Die Äbtissin von Kirchschletten erhält den Göttinger Friedenspreis 2021, weil sie Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt hat. Vor dem Amtsgericht Bamberg wurde die Nonne deshalb angeklagt.
Marion Krüger-Hundrup
Seit Bekanntwerden ihrer strafrechtlichen Verfolgung wird Äbtissin Mechthild Thürmer mit Solidaritätsbekundungen aus aller Welt überschüttet. Doch diese Ehrung bringt die Nonne ein wenig aus der Fassung: "Ich bin überwältigt, die kommt total unerwartet!", freut sie sich am Telefon über diese "Wertschätzung meiner Arbeit".
Mutter Mechthild erhält den Göttinger Friedenspreis 2021 für ihr "friedenspolitisches Engagement", das sie durch die mehrfache Gewährung von Kirchenasyl in der Abtei Maria Frieden in Kirchschletten gezeigt hat, wie es in der Pressemitteilung der Stiftung Göttinger Friedenspreis heißt. Weil die Äbtissin in mehreren Fällen Flüchtlingen "illegal Kirchenasyl gewährt haben soll, beispielsweise im Jahr 2018 einer Eritreerin, die nach Italien abgeschoben werden sollte", sei sie vor dem Amtsgericht Bamberg angeklagt, heißt es weiter.
Wie mehrfach berichtet, wirft die Staatsanwaltschaft der Äbtissin Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt vor, das Amtsgericht droht ihr mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe. "Als Christin stehe ich in der Pflicht, Menschen in Not beizustehen", begründet Mutter Mechthild ihre Taten. "Ich habe mir vorgestellt, dass Jesus das auch so gemacht hätte, um Menschen zu helfen, die Schutz suchen."
Sie sehe der Verhandlung vor dem Amtsgericht "ganz ruhig entgegen, ich habe ein gutes Gewissen", sagt die Äbtissin. Schließlich gehe es nicht um ihren Kopf, sondern um Menschen. Und verbrochen im strafrechtlichen Sinne habe sie schon gleich gar nichts: "Das wäre etwas anderes, wenn ich bei Rot über die Ampel gefahren wäre!" ergänzt sie.
Wann sich die Äbtissin nun vor Gericht verantworten muss, ist derzeit unklar: "Der Verhandlungstermin ist nicht absehbar", erklärte die Sprecherin des Amtsgerichts Bamberg, Richterin Monika Englich, auf Anfrage unserer Zeitung.
Gleichzeitig mit Mutter Mechthild werden die Bewegung Seebrücke mit ihrer Kampagne "Sichere Häfen" und der Marburger Oberbürgermeister Thomas Spies für sein kommunalpolitisches Engagement zugunsten dieser Kampagne mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet. Gemäß des Stiftungszieles bekommen sie die Ehrung für ihr Engagement für sichere Fluchtwege und eine gesicherte Aufnahme von Menschen, die versuchen, aus lebensbedrohlichen Gewaltsituationen über das Mittelmeer und andere Routen nach Deutschland und in andere europäische Staaten zu gelangen, um dort Aufnahme und Schutz zu finden.
Der Preis wird bereits zum 23. Mal vergeben und ist mit insgesamt 5000 Euro dotiert. Das Preisgeld geht zu gleichen Teilen an Mechthild Thürmer und die Bewegung Seebrücke, da OB Thomas Spies als Amtsträger kein Preisgeld entgegennehmen darf. Die öffentliche Verleihung ist für Samstag, 6. März 2021, im Deutschen Theater in Göttingen geplant. Mutter Mechthild: "Ich reise nach Göttingen, wenn Corona dies erlaubt, ich weiß aber noch nicht, mit wem."
Stifter des Göttinger Friedenspreises ist der 1997 verstorbene Göttinger Wissenschaftsjournalist Roland Röhl. Er hatte sich als Journalist vor allem mit Fragen der Sicherheitspolitik sowie der Konflikt- und Friedensforschung beschäftigt. In seinem Testament verfügte Röhl, dass sein Nachlass zur Bildung eines Stiftungsvermögens verwendet wird. Stadt und Universität Göttingen sind Mitglied im Kuratorium der Stiftung. Die Entscheidung über die Preisträger fällt eine unabhängige dreiköpfige Jury.
Was man auch über die Äbtissin liest, es ist voll des Lobes. Aber.....steht ihre Ansicht über dem Gesetz? Kann sie allein beurteilen, wer hierbleiben darf und wer nicht? Die Thematik Kirchenasyl ist von vorn herein schwierig und wirft auch hier die Frage auf, ob sich Glaubensgemeinschaften gegen das geltende Recht stellen dürfen, insbesondere in einem Rechtsstaat, der auch Härtefälle, Krankheiten und menschliche Tragödien in seinen Urteilen berücksichtigt. Was also gibt der Kirche das Recht dazu? Es wird immer wieder die Menschlichkeit angeführt, doch diese Menschlichkeit verdienen alle, nicht nur Geflüchtete, das hat aber mit dem Anspruch auf Asyl nicht das geringste zu tun. Hier muss man schon deutlich unterscheiden: unser Staat und unser Rechtssystem haben alle erforderlichen Informationen um beurteilen zu können, ob jemand Asyl erhält oder nicht, über diese Informationen wird die Äbtissin nicht verfügen. Sie wird sich vielmehr auf die Erzählungen der Schutzsuchenden berufen. Es wird Zeit, dass die Rechtssprechung sich mit der Thematik Kirchenasyl auseinandersetzt und hier ein belastbares Urteil fällt. Einschleusung bzw. Verhinderung von Abschiebung sollten mehr geahndet werden, damit nicht jeder, der meint, er wäre besonders menschlich oder auch christlich, seine Vorstellungen durchsetzen kann.