Eine hochexplosive Mischung

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Was die Summe anging, war dies die teuereste Straftat, über 13 000 Euro wurden entwendet. Doch ausgerechnet der Komplize in diesem Fall, musste sich bei weiteren, schlimmeren Vergehen verantworten. Foto: mb
Was die Summe anging, war dies die teuereste Straftat, über 13 000 Euro wurden entwendet. Doch ausgerechnet der Komplize in diesem Fall, musste sich bei weiteren, schlimmeren Vergehen verantworten.  Foto: mb

Mit 20 Jahren hat sich ein junger Straftäter bereits in kürzester Zeit quer durch die schweren Kriminalitätsdelikte des Strafgesetzbuches gepflügt. Manch andere Straftäter brauchen dafür ihr Leben lang, warf ihm der Richter vor.

Michael Busch Der Tankstellenbesitzer ist aufgebracht. "Ja, ich kenne den!" Mit Blick auf einen der drei Angeklagten verfinstert sich seine Miene. "Ich habe ihn gemocht, darum habe ich ihn eingestellt." Der Angesprochene schaut zu Boden. "Er war mir sympathisch, ich wollte ihm helfen!" Nun sitzt der sympathische 30-jährige Mann mit zwei weiteren Angeklagten am Erlanger Amtsgericht vor dem Schöffengericht unter dem Vorsitz von Wolfgang Pelzl.

Der Tankstellenbetreiber wäre noch mehr schockiert, wenn er die Anklage mitbekommen hätte. Denn der Staatsanwalt hatte gut zwei Stunden zuvor zwei Anklageschriften mit mehreren Vergehen vorgetragen. Der 20-jährige Hauptangeklagte spielte bei dem Vorwurf des Diebstahles aus einer Tankstelle in der Erlanger Bunsenstraße nur eine Nebenrolle. Er half bei dem Raub von 13 500 Euro aus dem Tresor. Über ihn wusste der erregte Tankstellenbetreiber nur, dass "ich den und seine Freundin aus der Tankstelle hinausgeschmissen habe". Unsympathisch sei er ihm gewesen.

Das lag aber nicht daran, dass der bei dem Einbruch mit aktiv war. Er hatte nämlich dem "sympathischen Mann" im Jahr 2017 geholfen. Der war, wegen der Fehleinschätzung des Tankstellenwartes in Bezug auf die Sympathie, dort als Aushilfe eingestellt.

Tresor einfach aufgeschlossen

Bereits nach drei Wochen nutzte er eine Chance, die Schlüssel für den Haupteingang und den Tresor nachzumachen. Der Besitzer hatte ihm wegen einer Autofahrt seinen ganzen Schlüsselbund übereignet. "Ich Trottel habe ihm alles gegeben."

Zusammen mit dem Hauptangeklagten schlich er nach Geschäftsschluss in die Tankstelle, entwendete das Geld aus dem Tresor und schlug dann noch einen Stein von außen an die Schaufensterscheibe, um einen gewaltsamen Einbruch vorzutäuschen. 500 Euro gingen an den willigen Helfer.

Der hatte dann aber vor Gericht ganz andere, wesentlich größere Probleme. Denn der junge Mann war offensichtlich eine hochexplosive Mischung, wenn er Drogen genommen hatte oder welche benötigte. "Seit er 13 Jahre alt ist, kifft er und hat damit den Grundstein zu seinem Leben gelegt", erklärte dessen Pflichtverteidiger Thomas Skapcyk. In den letzten zwei Jahren ging es dann rund.

Die Anklage startete mit dem Vorfall an der Tankstelle. Dann wurde ihm vorgeworfen, dass er beim Eintreiben von Drogengeldern zusammen mit dem dritten Angeklagten den "Schuldner" verprügelt haben soll. Beulen, Kopfverletzung und Bisswunden mussten bei dem Opfer verarztet werden. 200 Euro hätte dieser abheben sollen, was dieser aber nicht tat. Daher wurde der beim Fluchtversuch auch aufgehalten und schwer traktiert.

Schwerer wiegend war dann eine Auseinandersetzung zu Bergzeiten im Juni 2019. Am Bürgermeistersteg kam es unter Beteiligung des Angeklagten zu einer gemeinschaftlichen schweren Körperverletzung. Die Opfer erlitten deutlich mehr als blaue Flecken. Bisswunden, eine Bewusstlosigkeit, Jochbeinbruch, ein zweitägiger Aufenthalt in der Klinik, mehrere Wochen Arbeitsunfähigkeit waren Stichworte, die bei der Verlesung der Anklageschrift genannt wurden. Das Verfahren gegen einen Teil der Beteiligten findet dazu im Juni statt.

