Geprägt von betriebsamer Straße

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In den 50er Jahren wurde die Kirchweih der Hahnweggemeinde noch in einer ausgelassenen Zeremonie beerdigt. Fotos: CT-Archiv
In den 50er Jahren wurde die Kirchweih der Hahnweggemeinde noch in einer ausgelassenen Zeremonie beerdigt.  Fotos: CT-Archiv
Eine Aufnahme aus dem Tageblattarchiv zeigt die Asphaltierungsarbeiten im Hahnweg im November 1956 (rechts).
Eine Aufnahme aus dem Tageblattarchiv zeigt die Asphaltierungsarbeiten im Hahnweg im November 1956 (rechts).
 
 
Der Hahnweg befand sich vor den Toren der Stadt. Das Hahntor wurde 1803 abgebrochen. Wilhelm Streib, von dem diese Darstellung stammt (1888) kann es gar nicht mehr gesehen haben. Bildnachweis: Staatsarchiv Coburg (StACo), Bildsammlung 2665;
Der Hahnweg befand sich vor den Toren der Stadt. Das Hahntor wurde 1803 abgebrochen. Wilhelm Streib, von dem diese Darstellung stammt (1888) kann es gar nicht mehr gesehen haben.  Bildnachweis: Staatsarchiv Coburg (StACo), Bildsammlung 2665;
 

Die Hahnweggemeinde war die erste ihrer Art in Coburg, gegründet 1910. Nun hat sie sich aufgelöst. Der frühere "Bürgermeister" Rainer Ultsch hat die Geschichte der Gemeinde und des Hahnwegs zusammengestellt.

Wer in historischen Ansichten Coburgs stöbert, findet Veste, Ehrenburg, Morizkirche, verschiedene Stadttore, ansehnliche Villen, vielleicht auch das Rittersteichschlösschen. Doch Ansichten vom Hahnfluss oder dem Hahnweg sind kaum zu entdecken. Dabei hatte der Hahnweg für Coburg durchaus einige Bedeutung.

Eigentlich gab es sogar zwei Hahnwege, den oberen und den unteren, aus dem die Rosenauer Straße wurde. Den Namen hat die Straße vom Hahnfluss, der im Mittelalter auf einer Länge von 3800 Metern parallel zur Itz angelegt wurde. Er speiste vermutlich den Rittersteich, wurde von Mühlen und Gerbern genutzt und mündete in den Stadtbach. Neben der Hahnmühle (heute Hotel) stand das Hahntor, von dem es aber nur einige nachempfundene Darstellungen gibt: Es wurde 1803 abgerissen.

Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha ließ Anfang des 19. Jahrhunderts die Rosenauer Straße ausbauen. Unter seinem Sohn, Herzog Ernst II., wurde das Gelände weiter erschlossen: Es wurde eine Badewiese angelegt (wohl hauptsächlich fürs Militär), aus der eine Badeanstalt erwuchs. Ab 1875 hieß sie "Stadtschwimmschule Hahnweg". Ein Jahr vorher war der Hahnweg nördlich davon neu angelegt worden.

Gewerbe aller Art

Von Anfang an befanden sich am Hahnweg Gewerbebetriebe: Es gab Gerber, eine Eisengießerei (Langenstein & Schemann, heute Lasco). Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts kamen eine Ziegelei, Malzfabriken, das Kino, mehrere Gasthäuser und eine Schaumweinfabrik dazu. 1893 errichtete der Alexandrinenbauverein 24 Wohnhäuser für Arbeiter, die heute unter Denkmalschutz stehen.

1926 gründete Adolf Waldrich im Hahnweg seine Maschinenbaufabrik, 1927 folgte die Firma Kaeser, die auch eine der ersten Tankstellen in der Stadt betrieb.

Schon zuvor, 1910, hatte sich die Hahnweggemeinde gegründet, eigentlich ein Verein. Aber der Vorsitzende nannte sich "Bürgermeister", und die Vereine hatten eine ähnliche Funktion wie heute die Bürgervereine in den Stadtteilen. Das war auch am Hahnweg so: Anlass für die Gründung soll der Protest gegen den erhöhten Bierpreis beim Vogelschießen gewesen sein. Aber der Verein machte sich auch schon für eine bessere Straßenbeleuchtung stark.

Die Geselligkeit kam freilich nicht zu kurz: Die 20 Gründungsmitglieder (alles Männer) kegelten gemeinsam und zahlten einen Monatsbeitrag von 20 Pfennigen. Außerdem organisierte der junge Verein Kegelwettbewerbe (Preiskegeln oder "Auskegeln"), was Geld in die Vereinskasse brachte.

