Festival der "fliegenden Hände"

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Konzert  Am Sonntag gastierte der belgische Organist Étienne Walhain in der Christuskirche in Kronach. Unter dem Motto "Orgelmusik aus Belgien und mehr" entfachte er einen musikalischen Sturm.

von unserer Mitarbeiterin Heike Schülein

Kronach — Auffällig von Anfang an: Da sitzt ein Künstler an der Orgel, fast selbstverloren in höchster gedanklicher Konzentration und Wachsamkeit. Total mit seinem Instrument verschmolzen, bildet er mit diesem eine Einheit: mal zärtlich-innig, mal ohne "Schonung". Dann geht er hart ran, bringt die Orgel zum Dröhnen und Brausen und versetzt damit die Christuskirche in einem einzigartigen Musikrausch - ein Festival der fliegenden Hände!

Melodischer Barock

Gänsehaut-Potenzial gleich am Anfang eines herrlichen Konzerts: Die melodische Schönheit des Barock eines Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) bleibt wohl unerreicht: besinnlich, aber nicht bedrückend, einfach nur schön. Zurücklehnen, träumen und genießen - das konnten die erfreulich vielen Besucher des großartigen Orgelkonzerts am Sonntag nicht nur, als Étienne Walhain gleich zu Beginn zwei Werke des Altmeisters anstimmte, sondern auch während des gesamten - sehr stimmig zusammengestellten - Programms. Étienne Walhain ist Organist der Kathedrale von Tournai und Preisträger zahlreicher Wettbewerbe. Seine Konzertreisen führten ihn bislang in viele Länder Europas, nach Kanada und in die USA - und am Sonntag - im Rahmen des 8. Internationalen Orgelzyklus Kronach - auch in Lucas-Cranach-Stadt.

Programm

Auf dem Programm standen ausgewählte Werke, die Walhain auf der Steinmeyer-Orgel der Christuskirche - im wahrsten Sinne des Wortes - "zum Besten" gab und zwar auswendig, ohne Noten. Zudem registrierte er auch noch selbst! Der Orgelvirtuose spielte dabei Tonschöpfungen des französischen Komponisten und Organisten deutsch-belgischer Abstammung, César Franck (1822 bis 1890), aber auch von Domenico Scarlatti (1685 bis 1757), Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) und anfangs Johann Sebastian Bach. Den Großmeister bedachte er zu dessen 330. "Geburtstag" mit zwei Orgelwerken. Sowohl Toccata, Adagio und Fuge C-Dur, BWV 564, die im Aufbau der drei Sätze an ein Konzert anspielt, als auch Präludium und Fuge D-Dur BWV 532 - eines von Bachs meistgespielten zweisätzigen Stücke - setzte er mit höchster Virtuosität ins Szene. Dies gilt auch für zwei wunderbare Sonaten des italienischen Komponisten Domenico Scarlatti (1685 bis 1757), die er zu prächtiger Farbentfaltung brachte.

Mühelos

Ganz selbstverständlich verfügt Walhain über die erforderliche Spieltechnik. Unangestrengt und mühelos scheinen seine Finger über die Tasten zu schwirren, um dann wieder an den genau richtigen Stellen markante Akzente zu setzen. Fröhlich kam Mozarts entzückendes Andante für Orgel zum Klingen, bevor es mit "Pastorale" und "Pièce héroïque" schließlich zum wahrhaft furiosen Finale des Programms überging - mit enormen Ansprüchen an die manuellen Fähigkeiten, an die Kräfte und die Vitalität des Organisten, der sein Publikum nicht nur sprichwörtlich in Atem hielt. Er hatte danach sogar noch die Kondition für den beeindruckend locker absolvierten ebenso zarten wie lieblichen "Tanz der Zuckerfee" aus Peter Tschaikowskys (1840 bis 1893) "Nussknacker", unglaublich!
Keine Frage: Walhain spielt virtuos. Makellose Technik ist das Eine, aber seine Musik war noch viel mehr: Sie fesselte mit Kraft und Hingabe und sie hinterließ Spuren im Gemüt der Menschen. Gerne ließen sich die Zuhörer verzaubern von seinem famosen Spiel. Als die letzten Klänge verklungen waren, erhoben sie sich von den Plätzen. Es folgte minutenlanger Applaus für einen musikalischen Hörgenuss, für den sich Dekanatskantor Popp und Dekanin Dorothea Richter beim Künstler bedankten.