Zwischen der Anschlussstelle Erlangen-Frauenaurach und dem Autobahnkreuz Fürth/Erlangen bot sich Neugierigen gestern ein seltenes Bau-Spektakel. Das zweite Brückenteil wurde über den Main-Donau-Kanal verschoben.
Ein Parkplatz, so groß, dass 880 Autos abgestellt werden können. Alle 880 Fahrzeuge zusammen, so die Eselsbrücke von Sonja und ihrem Bruder Sven aus Fürth, sind dann ungefähr so schwer, wie die blau angestrichene Stabbogenbrücke, die sich gestern vor ihren Kinderaugen Millimeter für Millimeter über den Main-Donau-Kanal bewegte. "Dass sie so schwer ist", das konnte sich die Neunjährige trotz bildlichem Vergleich noch immer nicht so richtig vorstellen.
Gemeinsam mit ihrem Vater, der Bauingenieur ist, hatte sie sich vorab schon mal einen Film angeschaut, wie Brücken erneuert werden. Am Donnerstag konnte sie ihren Vater - mit ihrer Mutter und ihrem Bruder - dann auf die Baustelle begleiten und beobachten, wie eine Brücke vom einen zum anderen Ufer gehievt werden kann.
Fakten über die Brücke
880 Tonnen schwer, 94 Meter lang und über 15 Meter breit, soweit die technischen Daten der zwei getrennten Stahl-Konstruktionen, von denen die erste in Richtung Nürnberg bereits im vergangenen Jahr erneuert wurde. Am Donnerstag in der Früh, gegen 5 Uhr, begannen die Arbeiten, die auch für die rund 30 Bauarbeiter vor Ort ein besonderes Erlebnis sind. Eine Spezial-Firma aus Holland ist extra für den Brückenverschub angereist. Selbst für Anatol Kiesel-Peiker, Sachgebietsleiter bei der Autobahndirektion Nordbayern, ist die Verschiebung eines solchen Kolosses spannend.
Ein ganzer Tag war für das Baustellen-Spektakel - zu dem sich zahlreiche Schaulustige an den Bauzäunen im Gewerbegebiet Kraftwerkstraße eingefunden haben - reserviert, 24 Stunden lang blieb der Schiffsverkehr über den Main-Donau-Kanal gesperrt. Für die Autofahrer auf der A 3 änderte sich zwar an der Strecke nichts, jedoch warnte die Autobahndirektion Nordbayern Fahrer im Voraus, sich von beeindruckenden Bildern am Fahrbahnrand nicht ablenken zu lassen.
Stahlseil wird länger
Die Einzelteile für die Stabbogenkonstruktion wurden Anfang des Jahres nach der Herstellung der Betonpfähle für die sogenannten Widerlager, auf denen die Brücke aufliegt, auf dem Vormontageplatz auf der A 3 - und somit unter freiem Himmel - verschweißt. Das fertige Brückenteil, auf der in Zukunft Platz für drei Fahr- und einen Standstreifen in jede Richtung ist, wurde dann gestern von Osten nach Westen mit Hilfe von zwölf achsigen Modultransportern und einem Lastschiff über den Kanal gezogen.
Rein theoretisch könnte durch den hydraulischen Schiebe-Vorgang ein Hubweg von einem Meter in sechs Minuten erreicht werden, erklärt Kiesel-Pieker. Jedoch blieb es hierbei für den Betrachter bei bei einem "theoretischen Wert". In Wirklichkeit erlebten die Geschwister Sonja und Sven um 12.48 Uhr am Donnerstagmittag, wie sich 880 Tonnen schleppend in einer nächsten Verschubphase in Bewegung setzen ließen. Erst einmal gestartet, rollten die zwölf Reifen der Modultransporter Stück für Stück voran, während das Stahlseil hinter dem Brückenteil auf dem Vorplatz immer länger wurde und ein immer größeres Stück Brücke über dem Wasser schwebte. Bis zum späten Nachmittag wurde die zweite Brücke vollständig auf die andere Kanalseite gezogen und anschließend "abgesetzt und abgesenkt", sagte Kiesel-Pieker, der am frühen Nachmittag auch dank relativ stabilen Witterungsbedingungen optimistisch auf den Zeitplan blickte. Gewitter oder zu starker Wind, ab Windstärke fünf, würden die Bauarbeiten nämlich zeitweise zum Erliegen bringen.
Auch nach dem Verschub bleibt die Baustelle bis Ende des Jahres bestehen, so dass sich Pendler noch etwas gedulden müssen, bis alle Spuren befahrbar sind. Die insgesamt 1,3 Kilometer langen Streckenanschlüsse kosten laut Autobahndirektion Nordbayern rund 25 Millionen Euro, die vom Bund getragen werden. Während die alten Brücken aufgrund von Schäden am Überbau nach 53 Jahren erneuert werden mussten, hat die neue Brücke ein Art "Mindesthaltbarkeitsdatum", so Anatol Kiesel-Pieker: "Sie muss 70 Jahre halten." Somit haben Sonja und ihr sieben Jahre alter Bruder mit ihren Eltern eine Aktion in den Sommerferien mit verfolgen können, die es nicht so oft gibt.