John le Carré blickt auf seine Anfänge zurück

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Sigismund von Dobschütz
Sigismund von Dobschütz

Sigismund von Dobschütz Fast als Vermächtnis an seine Leser erscheint der im Oktober vom Ullstein-Verlag veröffentlichte Roman "Das Vermächtnis der Spione" ...

Sigismund von Dobschütz

Fast als Vermächtnis an seine Leser erscheint der im Oktober vom Ullstein-Verlag veröffentlichte Roman "Das Vermächtnis der Spione" des britischen Schriftstellers John le Carré. Nach mehr als 50 Jahren blickt der 86-jährige Meister des Spionageromans auf seine Anfänge zurück und liefert mit seinem neuen Bestseller und neunten Band seiner Reihe um den legendären britischen Auslandsgeheimdienstchef George Smiley gleichsam einen spannenden Abschluss seines Welterfolgs "Der Spion, der aus der Kälte kam" von 1963.


Vorkenntnisse von Vorteil

Die Handlung ebendieses Thrillers, mit dem der Autor weltbekannt wurde, sollte man kennen, da Carrés neuer Roman sich direkt auf das damalige Geschehen bezieht. Da passt es doch gut, dass es bei Ullstein ab Mitte November eine Neuausgabe dieses Klassikers gibt. Denn auch im "Vermächtnis" geht es noch einmal um jene Vorfälle in den "kältesten Jahren des Kalten Krieges", in denen Spione aus Ost und West nach eigenen, oft ungeschriebenen und nicht immer legalen Mitteln gegeneinander kämpften. Wobei nach damaligem Verständnis auch Tote in Kauf genommen werden mussten - wie der britische Spion Alec Leamas und dessen Freundin Liz Gold, die beide 1961 an der gerade neuen Berliner Mauer erschossen wurden. Die heute erwachsenen Kinder der beiden Ermordeten haben jetzt den britischen Auslandsgeheimdienst verklagt, und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll seine Arbeit aufnehmen. Hat der Geheimdienst Leamas und Gold damals zu leichtfertig geopfert? Sind die Motive heute noch vertretbar?
Um dies zu klären und sich selbst zu schützen, sieht sich nun ein Team des heutigen, parlamentarisch kontrollierten MI6 genötigt, den alten Vorgang "Wildfall" zu überprüfen. Da man den in den Ruhestand abgetauchten George Smiley nicht finden kann, nimmt man sich den Ex-Spion Peter Guilliam vor, der friedlich auf seinem bretonischen Bauernhof lebt.
Neben Spannung lebt Carrés neuer Spionagethriller von britischem Witz und feiner Ironie. So sind doch die alten "Schlapphüte", die im Ruhestand gestört werden, trotz ihres Alters noch immer kampferfahren und den akademisch geschulten Youngsters im heutigen verbeamteten und bürokratisierten MI6 fachlich überlegen. "Das Vermächtnis der Spione" zeigt im Vergleich beider 50 Jahre auseinanderliegenden Handlungsstränge den Unterschied zwischen der soldatischen Geheimdienstarbeit im Kalten Krieg und der Arbeit heutiger Dienste, die politischer und medialer Kontrolle unterliegen.