"Das ist Therapie für mich!"

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Norbert Leisegang (Mitte, weißes Hemd) war schon 1982 dabei, als sich die Band "Jogger" in "Keimzeit" umbenannte. Foto: Bernd Brundert
Norbert Leisegang (Mitte, weißes Hemd) war schon 1982 dabei, als sich die Band "Jogger" in "Keimzeit" umbenannte.  Foto: Bernd Brundert

"Keimzeit"-Sänger Norbert Leisegang spricht vor seinem ersten Gastspiel in der Sonnefelder Domäne über göttliche Fügungen und schmerzhafte Momente. Außerdem erinnert er sich an einen Ausflug ins Coburger Nachtleben.

Ich steck dir die halbe Tüte Erdnusschips

In deinen zuckersüßen Mund

Ich find dich in einem Comic-Heft wieder,

Fotografier dich bunt

Graffitis machen graue Wände lebendig,

Ich wünschte, ich könnt das auch

Und wie ich überleg, was ich denn wirklich kann

Seh ich, dass ich zu nichts taug

Kling klang, du und ich

Die Straßen entlang

N a, Ohrwurm im Kopf? "Kling klang" ist wohl das bekannteste Lied der Band Keimzeit. Am Freitag, 3. April, wird ab 20 Uhr die Gruppe für ein Live-Konzert in der Sonnefelder Domäne erwartet. Norbert Leisegang ist Kopf und Mitbegründer der Formation und erinnert sich im Gespräch mit dem Tageblatt unter anderem auch an seine bisherigen Besuche im Coburger Land. Das Gespräch wurde im Coburger-Szeneclub Toxic Toast im Unteren Bürglaß geführt.

Tageblatt: Norbert, vor rund elf Jahren warst du schon einmal hier in der Coburger Innenstadt zu Gast, damals als musikalisches Mitglied des "Clubs der toten Dichter". Kannst du dich noch an diese Tour und den Abstecher in die Coburger Sonderbar erinnern?

Norbert Leisegang: Natürlich, das war wunderbar. Allerdings glaube ich, dass ich nicht nochmals irgendwann Teil dieser Band sein werde. Die damalige Vertonung von Wilhelm Busch war mir auf den Leib geschneidert. Eine Neuauflage wird es nicht geben, aber ich verfolge natürlich stets die tollen Projekte von Ideengeber Reinhardt Repke.

Überhaupt die Region Coburg, du warst ja schon öfters hier zu Gast. Ich denke dabei noch gerne an euren Auftritt Mitte der 90er Jahre in Buchenrod zurück.

Ja, wir haben damals eine Einladung erhalten und sind dann einfach dort aufgeschlagen. Die Erinnerungen daran sind sehr stark. Unser Konzert in der dortigen Mühle war wie im Rausch. Mit einer kurzen Pause ging der komplette Auftritt fast vier Stunden lang. Das ist bei mir noch festverankert!

Rund 30 Jahre nach der innerdeutschen Maueröffnung, gibt es da für dich auf der Bühne stehend noch Unterschiede, ob ihr im Westen oder Osten auftretet?

Eine sehr gute Frage. Ich denke, es gibt so gesehen eigentlich keine Unterschiede mehr. Dies ist ja auch gut so. Aber eher regionale Verschiedenheiten. Sprich, wenn wir in ländlichen Regionen auftreten, werden vornehmlich ältere Songs aus den Alben "Irrenhaus", "Kapitel 112" oder "Bunte Scherben" gewünscht. In Städten ist dies vollkommen anders. Hier wird mehr Wert auf unsere neuen Stücke und Veröffentlichungen gelegt. Mit unserer aktuellen "Das Schloss"-Tour sind wir ein Viertel im Westen, drei Viertel im Osten live zu sehen. Aber das ist natürlich auch stets immer von den jeweiligen Veranstaltern abhängig!

Mit eurem jüngsten Werk "Das Schloss" seid ihr seit letztem Jahr auf Tour. Werfen wir einen Blick in eure zukünftigen Aktivitäten. Gibt es schon neues Material?

Du, in Gedanken bei der Veröffentlichung eines Albums bin ich persönlich schon immer einen Schritt weiter. Ich bin stets offen für neue Lieder und es ist bei mir ein fortlaufender Prozess. Ich schreibe und sammle alles, was mir so in den Weg kommt. Aber es braucht Geduld, bis eine Idee letztendlich gereift ist. Nächstes, vielleicht übernächstes Jahr wird bestimmt wieder ein Produzent gesucht und ein Album aufgenommen. Die Blicke gehen dabei stets nach vorne. All das ist Therapie  für mich, um Luft zu haben und dabei am Leben zu bleiben! Es gehört bei diesem Job einfach ein gewisser Wahnsinn dazu und den Wunsch, Musiker zu werden, hatte ich bereits als Teenie.

Mit Blick auf die weltweite Nachrichtenlandschaft wird es dir aber nicht zu viel, um die für dich passenden Themen herauszusuchen?

Ich agiere hier wie alle anderen. Es gilt diese Flut zu filtern. Aber ehrlich, immer auf Empfang bin ich gar nicht. Das wird mir echt zu viel.Ich bin auch nicht bei den Social-Media-Kanälen unterwegs. Ich schütze mich ganz klar davor. Aber durch diesen Schutz kann ich Dinge, die direkt um mich herum passieren, viel besser wahrnehmen. Daher ist die Tourtätigkeit enorm wichtig für mich. Dieser analoge Austausch und der damit verbundene Kontakt bringen mir mehr als nüchterne Onlinemeldungen. Beim Schreiben von Liedtexten findet bei mir ohnehin kein Bezug zum Tagesgeschäft statt. Persönliche Beziehungen sind für mich zweifelsfrei ein viel, viel wichtigerer Impuls für einen neuen Song.

Am 3. April wird in Sonnefeld "Keimzeit" als Sextett zu bewundern sein, gespickt mit drei jahrelang gemeinsam agierenden Bandmitgliedern und drei eher jüngeren Musikern. Wie sieht die Chemie zwischen euch aus?

Die Besetzung der 90er Jahre kann man mit der jetzigen nicht vergleichen. Da gibt es doch Unterschiede. Zu Beginn unserer Karriere war unsere Gruppe sehr stabil. Wir konnten frei agieren, hatten keine Verantwortungen und waren noch nicht in eigenen Familien integriert. Das war für uns eine vollkommen andere Zeit. Es gab dann im Laufe der Bandgeschichte drastische Veränderungen, sowohl künstlerisch als auch menschlich. Neue Aspekte kamen ans Tageslicht, auch hat man sich phasenweise auseinandergelebt. Aber für mich waren die Trennungen immer schwieriger als die neuen Zusammenschlüsse. Schmerzhafte Momente galt es für alle zu überstehen. Aber ich wollte stets mit "Keimzeit" weitermachen. Ich bin total glücklich und sehe es auch als göttliche Fügung an, dass die neue Generation zu uns gefunden hat. Es ist und bleibt stets etwas sehr Emotionales! Das Interview führte Rolf Krebs