Doch damit nicht genug, beim letzten Anklagepunkt ging es um häusliche Gewalt. Mehrfach hatte der 20-Jährige in der Vergangenheit in seiner damaligen Beziehung seine Freundin angegangen. Zunächst mit Faustschlägen, dann mit einem Teleskopschlagstock. In einem weiteren Fall würgte er das Mädchen und drückte ihr ein Kissen auf den Mund.

Zu guter Letzt blieb dann noch ein Anklagepunkt: Der Mann hatte 2019 bei einem Erlanger Jugendtreff Marihuana mit sich geführt, das er zum Teil selber konsumieren wollte, zum Teil zum Verkauf anbot.

Das Verfahren schien beim ersten Blick seine Zeit zu dauern, zwei Verhandlungstermine waren durch den Richter angesetzt. Doch nach der Verlesung der Anklage bat einer der Anwälte um eine Verständigung. Eine Möglichkeit, zwischen den Parteien über den Ausgang des Verfahrens zu sprechen, unter bestimmten Zugeständnissen. Dieser "Deal" wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollzogen.

Letzte Chance für den Hitzkopf

Und tatsächlich, es kam zu einer Einigung. Alle drei Angeklagten legten in der Folge über Erklärungen ihrer Anwälte jeweils vollumfängliche Geständnisse ab. Für das Gericht bedeutet das, Kosten können gespart werden, es muss keine aufwendige Beweisaufnahme stattfinden, Zeugen müssen sich der Befragung nicht aussetzen. Lediglich den Tankstellenwart wollte man nochmals hören, da eine "Kleinigkeit", nämlich die Höhe der entwendeten Summe zu klären waren. Über 13 000 Euro sagten der Tankwart und seine Frau, die als Pächterin der Anlage geführt wird, 9500 Euro sagt der Angeklagte. Genau ließ sich das dann aber auch nicht mehr klären.

Der Tankstellenüberfall wäre unter Umständen auch schwierig zu klären gewesen. In diesem Falle hatte aber der Hauptangeklagte den Hauptverantwortlichen bei diesem Diebstahl mit seiner Aussage und seinem Geständnis belastet. Richter Wolfgang Pelzl konnte sich ein Schmunzeln nicht ganz verkneifen als er erläuterte, dass dieses gegenseitige Belasten innerhalb der Gruppen querbeet verlaufe. Der jetzt Belastete hatte in einem anderen Verfahren nämlich seine Haut auch mit einer belastenden Aussage gegenüber weiteren Kriminellen gerettet.

Durch die vorherige Absprache waren die Rahmen der Forderungen in den Plädoyers des Staatsanwaltes und der Rechtsanwälte begrenzt. Naturgemäß forderten die Rechtsanwälte den Rahmen am unteren Rand zu belassen, während der Staatsvertreter eher zu den höheren Strafen tendierte.

Das Schöffengericht entscheid sich dann nicht immer für den Mittelweg. Wolfgang Pelzl verkündete im Namen des Volkes, dass die beiden Mitangeklagten jeweils ein Jahr auf Bewährung erhielten. Für den Tankstellenräuber wurde allerdings eine Gesamtstrafe gebildet, da er durch ein anderes Verfahren bereits vorbelastet war. Ihm drohen zwei Jahre Gefängnis, wenn er gegen seine Bewährungsauflagen verstößt - unter anderem eine Wiedergutmachung des Schadens in Höhe von 10 000 Euro.

Der Gehilfe beim Eintreiben von Drogengeldern erhielt ein Jahr und drei Monate ebenfalls mit einer Bewährung in Höhe von drei Jahren. Er erhielt bei der Urteilsbegründung durch den Richter auch noch den Zusatz: "Es ist sicher auch nicht schlau, solch eine Tat in den Räumen einer Sparkasse zu vollziehen, da gibt es eben viele Kameras.

Der Hauptangeklagte bekam neben der Strafe von zwei Jahren Gefängnis deutliche Worte und Warnungen mit auf den Weg. Denn er erhielt eine sogenannte Vorbewährung. "Wenn Sie es innerhalb der nächsten sechs Monate nicht schaffen, dass Sie einen Therapieplatz zum Drogenentzug erhalten, wenn Sie es nicht schaffen Ihren bereits angebotenen Arbeitsplatz anzugehen oder wenn Sie die Kontaktsperre mit den von mir benannten Personen umgehen, wandern Sie direkt in den Strafvollzug." Pelzl stellte in Aussicht, dass bei einer positiven Entwicklung und dem entsprechenden Engagement des Straftäters, dieser noch eine Bewährung erhalten könne.

Eine erste Bewährungsprobe werde es bei der Verhandlung im Juni geben, denn dann müsse er gegen ehemalige kriminelle Freunde aussagen. "Da wird sich zeigen, was für ein Mann Sie sind", gab Pelzl warnend mit.