Der Stachel der Enttäuschung

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Fleißige Biene, fleißige Unterstützer - und engagierte Gegner: In und um Coburg kommt zu den verhärteten Fronten in Sachen Volksbegehren jetzt auch noch der Frust über verschwundene Plakate. Foto: Patrick Pleul/dpa
Fleißige Biene, fleißige Unterstützer - und engagierte Gegner: In und um Coburg kommt zu den verhärteten Fronten in Sachen Volksbegehren jetzt auch noch der Frust über verschwundene Plakate. Foto: Patrick Pleul/dpa

Zwischen "Rettet die Bienen!" und "Haltet den Dieb!": Viele Menschen engagieren sich in diesen Tagen ehrenamtlich für die Artenvielfalt. Aber ganz offenbar gibt es auch Artgenossen, die das bewusst torpedieren. Das Coburger Aktionsbündnis hat Anzeige erstattet.

oliver schmidt Mama, was ist Demokratie? In der Scheuerfelder Familie Ernst/Orlamünde gab es auf diese Frage in den vergangenen Tagen eine ganz praktische Antwort: Wir hängen Plakate auf! Plakate, mit denen für die Eintragung beim Volksbegehren Artenvielfalt ("Rettet die Bienen!") geworben wird.

Anschaulich

Mutter Uta Orlamünde war begeistert, wie ihre beiden Kinder mitgemacht haben. "Bei Schneeregen und Kälte waren wir draußen unterwegs - mit dem sicheren Wissen, dass wir in Deutschland in der glücklichen Situation sind, dass jeder frei seine Meinung äußern darf", erzählt sie dem Tageblatt - natürlich waren zuvor die entsprechenden Genehmigungen eingeholt und die Aufhänge-Verordnungen intensiv studiert worden. "Das alles war eine sehr schöne Möglichkeit, unseren Kindern den Begriff Demokratie anschaulich nahezubringen!"

Demokratie kann aber auch manchmal wehtun. Das haben die Kinder der Familie Ernst/Orlamünde inzwischen ebenfalls erfahren müssen. "Von den 30 Plakaten, die wir aufgehängt haben, sind bereits 17 über Nacht verschwunden", berichtet Mutter Uta und sagt: "Das waren ganz gezielte Entwendungsaktionen." Denn die Plakate mit den Konterfeis der Landratskandidaten, die derzeit an vielen Stellen im Landkreis direkt neben den "Bienen-Plakaten" hängen, seien alle unbeschadet geblieben.

"Das ist für uns enttäuschend und total unverständlich", sagt Uta Orlamünde, die sofort Kontakt zu ihren Mitstreitern aufgenommen hat. Ergebnis: Im Stadtgebiet Coburg gebe es kaum Vorfälle zu beklagen, während zum Beispiel in Tambach, Altenhof, Weitramsdorf, Weidach, Schorkendorf, Scheuerfeld, Stöppach, Scherneck und Meschenbach Plakate plötzlich einfach nicht mehr da waren.

Das kann Simone Wohnig vom Aktionsbündnis Coburg bestätigen. "Bei unserem Treffen am vergangenen Mittwoch berichteten Helfer von verschwundenen Plakaten." Die Zahl gibt Simone Wohnig mit "mindestens 40" an - unter anderem auch in Grub am Forst, Untersiemau und Seßlach. "Wir gehen von einer widerrechtlichen Entwendung aus", erklärt Wohnig. Deshalb sei Anzeige bei der Polizei erstattet worden.

"Es widerspricht unserem Verständnis von Demokratie und freier Meinungsäußerung", sagt Simone Wohnig, nennt die Vorkommnisse eine "Sabotage des Volksbegehrens" und berichtet, dass die vielen ehrenamtlichen Helfer - wie etwa auch Uta Orlamünde - "entsetzt und maßlos enttäuscht" seien.

In einem "Offenen Brief" wendet sich das Aktionsbündnis auch direkt an die unbekannten Täter. Darin heißt es unter anderem: "Wir stehen in einem demokratischen Entscheidungsprozess, der in unserer Verfassung und Gesetzgebung verankert ist. Wenn Ihr dagegen seid, dann streitet mit offenem Visier und demokratischen Mitteln."

Streit - Anzeige bei der Polizei - offenes Visier: Das passt zu den Beobachtungen von Tageblatt-Leser Bernd Leuthäusser, der zu den Befürwortern zählt. Er hatte am Mittwoch das Treffen des Aktionsbündnisses besucht, in dessen Anschluss mit Landwirten diskutiert wurde. "Zunächst erschien diese offene Auseinandersetzung vielversprechend", berichtet Leuthäusser. Doch leider hätte sich dann doch kein fruchtbarer Meinungsaustausch entwickelt, sondern es sei ein "Weiter-Auseinanderrücken" zu beobachten gewesen. Und: "Nach einigen Minuten recht hitziger Diskussion war ich persönlich ziemlich erschrocken, was die Emotionen da zu Tage trugen." Er hätte nicht erwartet, bei einem Thema wie regionalem Naturschutz auf derart "verhärtete Fronten" zu treffen.

15 Minuten für die Demokratie

Leuthäusser ruft dazu auf, sich mit dem Gesetzesentwurf des Volksbegehrens zu beschäftigen. Zwar räumt er ein: "Die Welt wird dieses Gesetz nicht retten, da werden noch größere Hebel kommen müssen, im Sinne unserer Kinder." Aber: "Die Regierung wird gezwungen, sich mit dem Thema und den Vorschlägen aktiv auseinander zusetzen. Um genau diesen Prozess geht es. Das ist das bisschen direkte Demokratie, das wir haben. Und das ist gut und uneingeschränkt unterstützenswert." Das Lesen des Gesetzentwurfs dauert übrigens rund 15 Minuten - aber diese Zeit kann man sich für die Demokratie ruhig mal nehmen.