Sonderschau ehrt Ebermannstadter Unternehmer Oskar Vierling

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Vor dem Bild des Firmengründers präsentieren Enkel Martin Vierling und Projektleiter Erich Friedrich eine der zahlreichen Innovationen.
Vor dem Bild des Firmengründers präsentieren Enkel Martin Vierling und Projektleiter Erich Friedrich eine der zahlreichen Innovationen.
 
 
 
 

Im Heimatmuseum Ebermannstadt zeichnet Peter Kriegl das Lebenswerk des Unternehmers nach. Im Dritten Reich wurde er von den Nationalsozialisten vereinnahmt.

Mit einer Sonderausstellung im Heimatmuseum Ebermannstadt erinnert die Stadt ab Sonntag, 2. Juli, an Oskar Vierling, den Gründer von Vierling Electronics, einen der größten Arbeitgeber der Stadt. Zusammengestellt hat die Sonderschau über den "Daniel Düsentrieb", einen Pionier der Schwingungsforschung, der Ebermannstadter Studiendirektor und Museumsbeirat Peter Kriegl.

Der Physiker, Hochschullehrer, Erfinder und Unternehmer Oskar Vierling wurde am 24. Januar 1904 in der Gäubodenstadt Straubing geboren. Nach Abschluss einer Lehre studierte er Physik an der Höheren Technischen Staatslehranstalt, besser bekannt als "Ohm Polytechnikum" Nürnberg. Als Jahrgangsbester wechselte er an das Telegrafentechnische Reichsamt nach Berlin und später an das von Nachrichtentechniker Karl Willy Wagner gerade gegründete Heinrich-Hertz-Institut für Schwingungsforschung. Dort erhielt er den Auftrag, eine synthetische Sprache zu entwickeln. Parallel befasste er sich mit der Erforschung der natürlichen Töne und entwickelte erste elektrische Instrumente.


Begabtenprüfung abgelegt

Nachdem er vor dem Preußischen Kultusministerium erfolgreich die Begabtenprüfung abgelegt hatte, wechselte Vierling zu Professor Walther Nernst am Physikalischen Institut der Friedrich-Wilhelm-Universität (heute Humboldt-Universität), wo er an der Entwicklung des "Neo-Bechstein-Flügels" mitgewirkt hat.

Der Tüftler beschäftigte sich nun vorwiegend mit dem "Elektrochord" und einer elektrischen Orgel. Er promovierte (1935) und habilitierte (1937) sich mit Arbeiten über diese Instrumente und erwarb in dieser Zeit eine ganze Reihe von Patenten. Sein Assistent war übrigens Fritz Sennheiser, der Begründer der gleichnamigen Electronik-Firma.

Es blieb nicht aus, dass sich auch die Nationalsozialisten die Dienste des Elektronik Experten zu Nutze machten. So präsentierte Vierling 1936 zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Berlin die von ihm entwickelte "Kraft-durch-Freude-Großton-Orgel." Als das Heinrich-Hertz-Institiut in Berlin den Auftrag erhielt, für Massenveranstaltungen Großbeschallungsanlagen zu entwickeln, synchronisierte Vierling als "Reichstoningenieur" die Lautsprecher auf dem Nürnberger Zeppelinfeld, damit die Reden der Parteigrößen überall gleichzeitig zu hören waren. Auch bei der Wintersonnwendfeier auf der Nürnberger Burg 1937 war Vierling für den richtigen Ton verantwortlich.

In der Zwischenzeit hatte Vierling einen Ruf an die Technische Hochschule in Hannover erhalten, wo er mit Sennheiser ein privates Forschungs- und Entwicklungslabor aufgebaut hat. Um ungestört Funkversuche unternehmen zu können, suchte Vierling 1941 nach einem möglichst abgelegenen Ort in der Mitte Deutschlands, den er auf Vermittlung des damaligen Ebermannstadter Landrates Ludwig Niedermayer auf dem Feuerstein fand. Die Grundstücksverhandlungen mit Pfarrer Georg Fröhlich wurden in Windeseile abgewickelt. Am Samstag wurde der Verkauf des Geländes auf dem Feuerstein per Handschlag abgeschlossen, am Montag bereits notariell besiegelt.


Geheime Sendestation

Vierling ließ nun innerhalb eines Jahres sein neues Forschungslaboratorium "Burg Feuerstein" und eine Sendestation auf dem nahe gelegenen Lindersberg errichten. Seine Entwicklungsaufträge erhielt er von der Deutschen Wehrmacht. Es ging um Sprachverschlüsselung, um Torpedo-Steuerungen, die mit Richtfunk-Mikrofonen die Geräusche der gegnerischen Schiffe anpeilten, um Minen, die durch akustische Signale gezündet werden sollten oder um spezielle Beschichtungen, die U-Boote für das gegnerische Radar unsichtbar machen sollten.