Neustart nach dem Krieg

Nach dem Ersten Weltkrieg lebte der Verein wieder auf und widmete sich weiterhin der Geselligkeit. 1935 wurde die Hahnweggemeinde gleichgeschaltet - die Nationalsozialisten duldeten keine unabhängigen Vereine. Irgendwie muss aber das Gemeindeleben weitergegangen sein: 1937 fand der erste Omnibus-Ausflug statt. Der Zweite Weltkrieg ließ das Gemeindeleben wieder einschlafen. Erst 1950 ließen Albin Wank, Christian Beiersdorfer und Albin Müller die Hahnweggemeinde wieder aufleben.

Albin Müller fungierte als Bürgermeister. Die Hahnweggemeinde traf sich monatlich und veranstaltete einmal im Jahr eine "Kirchweih". Die musste aber zunächst im Scheidmantel-Saal in Cortendorf gefeiert werden, weil keine der noch bestehenden Hahnweg-Gastwirtschaften über einen entsprechenden Saal verfügte. Dann aber wurde ein Saal am Vereinsgasthaus "Bergstübchen" angebaut, was drei Tage lang gefeiert wurde. Außerdem stellte die Gemeinde jedes Jahr am 1. Mai einen Maibaum auf.

1954 öffnete sich die Hahnweggemeinde für Frauen, 1956 gab es 70 Vereinsmitglieder. Ab 1959 diente die "Linde" als Vereinsgaststätte, weil das Bergstübchen geschlossen worden war. 1964 folgte der Umzug ins Lokal "Zur Veste". Das 60. Gründungsjubiläum 1970 feierte die Gemeinde aber in der Innenstadt, in der "Goldenen Traube". Die Frauen der Gemeinde gründeten 1961 ihren "Hennenclub", der bis 1991 bestand. Anni Weiland war von Anfang bis Ende die Vorsitzende.

1956 wurde der hintere Teil des Hahnwegs "zwischen der Bäckerei in der Lohmühle und der hinteren Zufahrt der Firma Waldrich" asphaltiert. 1967 wurde der Hahnfluss verrohrt. Der vordere Teil des Hahnwegs, der in den ersten Kriegsjahren von Kriegsgefangenen gepflastert worden war, wurde 1974 geteert. "Bürgermeister" Reinhold Eichhorn hatte das bei der Stadt durchsetzen können. Außerdem schlug die Gemeinde vor, zur Entlastung des südlichen Teils des Hahnwegs eine Verbindung zur Rosenauer Straße zu schaffen. Die Straße war wegen des Stadtbus- und Lasterverkehrs zu den Betrieben von Waldrich, Kaeser und Lasco stark belastet. So wurden der Badweg und der Kneippweg als Fußgängerverbindung angelegt.

Bei Wanderungen fiel den Gemeindemitgliedern der schlechte Zustand des Gustav-Freytag-Brunnens auf. In über 1000 ehrenamtlichen Arbeitsstunden setzten sie ihn wieder instand. Auch die Kirchengemeinde wurde unterstützt: Ein von der Hahnweggemeinde organisiertes Fest brachte 5000 Mark ein, so dass für den Gemeinderaum eine Orgel angeschafft werden konnte.

Aus diesem Fest entwickelte sich das "Stadtrandfest", das die Hahnweggemeinde bis 1992 mitveranstaltete. Gefeiert wurden außerdem das 70. Gründungsjubiläum und der Fasching. Die 80er Jahre brachten einige Turbulenzen: 1982 trat der gesamte Vorstand zurück, der neue Bürgermeister amtierte nicht lange, und 1983 übernahm Rainer Ultsch als Bürgermeister das Ruder. Regelmäßige Treffen und Feiern, Bus-Ausflüge und Wanderungen prägten das Vereinsgeschehen.

2002 musste der Verein wieder auf Wanderschaft gehen: Das Vereinslokal Bausenberg schloss. Die Hahnweggemeinde wechselte ins Sportheim der DJK/Viktoria, wo auch die Pulverberggemeinde zu Hause war. Doch hier war Ende 2004 Schluss. Nun wurde der "Kräutergarten" als Domizil erwählt.

Allerdings war der Altersdurchschnitt der Mitglieder nun schon stark gestiegen, und ihre Zahl war seit den 80er Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Bürgermeister Rainer Ultsch hatte noch zwei Nachfolger: Norbert Conrad (2005 bis 2015) und Ursula Kessler (ab 2015). Am Ende hatte die Gemeinde noch 14 Mitglieder, durchschnittlich über 80 Jahre alt. Deshalb wurde 2019 beschlossen, dass die Hahnweggemeinde sich nach 110 Jahren auflösen solle. Dies wurde am 15. Juli 2020 vollzogen. Die Vereinsunterlagen liegen nun im Stadtarchiv.