Wenn ein Mensch stirbt, hinterlässt er etwas. Im Amtsgericht gibt es eine Abteilung, die sich um den Nachlass kümmert.
Die Arbeit für Karin Gerwien beginnt nach dem Tod. Sie ist weder Pathologin noch Bestatterin und trotzdem kommen Angehörige nach einem Todesfall nur selten an ihr vorbei. Karin Gerwien ist Rechtspflegerin am Forchheimer Amtsgericht und kümmert sich im Nachlassgericht um das zu Vererbende.
"Es ist manchmal schon total traurig", sagt die zweifache Mutter, "ab und zu habe ich auch schon mit den Angehörigen geweint." Die meiste Arbeit sei jedoch Routine, erklärt Gerwien, "obwohl jeder Fall ein bisschen anders ist."
Nachlassverfahren wird eröffnet
Die Routine beginnt für Karin Gerwien dann, wenn sie von einem der rund 20 Standesämter im Kreis
Forchheim einen beurkundeten Sterbefall bekommt. Dazu kommt dann noch ein Schreiben vom zentralen Testamentsregister der Bundesnotarkammer. Nun liegt die Entscheidung bei Gerwien oder ihrer Kollegin.
Insgesamt sind vier Rechtpfleger beim Forchheimer Nachlassgericht tätig.
"Ein Nachlassverfahren muss in Bayern immer dann eröffnet werden, wenn eine Immobilie im Spiel ist", erklärt Gerwien, "oder wenn ein Testament da ist." Wird von einer der erbenden Parteien ein Erbschein gewünscht, wird ebenfalls ein Nachlassverfahren eröffnet. "Die Generation, die jetzt stirbt, hatmeistens ein Haus", sagt Gerwien. Dann beginnt die Arbeit. Karin Gerwien sichtet die Familienverhältnisse und fragt beim Ehepartner, den Kindern oder den Eltern nach, ob ein Testament vorhanden ist. Es gibt zwei Arten von rechtlich gültigen Testamenten: zum einen ein handschriftlich verfasstes und unterschriebenes, zum andern ein notarielles Testament.
Wenn es kein Testament gibt, gilt die gesetzliche Erbfolge.
"Wenn ein Paar normal, das heißt ohne Ehevertrag, verheiratet ist, bekommt der Partner die Hälfte des Erbes, die andere Hälfte geht an die Kinder.
Eheleute mit Testament
"Gerade bei Verheirateten gibt es sehr oft ein Testament", erklärt Gerwien, "nur, wenn sie keine Möglichkeit mehr hatten, ein Testament aufzusetzen, greift dann die gesetzliche Erbfolge."
Wenn kein Ehepartner und keine Kinder da sind, kann es schwer werden, die gesetzlichen Erben herauszufinden. "Aber irgendwie finden wir fast immer jemanden", erklärt Gerwien. Aktuell arbeitet sie an einem besonders schwierigen Fall. "Die Dame ist bereits 2013 gestorben und hinterlässt ein Erbe im siebenstelligen Bereich", sagt Gerwien.
Da aber keine Kinder, keine Geschwister und kein Ehemann vorhanden sind, geht sie im Stammbaum rückwärts.
Auch die Eltern sind bereits tot und so sind die Geschwister der Eltern und deren Nachfahren gesetzlich berechtigte Erben. "Hier handelt es sich um eine sehr komplizierte Erbfolge", sagt Gerwien und breitet einen großen Stammbaum auf ihrem Schreibtisch aus. Mehrere Din A4 Blätter sind aneinander geklebt. "In einem solchen Fall bekomme ich Hilfe von einem Nachlasspfleger", erzählt Gerwien, "hier sind die Erben in der Welt verteilt, teilweise wohnen sie sogar in Amerika." Die vielen Erbberechtigten bekommen in diesem Fall nur einen kleinen Geldbetrag. Die Urenkel der Geschwister der Eltern der Verstorbenen bekommen also teilweise ein Sechsuneunzigstel des Erbes.
Nur, wenn selbst dieses komplizierte Verfahren keinen rechtmäßigen Erben hervorbringt, geht ein Vermögen an den Freistaat Bayern.
Oder eben, wenn keiner der Nachfahren das Erbe auch antreten möchte.
Erbe ausschlagen
Eine Frau betritt das Büro von Karin Gerwien und sagt, sie wolle das Erbe ausschlagen. "Dazu hat man sechs Wochen Zeit, nachdem man weiß, dass der Angehörige gestorben und man selbst Erbe ist", erklärt Gerwien, "das kommt relativ häufig vor. Viele wollen die alten Häuser nicht ausräumen oder haben Angst, Schulden zu erben." Ähnlich ergeht es auch der Frau, die an diesem Tag bei Gerwien vorspricht. Es stehen hohe Pflegekosten des Vaters aus und weil sie Vollzeit arbeitet, könne sie seine Wohnung auch nicht ausräumen.
Zwei Unterschriften später ist sie vom Erbe entbunden. Das kostet zwar eine Gebühr, aber diese nimmt die alleinstehnde Frau ohne Murren an.
"Die Rechnung für meine Dienste bekommen die Angehörigen von der Landesjustizkasse in Bamberg", weiß Gerwien. Für die Kosten gibt es einen genauen Schlüssel. Fast alle Nachlasssachen werden von Gerwien und ihren Kollegen geklärt. Ab und zu muss Nachlassrichterin Antje Raschka eine Entscheidung treffen. "Sie bekommt wirklich nur die sehr komplizierten Fälle", sagt Gerwien. Das kommt dann vor, wenn missverständlich verfasste Testamente zu strittigen Verfahren führen. Zehn bis zwölf solcher Fälle gibt es im Jahr.
"Ich arbeite gerne im Nachlassgericht, denn man hat viel Kontakt mit Menschen", sagt Gerwien, "das im Nachlassgericht muss man aber schon mögen."
Rechtspfleger
Voraussetzungen Nach dem Abitur nimmt ein potenieller Kandidat an einem Ausleseverfahren teil.
Die Ausbildung zum Beamten im gehobenen Dienst dauert dann drei Jahre.
Ausbildung An der Fachhochschule für Rechtspfelge in Starnberg wird ein Studium absolviert. Dazwischen gibt es immer wieder Praxisphasen, in denen alle Abteilungen eines Amtsgerichts durchlaufen werden.