250 Mitarbeiter forschten

Ab 1942 forschten bis zu 250 Mitarbeiter an Vierlings Institut auf dem Feuerstein. Als die Nachkommen des Malers Curt Herrmann, der die Jüdin Sophie Herz geheiratet hatte, das Schloss Pretzfeld verlassen und nach Amerika geflüchtet waren, wurde Oskar Vierling zum Verwalter des beschlagnahmten Schlosses Pretzfeld bestellt. So konnte Vierling seinen Betrieb noch erweitern. Er hat dabei Sorge dafür getragen, dass das Mobiliar eingelagert und so der Familie Herrmann bewahrt wurde.

Politisch eher desinteressiert, war Vierling aus unternehmerischen Gründen dennoch der NSDAP und einer Reihe von Unterorganisationen beigetreten, den Parteitreffen blieb er aber konsequent fern, was ihm schließlich eine Anzeige eines Mitarbeiters bei der Gestapo eingebracht hat. Das herannahende Kriegsende hat ihn vor größeren Folgen bewahrt.

1945 tauchten auf der Burg Angehörige der amerikanischen Spezialeinheit TICOM (Target Intelligence Committee) zusammen mit dem englischen Kryptologie-Spezialisten Alan Turing auf, der während des Zweiten Weltkriegs mit Hilfe des Kolossos-Computers den Code der deutschen Funksprüche geknackt hatte. Das Team protokollierte exakt, woran Vierling geforscht hatte. Besonders interessierten sich die Amerikaner für die Verschlüsselungszusatzgeräte für die Lorenz-Fernschreiber. Dies geht aus mittlerweile veröffentlichten Unterlagen des US-Geheimdienstes NSA hervor.


Drei Jahre in Haft

Im August 1945 wurde Vierling schließlich verhaftet. Da er sich weigerte, so wie Wernher von Braun nach Amerika zu emigrieren, saß Vierling bis 1948 in unterschiedlichen bayerischen Internierungslagern, zuletzt in Regensburg. Diese Zeit nutzte Pfarrer Fröhlich, um wieder in den Besitz von Burg Feuerstein zu kommen; allerdings vergeblich.

Zum Leben und Wirken Vierlings werden viele Dokumente in der Ausstellung präsentiert. Darunter befinden sich seine Promotions- und Habilitationsurkunde oder seine Ernennung zum Ehrenbürger von Ebermannstadt und das Bundesverdienstkreuz, mit dem Oskar Vierling 1980 geehrt wurde. Der Besucher kann den Briefwechsel mit Fröhlich, aber auch alle Unterlagen vom Bau der Burg Feuerstein einsehen. Schließlich werden eine ganze Reihe von Dokumenten aus der Zeit seiner Internierung präsentiert.


MIt Hörbeispielen

Eine Audiostation macht Interview-Ausschnitte von Fritz Sennheiser oder Adolf Riechelmann, einem seiner loyalsten Mitarbeiter auf der Burg und die Aufnahme einer Komposition für die Eröffnung der Olympischen Spiele 1936 von Werner Joseph Mayer, besser bekannt als Werner Egk, bei dem die KdF-Orgel zum Einsatz kam, erlebbar.

Vierling, der vollkommen rehabilitiert wurde und seinen Besitz wiederbekam, entschloss sich, die Burg an die Erzdiözese Bamberg zu verkaufen und sich in Ebermannstadt anzusiedeln. Gleichzeitig nahm er eine Lehrtätigkeit an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Bamberg auf.


Tausendsassa

Im neuen Betrieb an der Pretzfelder Straße, dem Thema des zweiten Ausstellungsraums, entwickelte er 1951 das Klein-Sendegerät "Mini-Vox", der Anfang der zivilen Nutzung von Funkgeräten, stellte elektronische Kirchen-Orgeln her, produzierte Lochstreifen- und Setzautomaten für die Firma Linotype, die in den Zeitungshäusern auf der ganzen Welt zum Einsatz kamen und vieles mehr.

Und Vierling nutzte seine Kontakte zum früheren Reichstelegrafenamt, aus dem das Fernmeldetechnische Zentralamt geworden war. Dafür entwickelte er Prüf- und Messgeräte und wurde zum "Hoflieferanten" für die Post. In der Sendung "Wetten dass, ...?" hatte 1984 Vierlings TED, ein Vorläufer des Tele-Votings Premiere.

Den Fall des Post-Monopols und die Umstrukturierung seiner Firma zum Dienstleister für Electrotechnische Spezialaufträge hat der 1986 verstorbene Oskar Vierling nicht mehr erlebt. Seine Söhne Manfred und Werner sowie sein Enkel Martin fahren den Erfolgskurs des Unternehmens aber weiter.