Baugebiet entzweit Erlangen

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Schraffiert ist in dieser Skizze der Stadt das mögliche neue Baugebiet zu erkennen. Grafik: Stadt Erlangen
Schraffiert ist in dieser Skizze der Stadt das mögliche neue Baugebiet zu erkennen. Grafik: Stadt Erlangen

Für 10 000 Menschen könnte ein neuer Stadtteil entstehen ... wenn die Bürger am 14. Oktober "grünes Licht" geben.

Gleichzeitig mit der Landtagswahl am 14. Oktober findet in Erlangen ein Ratsbegehren über die Frage statt, ob die Stadt die Untersuchung für ein neues Mega-Wohnviertel im Erlanger Westen unter dem Namen "Erlangen West III" fortsetzen darf.

CSU-Fraktionschef Jörg Volleth spricht von "schweren handwerklichen Fehlern", die zu der aufgeheizten Stimmung rund um das Bauland-Projekt geführt hätten. Ausgerechnet vor der Bergkirchweih habe Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) das Großprojekt "heimlich, schnell und leise" durch den Stadtrat peitschen wollen. Dieser Plan sei gehörig nach hinten losgegangen. Nun müsse der OB einmal mehr die Meinung des Volkes einholen. Zuletzt hatte Janik beim Bürgerbegehren zum "Stopp der Landesgartenschau" im Jahr 2017 eine politische Niederlage einstecken müssen.

Bürgerproteste haben in Erlangen eine geräuschlose Ratsentscheidung verhindert. Besonders die Bauern sind gegen die geplante Umwandlung von Acker- in Bauland auf die Barrikaden gegangen. Im Stadtrat hat sich die ÖDP an die Spitze der Proteste gestellt und mit einem Ratsbegehren gedroht. Janik habe nicht mit diesem breiten Widerstand gegen "West III" aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen gerechnet, ist sich ÖDP-Stadträtin Barbara Grille sicher.

Die SPD hat sich nach den Protesten freilich für die Flucht nach vorne entschieden und ein Ratsbegehren mit der eigenen Mehrheit auf den Weg gebracht. Mit dem taktischen Vorteil, dass die Ampelkoalition im Rathaus die Frage an die Bürger eigenhändig formulieren durfte. Diese lautet nun: "Sind Sie dafür, dass die vorbereitende Untersuchung für ein neues Stadtviertel im Stadtwesten zwischen Büchenbach und Steudach (Erlangen West III) weitergeführt wird?"

Wette auf die Zukunft der Stadt?

Viele Bürger seien sich der Tragweite ihrer Entscheidung durch die vage Formulierung der Frage nicht bewusst, befürchtet Jörg Volleth. Für den CSU-Fraktionschef ist der Ausgang der Entscheidung deshalb extrem ungewiss. Volleth wirft dem Oberbürgermeister vor, mit dem Ratsbegehren eine Wette auf die Zukunft der prosperierenden Universitätsstadt eingegangen zu sein. Er selbst habe im Vorfeld vehement dafür plädiert, das Erschließungsprojekt zu verkleinern. "Nun planen wir auf einen Schlag einen komplett neuen Stadtteil auf 200 Hektar."

Besser wäre es laut Volleth gewesen, das Baugebiet schrittweise gemeinsam mit den Grundstückseigentümern und Landwirten zu entwickeln. Dieses Vorgehen sichere die Betriebe der Landwirte. Gleichzeitig könnten sich die Bauern auf die neue Situation einstellen.

Dieses abgestimmte Vorgehen hätte der Stadt laut Volleth ebenfalls Vorteile verschafft. Die Gefahr von möglichen Enteignungsverfahren und anderen juristischen Streitereien um den begehrten Baugrund hätte minimiert werden können. Dadurch hätte der neue Wohnraum schneller für die Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden können.

"Würde sich die Ampelkoalition im Ratsbegehren mit ihrer sanft formulierten Frage durchsetzen, würde dies das Ende der landwirtschaftlichen Betriebe im Stadtwesten bedeuten", ist sich Jörg Volleth sicher, der hinter der gewaltigen Dimension des aktuellen 200-Hektar-Baulandprojektes ein handfestes Kalkül vermutet. Der neue Stadtteil soll die potenziellen Fahrgastzahlen für die geplante Stadt-Umland-Bahn (StUB) erhöhen, vermutet der Oppositionsführer im Erlanger Stadtrat.

Kritik an "Alibipolitik"

Die Umland-Bahn sei laut Volleth das "Lieblingsprojekt" des Oberbürgermeisters. Mit allen Mitteln wolle Janik der "StUB" zum Erfolg verhelfen. Deshalb habe Janik darauf gesetzt, das gesamte Areal auf einen Schlag zum Entwicklungsgebiet für rund 10 000 Menschen zu erklären. Mit der Folge, dass sich Janik in seiner ersten Amtszeit bereits zum vierten Mal einem Bürgervotum stellen müsse.

ÖDP-Stadträtin Grille ärgert sich darüber, dass die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen den Charakter "unserer kleinen Großstadt" aufs Spiel setze. Die stadtnahe Landwirtschaft, die Infrastruktur und insbesondere die Natur und Umwelt seien durch das XXL-Neubaugebiet bedroht. Besonders enttäuscht zeigt sich Grille von der "Alibipolitik" der grünen Umweltreferentin. Susanne Lender-Cassens (Grüne) fordere Dachbegrünungen und gebe Landschaftsschutzgebiete dem Flächenfraß preis.

Die Ampelkoalition verweist freilich darauf, dass "höchstens die Hälfte der Untersuchungsfläche bebaut" werden solle. Die SPD sei sich zudem im Klaren darüber, dass in dem Gebiet landwirtschaftliche Flächen verloren gehen. "Wir wollen das Wachstum der Stadt gestalten und gleichzeitig den Charakter Erlangens erhalten", betonte Oberbürgermeister Janik kürzlich und verwies darauf, dass seit seinem Amtsantritt die Einwohnerzahl bereits von 108 000 auf rund 113 000 Einwohner gestiegen sei. Bereits in zwei Jahren würden 4000 weitere Neu-Erlanger hinzukommen. Vor diesem Hintergrund hat der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Stadtentwicklung und Wohnen, Philipp Dees, folgende Parole ausgegeben: "Ziel ist, dass es sich alle Menschen leisten können, in Erlangen zu leben."