Infrastruktur Verkehrsexperten erkundeten den Landkreis auf dem Drahtesel und deckten dabei Mängel auf.
von unserem Mitarbeiter Peter Groscurth
Landkreis Bamberg — Radfahren liegt voll im Trend - nicht nur dank der hypermodernen E-Bikes, die mit elektrischen Antrieben für ordentlich Tempo sorgen. Auch in und um Bamberg boomt die Fortbewegung auf zwei Rädern. Vor allem Touristen erkunden so unsere wunderschöne Region.
Landrat Johann Kalb (CSU) macht sich nun für die Radler stark, will die Wege und Straßen weiter ausbauen, damit Radfahrer sicher und rasch an ihre Ziele kommen, auch im Alltag zur Schule und zur Arbeit. Gestern waren aus diesem Grund Experten von der Arbeitsgemeinschaft "Fahrradfreundliche Kommune" (AGFK) im Landkreis mit dem Rad von Hirschaid bis nach Bamberg unterwegs und bewerteten das Wegenetz. Fazit von Thomas Neubauer, Geschäftsführer der AGFK: Es müsse sich noch einiges tun, damit die sanfte Verkehrswende kein Wunschtraum bleibt.
Wo gibt es Lücken? In diesem Zusammenhang nannte Neubauer unter anderem, dass die Beschilderung aller Radwege überarbeitet werden müsse - vor allem in Hinblick auf die Nutzung im Alltag. "Außerdem muss das Landratsamt analysieren, wo noch Lücken bei den Verbindungen existieren. Diese sollten dann aufgezählt werden und ein Zeitplan muss Prioritäten festlegen", sagte Neubauer vor den Vertretern des Landkreises.
Bei der Rundfahrt durch den Landkreis war den Rad-Experten in Hirschaid negativ aufgefallen, dass dort Radfahrer ziemlich konfus durch den Ort geleitet werden. "Hier sollten sie sich bessere Lösungen einfallen lassen", forderte der AGFK-Geschäftsführer. Doch er brachte auch Lob von seiner Tour mit: "Ich habe viele positive Sachen gesehen.
Für die touristische Nutzung besitzt das Radwegenetz im Landkreis etwa eine sehr gute Beschilderung."
Und wie geht es mit dem Ausbau des Radverkehrs weiter? Der Landkreis muss sich darüber klar werden, ob er den Radverkehr noch entschiedener vorantreiben möchte und hierzu ein Konzept verabschiedet.
Für Landrat Kalb gibt es dazu wohl keine Alternative: "Wir haben für die Touristen ein Konzept erarbeitet. In das wollen wir bald auch die Alltagsfahrer aufnehmen."
Schwierige Verhandlungen Aus seiner Erfahrung in der Kommunalpolitik weiß Kalb aber auch, wie mühsam und zäh dieses Ziel sein kann: "In der Praxis stehen wir häufig vor großen Problemen." Er nannte in diesem Zusammenhang vor allem den Erwerb von Grundstücken, die benötigt werden, um neben bestehenden Straßen Radwege bauen zu können.
Wie etwa bei der Verbindung zwischen Buttenheim und Eggolsheim.
Kalb: "Hier gab es schwierige Verhandlungen und nur dank der Flubereinigung war dieses Projekt letztendlich zu realisieren. Oft genug ist der Ausbau des Radwegenetzes wie ein Puzzle, das erst nach und nach ein harmonisches Ganzes ergibt."
Fast 250 Kilometer Radwege entlang von Bundes-, Staats- und Kreisstraßen gibt es derzeit. Das soll weiter wachsen, kündigte Nadja Kulpa-Goppert, Fahrradbeauftragte des Landkreises, vor der Kommission der AGFK an. "Die Förderung der Nahmobilität ist ein wichtiger Baustein und steht in engem Zusammenhang mit unserer lokalen Entwicklungsstrategie bis 2020. Wir wollen eine Modellregion für ländliche Mobilität werden."
Das Landratsamt muss aber auch vor der eigenen Haustüre kehren, wie der gestrige Termin zeigte.
Der Fahrradstellplatz der Behörde sei schlecht zu finden und zudem nähmen dort geparkte Motorräder Drahteseln den Platz weg, kritisierte Elke Pappenscheller vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Bamberg. KommunalPolitikerinnen und -Politiker könnten übrigens beim Radeln vorbildlicher handeln.
Laut einer Umfrage des Landratsamtes nutzen nur 14 von 30 Bürgermeistern ein Fahrrad im Dienst und in der Freizeit. Mehr Dynamik ist da bitter nötig.
Abgesehen von touristischen Freizeitrouten, ist davon nichts zu bemerken. Wohl kann, nein: muß festgestellt werden: Der Landkreis wie auch die ihm angehörigen Kommunen tun alles, um die Fahrbahnen vom Radverkehr freizuräumen. Wie die Radler dann zurechtkommen, kümmert sie offensichtlich wenig.
Benutzungspflichtige Radwege, viel zu schmal, eng an unübersichtlichen Grundstückszufahrten vorbei, im angeordneten Zweirichtungsverkehr die Wahl zwischen Abrutschen ins unbefestigte Bankett und Streifen der Hangstützmauer lassend, für das Fahrrad gesperrte Straßen, die teils erhebliche Umwegfahrten erforderlich machen, und viele andere Mißstände ergeben ein deutliches Bild.
Kernelement der Aufnahmekriterien der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Bayern (AGFK-BY) ist die Einhaltung der Qualitätskriterien, welche in den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen festgehalten sind. Diese sind - rechtlich bindend, aber selten beachtet - für alle Neu- und wesentlichen Umbauten relevant. Doch ein Großteil der vorhandenen, auch neueren Wege hält nicht einmal die deutlich geringeren Anforderungen ein, welche für den Altbestand in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO gelistet sind.
Lebensgefährliche Radverkehrsführungen wie um die Kreisverkehre in Hallstadt (Emil-Kemmer-Straße) und bei Altendorf / Buttenheim (St2960/BA9) vervollständigen das Bild. Die gern vorgenommene Ausweisung neuer Siedlungsflächen (Einkaufsmärkte, Gewerbe- und Wohngebiete) im Außenbereich fördert schwerlich die Nahmobilität, die weiterer Schwerpunkt der AGFK ist. Der Verkehrssicherheit abträglich war überdies die Aufhebung diverser Tempo-30-Anordnungen vor Schulen.
In Verbindung mit der fahrradfeindlichen Grundeinstellung vieler Bürgermeister und Mandatsträger bleibt, objektiv betrachtet, nur eine Konsequenz, will die AGFK glaubwürdig bleiben: Der Landkreis Bamberg fällt mit seiner Beitrittsbewerbung voll auf die Nase, erhält Gelegenheit, erst einmal grundlegend nachzubessern.