Die Fehler haben nicht Wellmann und Leistner gemacht

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Zum Artikel "Wellmann lässt Wellen hochschlagen", erschienen im FT am 23. September: Was jetzt auf der Festung geboten wird, ist aus meiner Sicht ein unglau...

Zum Artikel "Wellmann lässt Wellen hochschlagen", erschienen im FT am 23. September:

Was jetzt auf der Festung geboten wird, ist aus meiner Sicht ein unglaubliches Desaster. Nun wird man sicherlich nicht auf meine Meinung gewartet haben, aber bei der Beobachtung der Situation platzt mir der Kragen. Vielleicht hätten wir als Ensemble-Mitglieder auch schon früher reagieren sollen.
Da werden vom Bürgermeister Töne angeschlagen, die für mich nicht mehr nachvollziehbar sind. Vorher wurde auf jeder Premierenansprache Herrn Leistner absolute Rückendeckung zugesagt und zack, ist er entlassen worden. Uns als Schauspieler wurde immer gedankt und in großspurigen Worten erzählt, dass man in Kronach stolz darauf ist, dass wir dort spielen. 1#googleAds#100x100
In sämtlichen Pressemitteilungen konnte ich in diesem Jahr ständig lesen, dass man so stolz auf seine neuen, professionellen Schauspieler ist und irgendwie ist jetzt alles viel besser. Was waren dann wir und waren wir so schlecht?
Nach der Entlassung von Herrn Leistner konnte ich in der Presse lesen, dass Herr Beiergrößlein mit den Mitgliedern des alten Ensembles gesprochen hätte und man die Festspiele in alter Tradition weiterführen würde. Also bei mir hat sich niemand gemeldet.
Nachdem Herr Leistner vor zwei Monaten in der Presse noch einmal klargestellt hat, dass es in Kronach wohl mehr ein personelles Machtspiel zwischen Intendanz und der Betriebsleitung gab, als weniger die Qualität des Theaters der Grund für seinen Rausschmiss gewesen ist, kam sofort die Gegendarstellung aus dem Rathaus.
Auch die Art der Kündigung von Frau Wellmann wurde als schlechter Stil bezeichnet. Nachdem man aber in der ganzen Saison lesen konnte, wie dankbar man Frau Wellmann für ihre Arbeit gewesen war, hat sich der Wind ziemlich schnell gedreht. Ist es nicht merkwürdig, dass auch Frau Wellmann das Handtuch geworfen hat? Nach meinem Beobachten hatte der Rückgang der Besucher nur bedingt etwas mit der gebotenen Leistung von Herrn Leistner zu tun.
Selbst wenn man mal ein Stück inszeniert, das nicht so gut ankommt, sollte man sich auf den versprochenen Rückhalt verlassen können. Wichtiger wäre ein gutes Marketing gewesen. Trotzdem wurde ein Beratergremium ins Leben gerufen, das dem Intendanten erklären sollte, wie man besseres Theater macht. Ein Gremium aus Laien. Wer von diesen Herrschaften konnte je Theatererfahrung oder fundiertes Wissen über Theaterarbeit vorweisen?
Warum hat Frau Wellmann wohl jetzt diesen Schritt gewählt und den Festspielen den Rücken gekehrt? Ich kenne Herrn Leistner und Frau Wellmann lange und wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder das Problem besprochen, dass die Rahmenbedingungen immer schwieriger wurden. Lächerlich sind auch die Lippenbekenntnisse, dass man in Kronach jetzt noch alles im Griff hätte und die Festspiele eine Zukunft haben würden. Leider sind die, die diesen Zustand in Kronach verursacht haben, in ihren Posten so fest eingebettet, dass es egal ist, ob die Festspiele die nächsten Jahre überstehen werden oder nicht.
Alles in allem bleibt für mich persönlich das Fazit, dass die freundlichen Menschen im Stadtrat, im Rathaus und auch im Tourismusbetrieb dafür gesorgt haben, dass ein tolles Theater innerhalb kurzer Zeit erfolgreich demontiert wurde. Unsere Theaterfamilie ist jedenfalls, dank ihrer Hilfe, zerbrochen. Natürlich wird meiner Darstellung aus dem Rathaus ganz bestimmt komplett widersprochen. Leider kann ich meine Einschätzung zum heutigen Zeitpunk nicht fundiert beweisen, aber die Zeit wird es tun ... ganz gewiss.

Sven Schenke,
ehemaliges Ensemble-Mitglied