Auf Erden sorgte sich vor 2000 Jahren der Apostel und Märtyrer Andreas um das Seelenheil der armen Heidenkinder. Im Himmel kümmert er sich um Liebe und Leid der kleinen Leute am südlichen Tor zum Frankenwald. Ihm, "dem Tapferen, dem Mannhaften", ist der 30. November geweiht.
Dem Andreastag am 30. November kommt als Künder und Wegweiser hin zur Weihnachtszeit eine wichtige Übergangsstellung zu. Das Ende des Novembers leitet vom Herbst zum Winter und vom Ende des Kirchenjahres in die Adventszeit über. Der Andreastag ist ein Lostag, ähnlich wie Weihnachten und Silvester, und mit viel Aberglauben und noch mehr Brauchtum verbunden.
Im Brauchtum und Volksglauben an der Fränkischen Linie steht in der Andreasnacht die geheimnisvolle Erkundung der Zukunft vor allem in Bezug auf Liebe und Ehe im Vordergrund, wie es in den Lostagen- und -nächten zum Ausdruck kommt. Das Wort "Los" leitet sich vom althochdeutschen "losen", soviel wie "lusen, liezen", ab und steht in der Bedeutung von "horchen". Die Losnacht ist demnach eine Nacht, in der man zum "Horchen", respektive "Hineinhorchen" geht. Das Gehörte soll Aufschluss über zukünftige Ereignisse geben.
Um "das Morgen" zu erforschen, fanden sich am Andreasheiligabend junge Mädchen zum Apfelbaumschütteln ein. Dieses geheimnisvolle Treiben konnte nur um die Mitternachtsstunde ausgeführt werden. Das betreffende Bäumchen wurde vorher mit einem Kreis von Sägespänen umgeben. Unter Aufsagen des Spruches "Apfelbaum ich schüttel dich, heiliger Andreas, ich bitte dich, lass mir ein Hündchen bellen" wurde von den Mädchen der Baum geschüttelt. Hundegebell, das darauf hin zu hören war, deutete die Richtung an, aus der ein Freier einmal kommen könnte.
Apfelbaumschütteln
Das Apfelbaumschütteln zählt zum Kreis der Weissagungsbräuche. Im Volksglauben gilt der Baum als Sitz der Seelen von Verstorbenen. Aus der Anschauung, dass seine Wurzeln bis in die Tiefe, den Sitz der Unterirdischen, reichen (Symbol und Verkörperung der Fruchtbarkeit), entspringt die Verwendung des Baumes als Orakelgegenstand.
Auch das "Lechtlaschwimmen" erfreute sich noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts großer Beliebtheit. Doppelt so viele Walnussschalen wie anwesende Mädchen wurden mit kleinen Kerzen bestückt und in eine große, mit Wasser gefüllte Wanne gesetzt. Jede der weiblichen Singles hatte so zwei Lichter, ihr eigenes und ein weiteres, dem es den Namen des Zukünftigen gab. Jene Nussschalen, die sich auf dem Wasser trafen, symbolisierten ein künftiges Brautpaar.
Jahre bis zur Hochzeit
Die Zahl der Jahre, die bis zur Hochzeit noch vergehen, konnte der Fragende aus der Zahl der Anschläge vernehmen, die ein an einem Bindfaden befestigter Ring hervorrief, wenn er in ein Glasgefäß gehalten wurde. Dieselbe Auskunft konnte man auch erhalten, wenn man versuchte, möglichst viele Latten eines bestimmten Zaunfeldes mit der Breite einer Schürze zu umfassen. Die Zahl der Latten, die übrig blieben, gab die Jahre bis zur Hochzeit an. Ebenso wie bei übernatürlichen Handlungen muss beim Zaunmessen absolutes Stillschweigen bewahrt werden. Es ist denkbar, dass der Zaun, der in der altnordischen Mythologie mit Hexen in Verbindung gebracht wird, als Mittel zur Herbeirufung von Geistern und Hexen diente (siehe "Münchner Nachtsegen": Zunrite, die Hexe als Zaunreiterin).
Die Andreasnacht war in früheren Zeiten von so großer Bedeutung, dass sie sogar Eingang in das bekannte Werk "Deutsche Sagen" der Gebrüder Grimm gefunden hat, wenn auch mit tragischem Ausgang. Die Brüder Wilhelm und Jakob schildern dies folgendermaßen: "Es ist Glaube, dass das Mädchen in der Andreasnacht ihren künftigen Liebsten einlädt und sehen kann. Es muss einen Tisch für zwei decken, es dürfen aber keine Gabeln dabei sein. Was der Liebhaber beim Weggehen zurücklässt, muss sorgfältig aufgehoben werden. Er kommt dann zu derjenigen, die es besitzt, und liebt sie heftig. Es darf ihm aber nie wieder zu Gesicht bekommen, weil er sonst der Qual gedenkt, die er in jener Nacht von übermenschlicher Gewalt gelitten, und er des Zaubers sich bewusst wird, wodurch großes Unglück entsteht."