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"War mit dem Drehen des Gesichtes des Delinquenten nach Osten, in das Jenseits, ein letzter Gnadenakt gemeint?", fragt sich Robert Leyh in seinem Beitrag über die archäologische Untersuchung der ehemaligen Richtstätte, die unter dem Titel "Der Roßtaler Galgen" im Jahr der Skelett-Entdeckung in den "Roßtaler Heimatblättern" (Heft 18 - 1988, S. 7-12) erschienen ist.
Hatten die Roßtaler Angst vor dem Hingerichteten?
Welch große Vergehen musste sich das Skelett zu Lebzeiten schuldig gemacht haben, dass die Roßtaler so einen Aufwand - Kopf abschlagen, Pech in den Hals gießen, Skelett auf Brett nageln, Gebeine ins Jenseits ausrichten - mit der Leiche betrieben?
Genau 30 Jahre nach dem sensationellen Fund, rund zwei Kilometer vom Roßtaler Marktplatz entfernt, scheint Robert Leyh eine Antwort auf die brennenden Fragen gefunden zu haben.
Demnach müssen die Menschen damals Todesangst vor dem Hingerichteten gehabt haben. Unter allen Umständen hatte man seiner Theorie zufolge vermeiden wollen, dass der Hingerichtete zu einem Wiedergänger wird und als Vampir sein Unwesen treiben kann.
Zweifel an der Vampir-Theorie
Im Roßtaler Heimatmuseum kann man die Aufregung nicht verstehen. "Die Kinder finden das Skelett wunderbar", sagt eine Frau und zeigt auf die Gebeine, die unter einer schweren Glasplatte im Boden des Museums zu sehen sind.
Auch der Kreisheimatpfleger ist von der "Vampir-Theorie" nicht überzeugt. "Mir ist noch kein Vampir begegnet. Ich glaube deshalb nicht daran", sagt Thomas Liebert, der selber in der kleinen Marktgemeinde mit der langen Vergangenheit groß geworden ist.
Mit persönlichen Interpretationen müssten Archäologen seiner Meinung nach sehr vorsichtig sein. "Die Gefahr ist dabei immer, dass man Geschichten in die Geschichte hineininterpretiert." Heimatpfleger Liebert lässt durchblicken, dass er kein Fan von historischen Kriminalerzählungen ist.
"Krimis sind nicht besser als reale Geschichte. Die Geschichte selbst ist spannend genug", ist sich Liebert sicher und verweist auf die historische Bedeutung des mittelfränkischen Marktfleckens. Überall wimmelt es in Roßtal von Historie.
Sind die Nägel zu kurz?
Auch an Räuberpistolen und Schauermärchen unter der Erdoberfläche fehlt es nicht. "Ich hätte mir trotzdem für Roßtal eine andere Publicity als diese reißerischen Vampir-Story gewünscht", gesteht Liebert und verweist auf Pläne, rund um Roßtal einen historischen Wanderweg anzulegen.
Und die Vampir-Story? "Hinrichtungen waren immer auch Schauspiel und Inszenierung", sagt Kreisheimatpfleger Thomas Liebert. Für einen Vampir seien die ausgegrabenen Nägel zu kurz gewesen. Einen "echten" Vampir hätten die Roßtaler sicher mit viel längeren Eisenstiften auf das Brett genagelt, ist sich der promovierte Historiker aus Roßtal sicher und lacht.
Der "Vampir" von Roßtal
Bei den sterblichen Überresten, die 1988 auf der Galgenhöhe in Roßtal ausgegraben worden sind, soll es sich um eine nur knapp über 1,50 Meter große Frau im Alter zwischen 35 und 45 Jahren gehandelt haben.
Nach Laboruntersuchungen soll die Frau zwischen 1668 und 1781 gelebt haben. Auf dem Roßtaler Rabenstein haben die Ansbacher Markgrafen schon immer Hochgericht gehalten. Für grobe Vergehen wurden Delinquenten auch mit dem Tod bestraft.
Den Grabungsbericht von Robert Leyh aus dem Jahr 1988 gibt es im Internet auf den Seiten des Roßtaler Heimatvereins zum Nachlesen. Weitere Hintergründe zum Roßtaler Richteramtfinden sich dort ebenfalls.