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LKA gewährt Einblicke: So geschickt gehen die Automatensprenger bei der Flucht vor


Autor: Daniel Krüger

Franken, Freitag, 08. Sept. 2023

Bereits zum zweiten Mal binnen einer Woche wurde in Franken ein Geldautomat von Unbekannten gesprengt. Jetzt gibt ein LKA-Sprecher detaillierte Einblicke in die Vorgehensweise der Täter - die mutmaßlich einer bestimmten Organisation angehören.
Ein Sparkassen-Standort in Cadolzburg (Landkreis Fürth) ist das jüngste Ziel der Geldautomatensprenger gewesen.


  • Geldautomatensprenger in Franken: Zwei Fälle binnen weniger Tage 
  • Banken-Bomber wieder vermehrt in der Region? LKA-Sprecher gibt Einschätzung
  • "Kraftstoff im Kofferraum": Landeskriminalamt erklärt - so läuft eine Flucht ab 
  • "Ideale Gegenmaßnahme": Nachbarland setzt mit großem Erfolg auf bestimmte Technik

In der Nacht auf Montag (4. September 2023) sprengten Unbekannte einen Geldautomaten in Abtswind (Landkreis Kitzingen) und versetzten damit den ganzen Ort in einen Schockzustand - denn über der betroffenen Raiffeisenbank-Filiale wohnt eine Familie mit vier Kindern. Nur zwei Tage später, in der Nacht auf Mittwoch (6. September 2023) kam es dann zu einer weiteren Sprengung in Franken - dieses Mal betraf es einen Automaten der Sparkasse in Cadolzburg - hier hat das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) einen Zeugenaufruf gestartet. Beide Male konnten die Kriminellen fliehen. Zwei Fälle binnen weniger Tage - ist das ein Zufall? Nein, glaubt man beim BLKA in München. Gegenüber inFranken.de gibt ein Sprecher detaillierte Einblicke in den aktuellen Ermittlungsstand - und nennt auch Gründe für den großen "Erfolg" der Tätergruppen in der Region. 

"Hat einen Kopf an der Spitze": LKA erklärt Hintergründe - so sind die Banken-Bomber organisiert

Bereits 2021, als eine ganze Serie an Automatensprengungen Franken wortwörtlich erschütterte, teilte das Landeskriminalamt mit, man gehe von Bankenbomber-Banden aus, die in den Niederlanden ansässig seien und höchst professionell agierten. "Natürlich können wir nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich bei den Tätern in dieser Woche ebenfalls um die marokkanische Gruppierung aus den Niederlanden handelt, aber die stets sehr ähnlichen Vorgehensweisen legen die Vermutung nahe", so der Sprecher. Grundsätzlich sei "unser Erkenntnisstand, dass es letztlich eine große Gruppierung ist, die auch einen Kopf an der Spitze hat, sich dann aber noch in Einzelgruppen aufteilt, die nicht immer nach Auftrag, sondern auch eigenständig arbeiten." Zwar gebe es hin und wieder auch "Nachahmungstäter, aber wir sehen wenige Ermittlungsansätze, die darauf hindeuten, dass das im großen Maßstab vorkommt", so der Sprecher. 

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Bei Festnahmen von Mitgliedern der Banken-Bomber ist bisher besonders die niederländische Stadt Utrecht ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten. Erst Ende August lieferte sich hier ein mutmaßlicher Geldautomatensprenger eine Verfolgungsjagd mit der Polizei. Doch eine solche Verhaftung ist selten, die Banden hätten bei ihren Sprengungen in Bayern eine "Erfolgsquote von etwa 80 Prozent", so der Sprecher des Landeskriminalamts. Das liege auch daran, dass "die Zusammenarbeit mit den niederländischen Behörden trotz rechtlicher Grundlagen nicht immer reibungslos läuft", erklärt er. 

So seien etwa die Bedingungen für eine Hausdurchsuchung in den Niederlanden deutlich strenger als in Deutschland. Gleichzeitig handle es sich bei einer Automatensprengung um ein "relativ sicheres Prozedere", weshalb die Kriminellen diesen Weg wählten. "Der Banküberfall wurde durch die Sprengung komplett abgelöst", erklärt der LKA-Sprecher. "Während Sie heute bei einem gelungenen Banküberfall durch hohe Sicherheitsmaßnahmen vielleicht mehrere Tausend Euro erbeuten können, sind es bei einer Automatensprengung - je nach Befüllungszeit - mehrere 10.000 Euro". 

