In der Gustavstraße schlägt das Herz der Stadt. Hier haben die Fürther nach dem Triumph gegen Nürnberg die ganze Nacht gefeiert. Auch am Morgen nach dem Spiel gibt es nur ein Thema: die fünf Tore der Spielvereinigung.
Die Gustavstraße schaut eigentlich aus wie immer. Auf den Trottoirs vor den malerischen Cafés genießen die Menschen die Sonne. Der einzige Unterschied: Die gute Stimmung hat heute nichts mit dem Wetter zu tun. "Wir haben das Derby gewonnen", sagt Tom und verzieht die Miene zu einem Lächeln. "Ich lächele sonst nie", versichert der Mann mit dem grünen Trikot und den vielen Tattoos. Man glaubt es ihm gern.
An diesem Morgen gibt es auf der Gustavstraße nur ein Thema: der historische Derby-Sieg der "kleinen" Fürther gegen die "großen" Nürnberger. "Als Fürther kannst Du normalerweise nie den Sportteil lesen. Heute stehen wir sogar auf der Titelseite", sagt ein Mann mit Sonnenbrille, der mit seinen Fußball-Freunden vor dem Café "Bar" auf dem Gehsteig hockt. Auch er grinst über beide Ohren. Auch er trägt ein grünes Jersey. Die Farbe der Förster und Jäger ist die Lieblingsfarbe der Fürther. Sogar das Lieblingsbier heißt hier Grüner. "Das du fei net Greuther schreibst", raunzt ein Fan vom Nachbartisch herüber. Kleeblatt oder Spielvereinigung könne man die Mannschaft nennen. Aber mit dem kleinen Teedorf Vestenbergsgreuth, das den Verein mit seinen Teebeutel-Millionen einst vor dem Bankrott rettete, wollten die Fürther nichts zu tun haben.
Nebenan im "Gelben Löwen" ist der Peter immer noch aus dem Häuschen. "Wann ist gestern nochmal die Mannschaft gekommen, Susi?", fragt der Wirt seine Freundin. "Um halb zwölf waren alle da!", antwortet die Susi, während der Peter eine echte Eckfahne mit grüner Flagge aus dem Hut zaubert. "Die hat mir gestern einer von den Jungs geschenkt", sagt der Peter und schwenkt die Eckfahne über die Köpfe seiner Gäste. Derweil hüpft Markus Braun mit seinen Krücken heran und bewundert die Eckfahne vom Derby-Sieg wie eine Reliquie. "War es früher noch eine sportliche Herausforderung, ist das Derby heute nicht mehr als eine lästige Pflichtübung", findet der Wirt der inoffiziellen Vereinskneipe, der zur Feier des Tages ein T-Shirt mit der Aufschrift "Derbysieg 2013" aus dem Kleiderschrank gezogen hat. Ein junger Fan findet auch: "Der Club war kein Gegner." Das hätten sogar die eigenen Fans eingesehen und noch in der Nacht ein Banner mit der Aufschrift "Versager" ans Vereinsgelände am Valznerweiher angebracht.
"Antifü" lasst Jung den Kamm schwillen
Währenddessen haben sie in Fürth in der Gustavstraße die ganze Nacht getanzt. "Die Jungs sind keine abgehobenen Fußballprofis sondern Leute wie Du und ich und präsent in der Stadt", findet Markus Braun, der Sportbürgermeister mit den Krücken, und die anderen Gäste nicken. In Fürth würden sie auch nicht ausrasten, wenn sich mal ein Spieler auf ein Grüner in die Gustavstraße hockt. "Das ist hier ganz normal", sagt Bürgermeister Braun und begrüßt seinen Chef. Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) kommt an diesem Tag natürlich auch auf einen Sprung in den "Löwen" vorbei. "Die ganze Stadt hat ein emotionales Erdbeben erleben dürfen", sagt Jung feierlich. Freilich gefalle ihm der "Hass" zwischen den rivalisierenden Fans überhaupt nicht. Wenn er schon den Nürnberger Schlachtruf "Antifü" hört, schwillt ihm der Kamm. Umso mehr freue es ihn, dass die Fürther die ganze Nacht friedlich gefeiert hätten.
Gleichzeitig haben sich die Nürnberger Fans vor Ärger fast in den Hintern gebissen. Nach Spielende begleitete die Polizei rund 800 frustrierte Anhänger des 1. FCN zurück zum U-Bahnhof. "Dieser Marsch verlief vollkommen ruhig und störungsfrei", sagt ein Polizeisprecher. In der "Stadt der Verlierer" blieb es nach Auskunft der Polizei auch nach dem Spiel die ganze Nacht hindurch ruhig. Zu einem gravierenden Vorfall kam es allerdings bereits vor dem Anpfiff: Ein Fahrgast in einer mit Clubfans besetzten Bahn riskierte dabei sogar ein Menschenleben, als er aus dem fahrenden Zug einen Feuerlöscher durch die Fensterscheibe schleuderte. Die 22-jährige Fahrerin eines entgegenkommenden Zuges wurde verletzt und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Sie hatte aber noch Glück im Unglück und überlebte diese Wahnsinnstat. Die Kripo ermittelt.
In Fürth haben die Fans in der Derby-Nacht selbst den "Feinkost-Laden" in der Gustavstraße nicht geplündert. Zwischen vollen Regalen saust ein Mädchen am Tag danach mit ihrem Bobbycar hin und her. Menschen legen Grüner Bier auf das Förderband und eine Dame ruft: "Kassandra, komm zurück zur Oma!" Derweil verlässt auch Tom mit einer Plastiktüte das Geschäft und sagt: "Einmalig! Selbst die Stimmung im Feinkost-Laden (so nennen die Fürther ihre Norma; Anm. des Verfassers) ist heute einmalig!" freut sich Tom und streckt die Hände in den Himmel. Sicher dankt er jetzt dem Herrgott, dass er ein Fürther geworden ist.