Die "Lange Schumann-Nacht" zwischen Euphorie und Depression

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Ein Blick auf die Ankündigung machte stutzig: Wie soll das Ganze denn eine "Lange Schumann-Nacht" werden, wenn das Konzert bereits um 17 Uhr beginnt. Da ist es draußen noch taghell. Aber die Verheißun...

Ein Blick auf die Ankündigung machte stutzig: Wie soll das Ganze denn eine "Lange Schumann-Nacht" werden, wenn das Konzert bereits um 17 Uhr beginnt. Da ist es draußen noch taghell. Aber die Verheißung war nicht zu hoch gegriffen. Um Punkt 22 Uhr, wie ausgedruckt, erklang der Schlussakkord - dazwischen drei Konzertblöcke und zwei Verpflegungspausen. Ansonsten Musik aller Spielarten.

Aber durchgehend glücklich musste man unter konzeptionellen Aspekten nicht werden. Und zwar nicht, weil Schumanns wichtige Werke, mit denen er den nachhaltigsten Eindruck erweckte, natürlich fehlten, fehlen mussten, nämlich seine Sinfonien. Im Grunde war das Gesamtprogramm, für das der Cellist und Literaturliebhaber Götz Teutsch Musik und passende Texte ausgesucht hatte, in drei durchaus sinnvolle Blöcke eingeteilt: Schumann vor Clara, Schumann mit Clara, Schumann nach Clara.

Dazu Texte von Zeitgenossen und Zeitzeugen über Schumann, über die Musik. Iris Böhm und ihr Schauspielerkollege Heikko Deutschmann lasen diese Texte mit wohltuend kalkulierter Empathie.

Gestalterische Frische

Die vielen musikalischen Beispiele waren von Solisten und Ensembles der Bamberger ausgezeichnet vorbereitet worden. Christoph Müller (Klarinette) und Tomoko Ogasawara (Klavier) führten mit gestalterischer Frische das Publikum in Schumanns kammermusikalisches Denken. Andreas Kreuzhuber (Horn) und Tomoko Ogasawara legten mit dem hochvirtuosen Adagio und Allegro op. 70 nach. Schon formell herausragend waren die beiden Streichquartette (die auch in den Texten Erwähnung fanden: das F-dur-Quartett op. 41/2 mit Jueyoung Yang und Geworg Budagjan (Violine), Wakana Ono (Viola) und Indrek Leivategija (Violoncello) und vor allem das zupackende A-dur-Quartett op. 41/3 mit Dagmar Puttkammer und Minkyung Sul (Violine), Martin Timphus (Viola) und Tobias Tauber (Violoncello).

Es störte weniger, dass zwei Texte gleich zweimal gelesen wurden - nur einmal wohl mit Absicht. Und es war sicher schade, dass Iris Böhm, wohl irritiert durch die Lichtregie, mit einem Text zwischen den dritten und vierten Satz der Märchenbilder op. 113 gleichsam hineingrätschte, denn Wolfram Hauser (Viola) und Vita Kahn (Klavier) hatten da eine fantastische Spannung aufgebaut, die den Schlusssatz unmittelbar kontrastieren sollte. Was grundsätzlich schon störte, war, dass man als Zuhörer mit eisernem Klammergriff ums Handgelenk mal wieder in die Schumannsche Depression gezwungen wurde, dass man sich immer wieder dabei ertappte, wie man einen Abgleich zwischen der gerade erklingenden Musik und der Lebenssituation suchte.

Ein Dilemma

Dass sein ganzes Schaffen von seinem psychischen Niedergang und Tod her gesehen wird, das hat ihm schon zu Lebzeiten geschadet. Man denke nur an sein Violinkonzert. Durch stete Wiederholung werden Sätze wie "Die Sonate hat Schubert ein Jahr vor seinem Tod komponiniert!", gefolgt von einem bedeutungsvollen Augenaufschlag, auch nicht richtiger. Was gerne unterschlagen wird und an dem Abend nur ganz kurz aufblitzte, war die Tatsache, dass Schumann durchaus um seine Situation wusste, dass er aber auch den festen Vorsatz hatte, nach seiner Kurierung in Endenich wieder am familiären und öffentlichen Leben teilzunehmen. Er rechnete nicht mit seinem Tod. Warum ließ man ihm das nicht?

Der Schluss zeigte das Dilemma: Schumanns Liederzyklus "Frauenliebe und Leben" für Singstimme und Klavier op. 42 in einer Bearbeitung für Sopran und Streichquartett (war die von Aribert Reimann oder Georg Oyen?). Auf der einen Seite freute man sich über die Interpretation: Die klare, ausgezeichnet geführte und tiefensichere Stimme von Martina Welschenbach und der warme, tragende Klang des "Puttkammer-Quartetts" passten wunderbar zusammen.