Ermittler beschlagnahmen Automatensprenger-Auto - und finden "Erfolgsgeheimnis"

Grund für den "relativen Erfolg" seien hohe Professionalität und geringe Sicherheitsmaßnahmen der Banken in Deutschland. "Unseren Erkenntnissen zufolge gehören der Gruppierung mehrere Hundert Leute an, neue Mitglieder werden in allen Details und Abläufen genauestens 'geschult'", sagt der LKA-Sprecher. "Die Täter nutzen meistens einen schwarzen Audi RS4 oder RS6 mit getönten Scheiben, das ist ein hochmotorisiertes Fahrzeug mit 400 bis 600 PS." Auf der Autobahn fielen die Kombi-Modelle trotz ihrer hohen Leistung kaum auf. Bei einer Automatensprengung sei auch die Flucht perfekt durchgeplant. 

"Wir haben zum Beispiel ein Auto beschlagnahmt, bei dem die Täter den benötigten Kraftstoff für die Rückfahrt gleich im Kofferraum in Kanistern aufbewahrt hatten. Dann müssen sie auch nicht an einer Tankstelle halten", sagt der LKA-Beamte. Im Gegensatz zu Oberbayern, Niederbayern und der Oberpfalz sei der Weg von Franken über die Autobahn in die Niederlande verhältnismäßig kurz. "Teilweise verstecken sich die Täter auch in landwirtschaftlichen Anwesen, bis die polizeilichen Suchmaßnahmen vorbei sind und fahren mit neuen Nummernschildern weiter - dann gehen sie im Verkehr einfach unter."

Seit Mitte 2022 seien die Kriminellen dazu übergegangen, fast ausschließlich Festsprengstoff statt Gas für die Sprengungen zu nutzen. Dies "lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf Präventionsmaßnahmen der Betreiber von Geldautomaten in Deutschland (...) zurückführen", hieß es in einem BKA-Bericht zu Beginn des vergangenen Jahres. Doch aus Sicht des Bayerischen Landeskriminalamts reichen diese Maßnahmen bei weitem nicht aus. "Wir hängen dort ein bisschen hinterher, wir müssen die Banken besser schützen", betont der Sprecher. 

Nachbarland hat mit Erfolg reagiert - LKA sieht Banken in Franken "im Zugzwang"

"Strafrechtliche Ermittlungen sind wichtig, aber bei diesem Phänomen braucht es Präventivmaßnahmen", erklärt der Beamte. Er sehe "die Banken im Zugzwang, auch wenn wir natürlich wissen, dass die Umsetzung nicht immer leicht ist". So beobachte man bereits deutliche Verbesserungen beim Schutz von Geldautomaten auch in Franken, "aber das ist noch nicht die Geschwindigkeit, die wir benötigen". Im Nachbarland, den Niederlanden, habe man bereits eine "absolut ideale Gegenmaßnahme" getroffen, die erst dazu geführt habe, dass sich die Aktivitäten der Banden mittlerweile auf Deutschland konzentrierten, heißt es aus dem BLKA. 

"Dabei handelt es sich um die sogenannte Vernebelungstechnik, ein Standard in den Niederlanden. Eine künstliche Intelligenz erkennt, wenn der Automat manipuliert werden soll und der Vorraum wird für rund 30 Minuten vernebelt. Dadurch ist er für niemanden mehr nutzbar und die Täter müssen unverrichteter Dinge wieder abziehen." Auch Verklebungstechnik oder Farbpatronen könnten zusätzlich zum Einsatz kommen, erläutert der Sprecher. Auch in Abtswind war eine Einfärbung der Geldscheine bereits vorgesehen, doch dann kamen die Täter schneller, als das Projekt umgesetzt wurde. Über dem Haus mit der betroffenen Raiffeisenfiliale wohnt eine vierköpfige Familie - nur dank Massivdecke kam es nicht zu einer Tragödie. 

Bei den Sprengungen sei deshalb "auch weniger das Geld ein Problem als die hohe Gefahr, die für die Menschen von den Explosionen ausgeht", heißt es aus dem BLKA. "Darum klagt die Staatsanwaltschaft bei den Sprengungen auch wegen versuchten Mordes an. Man muss ich nur vorstellen, dass ein Pärchen nach einem Umtrunk nachts nach Hause kommt und dann fliegen dort Panzerglasscheiben umher", sagt der Sprecher. Zugleich seien die Kriminellen zwar in der Regel von anderen Bandenmitgliedern mit dem Sprengstoff vertraut gemacht worden. "Aber das sind ja keine Experten, immer wieder wird auch zu viel Sprengstoff benutzt. Und dann sind ganze Häuser einsturzgefährdet", sagt der LKA-Beamte. Gerade deshalb sei es nach den jüngsten Geldautomatensprengungen in Franken wichtig, dass die Banken schnell reagierten. "Wir sehen momentan keinen Anstieg an Fällen zum Vorjahr, sondern eher leichten Rückgang, weshalb die Zahlen mit den richtigen Maßnahmen bereits im kommenden Jahr deutlich runtergehen könnten", sagt der Sprecher abschließend. Weitere Nachrichten aus Franken findet ihr hier.