Kärwa mit Görchla und Bärbela

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Ein Erinnerungsfoto von der Einhaltkirchweih in Pressig im Jahr 1919 Foto: Archiv Georg Dinkel, Pressig
Ein Erinnerungsfoto von der Einhaltkirchweih in Pressig im Jahr 1919  Foto: Archiv Georg Dinkel, Pressig

Im Frankenwald ist die Kirchweih schon immer der Höhepunkt im Jahr gewesen. Mit viel Essen, Trinken, Tanz und Musik.

Kronach — Seit Jahrhunderten gehört das Kirchweihfest zum fränkischen Brauchtum. Es ist der Höhepunkt des Dorfjahres und wird sowohl als Dorffest wie auch als Familienfest von Alt und Jung gefeiert. Es Görchla und es Bärbela verleihen dem Szenario ihren unwiderstehlichen Liebreiz.

"Einmal kommt der Tag, wo man Kärwa hot im Frankenwald. Dou wird a Säula g'schlacht und großa Wöscht gemacht, so ist der Brauch im Frankenwald", heißt es im "tiefen Frankenwald". Dort hält man das Schlachtfest überwiegend in den Monaten mit einem "r" im Namen. Es ist genau der richtige Zeitraum für die anstehende Herbstkärwa. Der Bauernkalender gibt dazu den guten Rat: "Salzfleisch im Sticht braucht's Zusammengefrieren, und gscheiter ist's, man hackt's mit dem Beil heraus, als man fischt's aus der Brühe".

Zum Schlachttag hatten früher die Kinder schulfrei. Denn im Volksmund müssen sie "ess Schwänzla halt", das heißt, sie müssen fleißig mithelfen. Mit den Kindern wird natürlich auch allerlei Schabernack getrieben. So werden sie möglicherweise zum Nachbarn geschickt, um das berühmt-berüchtigte "Wöschtmouß" zu holen, damit ja auch die EU-Norm des Presssacks eingehalten werde.

Wenn nach getaner Arbeit der Metzger seinen Lohn erhält, sagt der Bauer anstatt einem "Dankeschön" den Spruch: "Wieder fett dafür schlachten". Mit diesem formelhaften Ausspruch sollen böse Geister von den Schweinen ferngehalten und gutes Gedeihen beschworen werden.

Die "Kratzer" kommen

Nach alter Tradition finden sich abends die ganze Familie und alle Helfer zur Schlachtschüssel ein. Es gibt Schweinebraten, Sauerkraut, Klöße, Leber- und Griefenwürste. Dem Herrn Pfarrer, dem Herrn Lehrer und dem Herrn Bürgermeister trägt man die "Grumba" ins Haus. Mit der Essenszeit kommen auch die "Kratzer", die mit Essgeschirr bewaffnet in mitgebrachten Tellern und Töpfen herumklappern und kratzen. Es sind bis zur Unkenntlichkeit vermummte junge Leute, die mit einem kleinen Vers ein wenig Spünd aus dem Kessel oder eine frische Leber- und Griefenwurst erbetteln: "Iech hou khört, ihr hoabt gschloachd, hoabt klaana und gruaßa Wöschd gemacht; die klann gäbbd ihr mir, die gruoßn behalt ihr". Sind die "Kratzer" etwas dreister, werden sie letzeres abändern in: "Gäbbd mir aana von den langen und die klann lasst ihr hangen".

Um für das "Leib- und Magenfest" des Frankenwäldlers gut gerüstet zu sein, hat die Hausfrau schon seit der vorhergehenden Woche alle Hände voll zu tun. Vom Keller bis zum Boden wird das ganze Haus gründlich geschrubbt und geputzt, damit sich die Kärwagäste wohl fühlen und nichts zu bemängeln haben. Außerdem werden große flache Kuchen aus Hefeteig gebacken: Streusel-, Käse-, Mandel- oder Apfelkuchen und natürlich Krapfen, die in manchen Orten auch "Pfannakung" oder "klaana Kung" heißen. Davon bekommt jeder Gast eine reichliche Kostprobe mit nach Hause.

Am Kirchweihsonntag fängt mit dem Mittagessen die Kärwa erst so richtig an. Auf dem Spei-seplan stehen verschiedene Braten, vom Geflügel bis zum Wild alles, was den Gaumen erfreut. Als traditionelle Beilage werden "Ärflsklües" und "Semmlklües" neben eingeweckten Salaten serviert. Abends oder am Kärwamontag kommen Karpfen auf den Tisch. An diese Reihenfolge ist man freilich keineswegs gebunden. Dennoch wird sie in großen Teilen des Frankenwaldes auch noch heute weitgehend so eingehalten.

Zu einer zünftigen Kärwa gehören natürlich Karussell, Musik, Tanz und die feucht-fröhlichen Kärwalieder. Eines davon ist die Arie "Lamento" vom Görchla und seiner Fraa, dem Bärbela: "Wu iss denn des Görchla, Görchla is fei nije dahamm, dä iss auf de Kärwa, frisst die ganz'n Broudwöschd zamm". Da kann es Bärbela lange warten, bis ihr Görchla kommt.

In der Zwischenzeit holen schon mal die Kärwabumm ihre Kärwamaadla mit Musik feierlich von daheim ab. Dazu tragen sie stolz ihren Kärwahut. Darunter versteht man im Frankenwald einen mit bunten Blumen und roten, flatternden Bändern geschmückten Hut. Mit dem Einzug der Kärwajugend beginnt der Kärwatanz.

Mit weißer Schürze und Gießer

Am Kärwamontag geht das Feiern weiter. Aber wo steckt denn bloß es Görchla: "Wu is denn des Görchla, Görchla is heit nije dehamm, dä hockt in ann Wirtshaus, säuft des letzta Seidla zamm". Mittlerweile ziehen die "Kärwabumm", begleitet von der Musikkapelle, mit ihren bunten Hüten von Haus zu Haus und bringen jedem ein "Ständerla".

Ein vorher bestimmter "Kärwabuu" mit weißer Schürze übernimmt die Aufgabe, die jeweiligen Hausbewohner mit einem Schnäpsla oder einem kräftigen Schluck Bier aus dem Gießer zu bewirten, ein zweiter kassiert die Geldspenden, ein dritter wagt mit der Hausfrau oder deren Töchterlein ein Tänzchen.

Am Abend spielt ein letztes Mal die Musik zum Tanz auf und als Abschluss der Kärwa werden die farbenfrohen Kärwasträuße ausgetanzt.

Die Dramaturgie mit dem Görchla erreicht indes auch so langsam ihren Höhepunkt: "Watt ner, watt ner, watt ner, Görchla, bis dei Bärbela kümmt. Huelts diech nije am Montag, ganz bestimmt am Dienstag, watt ner, watt ner, watt ner, Görchla, bis dei Bärbela kümmt".

Entferntes Donnergrollen kündet bereits von der reumütigen Heimkehr des "verlorenen Sohnes": "Ei wu is denn des Görchla, Görchla is heit brav dehamm, dä is in de Kamme, fliggd enn freggdn Bejsn zamm".

"Siechst es, siechst es, su is, Görchla, wennst nije haam gehst bei der Noacht, siechst es, siechst es, su is Görchla, wennst nije haam gehn tust".

"Ja, su senn die Weibe, Görchla, tu nije greina, watt ner, watt ner, watt ner, Görchla, bis zur nächsten Kärwaszeit, watt ner, watt ner, watt ner, Görchla, dann is groad wie heit!"