Sagenumwobenes aus dem Landkreis Forchheim: Dem Türmer auf der Spur

3 Min
Auch um die Forchheimer Martinskirche ranken sich alte Sagen, darunter die Sage vom Türmer von Sankt Martin.Alexandra Kraus
Auch um die Forchheimer Martinskirche ranken sich alte Sagen, darunter die Sage vom Türmer von Sankt Martin.Alexandra Kraus
Der Türmer von St. Martin. Forchheim, Stadtansicht von 1656 (aus Matthäus Merian, Topographica Franconiae) Repro: FT
Der Türmer von St. Martin. Forchheim, Stadtansicht von 1656 (aus Matthäus Merian, Topographica Franconiae)  Repro: FT
 
St. Martin in Forchheim Grafik: Jessica Zapf
St. Martin in Forchheim Grafik: Jessica Zapf
 

Bis zum Jahresende lädt der Fränkische Tag Forchheim zu einigen kleinen Spaziergängen ein; diese führen an sagenumwobene Plätze im Landkreis Forchheim, zu geheimnisvollen Orten und in das Land der Fantasie. Heute: der Türmer von St. Martin in Forchheim.

Der zweite sagenhafte Spaziergang führt in die Forchheimer Altstadt - zur Martinskirche. Die Kirche, deren Patrozinium auf eine frühe fränkische Kirche hinweist, ist eines ältesten Gebäude der Stadt, und mindestens in früherer Zeit eines der wichtigsten.

Forchheim war einst in das ostfränkische Netz von Kontrollstationen eingebunden, die für den Handel mit den Slawen eingerichtet worden waren. Damit hatte sich der fränkische Königshof mit der religiösen Betreuung der slawischen Wenden zu befassen, die sich hier niedergelassen hatten. Es galt, sie im Glauben zu bekehren und in die kirchliche Gemeinschaft einzubinden.

Vielleicht bekamen sie in diesem Zuge einige der Sagen zu hören, die es schon damals zur Martinskirche zu erzählen gab? Dass sich auch Sagen "jüngeren Datums" um die Kirche ranken, zeigt die Sage vom Türmer von Sankt Martin.

Sturm und Feuer

Einst war ein großer Sturm über Forchheim aufgezogen. Blitze zuckten auf die Erde herab, ohrenbetäubende Donnerschläge folgten nach. Ein besonders furchtbarer Schlag ließ die Forchheimer Bürger erschauern: Ein Blitz hatte in die Turmspitze der Martinskirche eingeschlagen. Wer konnte, griff sich den Löscheimer hinter der Tür und rannte zum Kirchhof.

Dort waren die Kanoniker des Chorherrenstifts aufgeregt aus ihren Häusern gelaufen. Alle Blicke wandten sich der Kirche zu, deren Turm bereits lichterloh in Flammen stand. Ein Funkenregen prasselte auf das Kirchenschiff und die Dächer der umliegenden Häuser herab. Höchste Eile war geboten, wollte man ein Übergreifen des Feuers auf die Stadt verhindern.

Im großen Aufruhr ertönten da Schreie des Entsetzens: Oben im Turm war im dichten Rauch die Gestalt des Türmers zu erkennen. Und nicht nur er, der die Menschen sonst vor Gefahr warnte, war nun selbst in Not geraten; auch seine beiden Kinder waren bei ihm. In Todesangst hielten sich die drei inmitten der hochschlagenden Flammen fest umschlungen. Waren sie noch zu retten? Würde Gott ihnen helfen?

Vom Sturm davon getragen

Da schwoll plötzlich das Sturmgeheul nochmals an. Eine gewaltige Windböe fegte heran, erfasste den Türmer und seine Kinder und riss sie hoch in die Luft. Die Menschen hielten den Atem an, als sie sahen, wie sich der Mantel des Türmers im Wind wie ein Schirm weit aufspannte, und er mit den Kindern im Sturmgebraus fortgetragen wurde.

