildung verhalf. Heute sind bei ihm 15 Personen beschäftigt, davon, neben ihm, vier Metzger und neun Verkäuferinnen plus einer Küchenhilfe.
Botschafter des guten Geschmacks
Er hat von seinem Vater gelernt, auch als selbstständiger Metzgermeister weitere gesellschaftliche Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen. Neben seinem ehrenamtlichem Engagement für Soziales und als Obermeister der Metzgerinnung ist Eberhard Kraus seit 2018 auch Fleisch-Sommelier; er gilt somit als ein Botschafter des guten Geschmacks. Die Zertifizierung erlangte er an der Fleischerakademie in Augsburg.