Filmriss nach 15 Bier, ein Meineid und ein verirrtes Opfer

2 Min

Was Alkohol anrichten kann, bewies gestern wieder einmal eindrücklich eine Gerichtsverhandlung. Vor dem Erlanger Amtsgericht trafen sich rumänische Landsmänner, eigentlich Freunde. Einer von ihnen hat...

Was Alkohol anrichten kann, bewies gestern wieder einmal eindrücklich eine Gerichtsverhandlung.

Vor dem Erlanger Amtsgericht trafen sich rumänische Landsmänner, eigentlich Freunde. Einer von ihnen hatte sturzbesoffen einem anderen einen Maßkrug über den Schädel gezogen. "Du hättest mich umbringen können!", warf der Geschädigte dem Angeklagten vor.

Bis es soweit war, gingen jedoch einige Stunden ins Land, da das 45-jährige Opfer, das auch als Nebenkläger auftrat, zunächst nicht auftauchte. Daher wurde zuerst der Gastgeber der großen Geburtstagsfeier in Adelsdorf befragt, wo sich der Vorfall Ende Juni 2019 zugetragen haben soll. Dieser behauptete, nur eine Rangelei gesehen zu haben. "Bei der Polizei haben Sie aber mehr ausgesagt", hielt ihm Richterin Birgit Griem seine unterschriebene Zeugenaussage vor. Nein, er habe dasselbe gesagt. Was er am Ende unterschrieben habe, habe er nicht lesen können. Des Deutschen waren die Beteiligten nämlich alle kaum mächtig, weshalb eine Dolmetscherin simultan übersetzte, was gesprochen wurde.

"Ich lasse mich hier nicht für blöd verkaufen!", warnte Griem und ließ den Mann einen Eid schwören, da dieser von seiner "Gefälligkeitsaussage", so die Richterin, nicht abwich.

Auch vom 41-jährigen Angeklagten war nicht mehr zu erfahren: Er berief sich auf Gedächtnislücken. Er habe im Laufe dieses Tages 14 bis 15 Bier und vier Whisky-Cola zu sich genommen. So kam die Beweisaufnahme nicht weiter. Der Geschädigte selbst fehlte schließlich. Sein Rechtsanwalt meinte, dass er offenbar noch in Rumänien sei, da er sich nach einem Telefonat vor einer Woche nicht mehr bei ihm gemeldet habe.

Eine vertrackte Situation, die sich vor allem für den eigentlich unbeteiligten Zeugen immer weiter verstrickte: Die Verhandlung musste vertagt werden. Ohne handfeste Aussage könne niemand verurteilt werden, waren sich die Parteien einig. Auch die Einlassung des Gastgebers müsse nun geprüft werden: Hat er einen Meineid geleistet, ja oder nein? Wegen Verdunkelungsgefahr stellte der Staatsanwalt zudem einen Haftantrag: "Das sind Freunde und Familie, die nahe beieinander wohnen. Natürlich würden die sich absprechen." Die Richterin gab dem statt und ließ den Zeugen direkt aus dem Gerichtssaal abführen.

Falsche Adresse

Bei der Suche nach einem neuen Termin erfuhr der Vertreter der Nebenklage dann jedoch, dass sein Mandant statt zum Gericht zu seiner Kanzlei gefahren war. "Sie kommen jetzt sofort hierher, hören Sie?", wies er ihn an.

So fand die Verhandlung mit einiger Verzögerung doch noch am selben Tag ein Ende. Denn der 45-Jährige konnte sich noch genau erinnern, dass der Angeklagte ihn "stark betrunken" zweimal mit dem Maßkrug getroffen hatte: Hinter dem Ohr und an der Stirn. Das massive Gefäß ging dabei sogar zu Bruch. Gesehen hätten das sowohl der Gastgeber, als auch alle anderen. Auslöser war wohl nur die Verweigerung des Handschlags beim Abschied.

Ärztliche Berichte und Bilder aus dem Krankenhaus bestätigten die Aussage. Das Opfer berichtete zudem von Hörproblemen, einem Riss im Trommelfell, der noch operiert werden müsse. Außerdem habe er immer noch mit Schwindel und eitrigem Ausfluss kämpfen. Die Spätfolgen, die den Mann nach eigener Aussage bis heute arbeitsunfähig machen, konnten jedoch nicht durch entsprechende Dokumente belegt werden.

Der Angeklagte zeigte Reue und entschuldigte sich bei seinem - früheren? - Freund. Das werteten Staatsanwalt, Verteidiger und Richterin gleichermaßen als Geständnis. "Er war ja von Anfang an bereit, die Verantwortung für sein Tun zu übernehmen", hielt ihm Richterin Griem zugute. Schon bei der ersten Vernehmung habe er sich zwar auf seinen Filmriss berufen, aber gesagt: "Wenn es so war, dann war es so." Sein letztes Wort war ebenfalls demütig: "Ich möchte mich nochmals entschuldigen und beuge mich dem, was das Gericht entscheidet."

Verfahren wegen Meineids

Das Urteil nahm der 41-Jährige auch gleich an: Ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. Neben den Verfahrenskosten muss er 2000 Euro Wiedergutmachung an den Geschädigten sowie 500 Euro Strafe an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Strafrechtlich war der Mann bisher nicht in Erscheinung getreten. "Und ich denke, Sie haben daraus gelernt", schloss die Richterin.

Der verhaftete Zeuge kam nach der Klärung des Falls wieder auf freien Fuß. Er wird sich jetzt jedoch wegen Meineids verantworten müssen.