Natur Bürger fordern schonenden Umgang mit Büschen. Fachleute erklären, warum gute Pflege manchmal brutal aussieht. Der Bürgermeister sucht den Ausgleich.
Es ist Februar. Kommunen und private Grundbesitzer sind damit beschäftigt, Hecken und Feldgehölze zurückzuschneiden. Eingriffe, die jetzt geballt stattfinden, denn vom 1. März an sind sie verboten. Eingriffe, die jedes Jahr vielerorts für Aufregung sorgen - bietet doch eine auf den Stock gesetzte Hecke einen recht brutal wirkenden Anblick. In Seßlach fanden Hecken Fürsprache durch die Bürgerinitiative "Rettet die Nachtigall, schützt unsere Hecken". Daher holte Bürgermeister Maximilian Neeb (FW) die verschiedenen Interessengruppen zusammen, um Standpunkte einander näher zu bringen.
Es war vor allem ein Maschineneinsatz im vergangenen Jahr, der zur Gründung der Bürgerinitiative und zu einem Antrag an den Stadtrat geführt hatte. "Uns geht es darum, dass die Pflege der Hecken so durchgeführt wird, wie es das bayerische Naturschutzgesetz vorschreibt", betont Angela Endress von der Initiative. Das sei eben nach ihrer Einschätzung nicht der Fall. Zu einem großen Teil laufen Arbeiten am Unterhalt der Wirtschaftswege und der sie begleitenden Hecken in Seßlach über die Jagdgenossenschaften. In ihrem Auftrag hatte ein Landwirt den umstrittenen Rückschnitt im vergangenen Jahr vorgenommen. Aus Kostengründen ging das nur maschinell. Zudem war an der Hecke nach seiner Einschätzung zu lange kein Schnitt vorgenommen worden. So waren die Gehölze zu stark geworden. Die Abschnitte sahen nach der Arbeit zerfranst aus - was so nicht sein soll, weil dann die Sträucher schlecht wieder austreiben. Der Aufreger war perfekt.
Erst angelegt, dann gepflegt
Für Maximilian Neeb kein Grund, künftig auf die Heckenpflege zu verzichten. Aber ein Grund, zu erklären, warum diese Arbeiten richtig und wichtig sind, und "dass nicht alles Willkür ist". Dafür hatte er Frank Reißenweber eingeladen. Er ist Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbandes (LPV) Coburger Land. Viele Hecken im Landkreis wurden vom LPV mit Fördermitteln angelegt und werden über die Jahre auch vom Verband gepflegt. Dass die Art der Pflege erschrecken kann, ist ihm bewusst. Er zeigt am Beispiel einer Hecke nahe der Kernstadt, worum es geht: "Es mag komisch klingen, aber die beste Pflege besteht darin, die Hecke knapp über dem Boden abzuschneiden."
Der Hintergrund liegt in der Geschichte der Landnutzung. "Früher legten die Bauern Hecken an, um Reisig für ihre Backöfen zu gewinnen", erklärt Frank Reißenweber. Teilweise entstanden die Hecken von alleine entlang der Feldraine zwischen Lesesteinen der Äcker. Immer steht aber das Wirken des Menschen im Hintergrund. Heute sind Hecken vom Naturschutz hoch geschätzte Lebensräume. Doch sie sind im Grunde eine Übergangsform. Bleiben sie unberührt, wachsen sie zu Baumreihen auf. "Am Ende strebt bei uns alle Entwicklung in Richtung Wald", sagt Frank Reißenweber. Um also die Kulturlandschaft zu erhalten, muss der Mensch eingreifen. Daher wird im Falle der Hecken die einstige Nutzung simuliert. Immer wieder werden Abschnitte auf den Stock gesetzt, damit sie sich wieder von ganz unten herauf entwickeln können. Was nach dem Schnitt erschreckend aussieht, fällt in der Regel schon im Jahr darauf kaum noch auf, weil bereits wieder junger Aufwuchs ausgeschlagen ist.
Rückschnitte sind teilweise auch erforderlich, weil die Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommen muss. Bei Wirtschaftswegen fehlt zudem oft seitlich der Raum, um mit modernen Maschinen und Anbaugeräten der Landwirtschaft die Wege nutzen zu können, wenn die Hecken zu weit in den Verkehrsraum ragen. Entlang von Feldern und Wiesen haben Landwirte einen Anspruch darauf, dass über die Grundstücksgrenzen ragende Äste entfernt werden, die den Maschineneinsatz behindern.