Die Angst der hilflos Zusehenden wandelte sich in ungläubiges Staunen. Als die drei eben über die Stadtmauern getragen wurden, erneute Schreckensschreie: Eines der Kinder sah man zu Boden stürzen. Nun war kein Halten mehr; wer nicht löschen musste, eilte dem Türmer nach. Man fand ihn am Ufer der Regnitz, lebend und wohlbehalten. Doch auch sein zweites Kind, das er immer noch fest in den Armen hielt, war tot.

Wenig Märchenhaftes

Märchenhaft-poetische Elemente sucht man in dieser Sage vergebens. Allerdings ist auch hier eine rätselhafte, höhere Macht im Spiel, durch die wenigstens einer der drei in Not geratenen Menschen Rettung findet. Charakteristisch ist zudem ihr Anspruch, ein "wahrer" Bericht zu sein. Hier ist sogar ein konkreter Bezug zu einem stadtgeschichtlichen Ereignis gegeben: Am 4. Mai des Jahrs 1669, dies belegen die historischen Aufzeichnungen, schlug tatsächlich der Blitz in den Turm der Martinskirche ein und setzte ihn in Brand. Beim Wiederaufbau wurde der zerstörte gotische Spitzhelm durch die Welsche Haube im barocken Stil ersetzt, die den Turm heute noch ziert.

Ein Wink Gottes?

Die Überlieferung besagt, dass die Forchheimer nach der wundersamen Rettung des Türmers aus dem brennenden Kirchturm einen Gedenkstein an der Stelle errichteten, wo er am Ufer der Regnitz aufgefunden wurde - just an dieser Stelle brannten 35 Jahre vorher die Schweden die Vorstadt "Ziegelhütten" nieder. Ein Wink Gottes?

Die Inschrift des Gedenksteins hätte uns möglicherweise Genaueres darüber erzählen können. Der Stein ist verschwunden; die Pfarrkirche St. Martin hingegen prägt in ihrer heutigen Erscheinung das Stadtbild Forchheims und zeugt von der bewegten Stadtgeschichte.

Der Türmer von Forchheim: Mehr als 600 Jahre Tradition

Fakten Das Amt des Türmers auf der Martinskirche wurde ab 1406 dokumentiert. Doch dieses Amt hat es schon lange vorher gegeben. Auch lange nach dem Turmbrand von 1669 hielt ein Türmer hier Ausschau, um Gefahren von der Stadt abzuwenden. Wenn Sie das nächste Mal in den alten Stadtkern Forchheims kommen, richten Sie doch den Blick einmal nach oben zum Turm der Martinskirche und spüren Sie der Sage nach. Vielleicht möchten Sie sich die Sage ja auch erzählen lassen; etwa im Rahmen einer Nachtwächterführung? Ebenfalls Lust auf mehr machen weitere Forchheimer Führungen; und sind für Gäste wie für "Einheimische" gleichermaßen interessant.

Quelle und Lesetipp Reinhold Schmitt, "Der Türmer von Sankt Martin", in: Kurt Neubauer (Hrsg.), "Das Wütige Heer am Walberla", W. Tümmels Verlag, Nürnberg, 2009.

Die FT-Sagenserie: alle Folgen

Serie Der Fränkische Tag Forchheim nimmt Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit auf eine abenteuerliche Reise durch die Welt der Sagen und Mythen im Landkreis Forchheim. Immer montags erscheinen dazu in den nächsten Wochen Sagen zu den unterschiedlichsten Themen, die eng mit der Region Forchheim verbunden sind.

23. November: Der Teufelstisch bei Gräfenberg

30. November Der Türmer von Forchheim

7. Dezember Die Orakelquelle bei Leutenbach

14. Dezember Die Fehde zwischen den Burgherren von Streitburg und Neideck

21. Dezember Die Entstehung der Kirche zum Heiligen Kreuz

28. Dezember Das wütende Heer bei Kirchenbirkig