Modell gegen Überlastung der Forchheimer Stadträte gesucht

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Dieses Bild mit Symbolcharakter entstand im November: Während Architekt Thomas Lemberger sein Modell für die Jahn-Bebauung präsentiert, sind die Stadträte damit beschäftigt sich von den Strapazen dieser siebenstündigen Sondersitzung zu erholen. Foto: Archiv/Andreas Oswald
Dieses Bild mit Symbolcharakter entstand im November: Während Architekt Thomas Lemberger sein Modell für die Jahn-Bebauung  präsentiert, sind die Stadträte damit beschäftigt sich von den Strapazen dieser siebenstündigen Sondersitzung zu erholen. Foto: Archiv/Andreas Oswald

Der zuletzt beschlussunfähige Forchheimer Stadtrat sucht nach neuen Wegen, die großen Themen der Stadtpolitik zu schultern.

Eine Stadtratssitzung, die sich vom Nachmittag bis 23 Uhr hinzieht, auch das hat es schon gegeben. Immer wieder kritisierten Forchheimer Räte in den vergangenen Monaten die strapaziösen Tagesordnungen. Bei der jüngsten Ratssitzung waren gegen 20.30 Uhr (nach über vierstündigen Beratungen) so viele Räte gegangen, dass Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) vor einem Gremium saß, dem die Beschlussfähigkeit fehlte.

Franz Noffke (Rep) fand das so "empörend", dass er sich postwendend mit einem Antrag an den Oberbürgermeister wandte: Falls ein Stadtrat/eine Stadträtin beabsichtige, eine Sitzung frühzeitig zu verlassen, sollte er/sie dies 24 Stunden vor der Sitzung dem OB oder der Verwaltung mitteilen. Dann könne Kirschstein "ordnungsgemäß" planen. Es könne nicht sein, kritisiert Noffke, dass "hochbezahlte Anwälte anreisen" - und der Rat dann nicht beschlussfähig sei. So geschah es in der nichtöffentlichen Sitzung am Donnerstag, 26. April.

Die Empörung darüber sei jedoch "übertrieben", meint Ludwig Preusch (FW). "Man sollte anwesend sein, aber es geht manchmal eben nicht." Statt dem Noffke-Antrag zu folgen, schlägt Preusch vor, "ausufernde Sitzungen" grundsätzlich zu vermeiden und die Sitzungszeit auf vier Stunden zu begrenzen. Noch ärgerlicher sei, dass einige Räte immer wieder "spät kommen, kurz bleiben und vorzeitig gehen", moniert Preusch.

Sebastian Körber (FDP) sieht die Lösung darin, dass der Oberbürgermeister "die Tagesordnung umgestaltet und zeitkritische Punkte vorzieht". Auch am besagten 26. April sei "zu viel rumgeplänkelt" worden. "Maximal vier Stunden, mehr kalkuliere ich für den Stadtrat nicht ein", sagt Körber.
Udo Schönfelder (CSU-Fraktionsvorsitzender) hält die "Intention" des Noffke-Vorstoßes für "nachvollziehbar". Aber: "Ich würde das von der Methodik her anders angehen. Eine Sitzung sollte maximal dreieinhalb Stunden dauern." Entscheidend sei, dass der Oberbürgermeister "über die Sitzungsplanung den Ablaufplan regelt". Um die Sitzungsdisziplin zu stärken, schlägt Schönfelder zudem vor: "Wer weniger als 50 Prozent der Zeit da ist, sollte kein Sitzungsgeld erhalten."

Die Sitzungsdisziplin hat auch SPD-Fraktionschef Reiner Büttner im Visier: "Da ist noch Luft nach oben." Der Wunsch, es "straffer zu machen", sei da. Andererseits: "Wir sind dafür gewählt, viele Entscheidungen zu treffen. Und da ist in ein Gremium mit 40 Räten, die sich mitteilen wollen." Wer lange Sitzungen kritisiere, müsse sich vielleicht auch "an die eigene Nase fassen". Das Problem über Verordnungen in den Griff zu kriegen, davon halte er nichts.

Gleichwohl stimmt Büttner mit der FGL-Fraktionschefin Annette Prechtel überein; die Sitzungskultur sollte diskutiert werden. "Wir müssen uns fragen, warum gehen die Leute so früh", sagt Büttner. Und Annette Prechtel glaubt, dass es mit der "Überlastung der Stadträte" zusammenhängt: "Auch aus anderen Fraktionen höre ich: Es ist nicht mehr leistbar. Kirschstein sagt ja, dass er es sieht, aber er ändert es nicht."
Der OB müsste seine Sitzungsleitung durchdenken, fordert Prechtel: "Komplexe Themen in dieser Frequenz durchzuackern, das hat es unter Oberbürgermeister Franz Stumpf nicht gegeben. Wir gehen geplättet aus den Sitzungen."

Die FGL-Rätin beobachtet die Überlastung auch bei Uwe Kirschstein. Er schaffe es etwa nicht, "die Chronologie der formalen Abläufe einzuhalten". Jüngstes Beispiel: Der Masterplan der Landesgartenschau. Der sei nichtöffentlich im Planungsausschuss die Vergabe beschlossen worden. Um dann den Stadtrat, der dieses Thema hätte diskutieren müssen, vor vollendete Tatsachen zu stellen.
"Wenn Räte immer häufiger fehlen oder nur eine Stunde bleiben, dann muss der OB sich überlegen, wie das passiert", sagt Annette Prechtel. Aus ihrer Sicht greift eine Regelung, wie sie Franz Noffke vorgeschlagen habe, zu kurz. "Klar, man braucht Regeln der Zusammenarbeit", sagt Prechtel. "Aber im Wesentlichen braucht man Vertrauen - und da liegt Einiges im Argen. Das hängt damit zusammen, dass der Stadtrat nicht mitgenommen wird. Viele Themen werden nicht unterfüttert - nur angebahnt und durchgepeitscht."
Der Oberbürgermeister wollte sich gestern nicht zu dem Thema äußern. Das will er bei einem Pressegespräch vor der Stadtratssitzung am 17. Mai tun, sagte Pressesprecherin Britta Kurth. Das Problem (rund um Noffkes Antrag) sei bei der Stadt "erkannt" worden.


KOMMENTAR
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Dem OB laufen Räte davon

Dass einige verdrossene Räte die jüngste Stadtratssitzung aus Protest verlassen haben, das liegt nahe, obwohl das kein Stadtrat offen eingesteht. Offen wird dagegen in den Fraktionen von Überlastung gesprochen. Auch OB Uwe Kirschstein scheint die vielen schweren Themen (Jahn-Umsiedlung, Kolpinghaus, Rathaussanierung, prekäre Finanzlage) kaum noch stemmen zu können. Symptomatisch: Als Ende März der Rechtsstreit bei der Planungsvergabe zu Rathaussanierung auf der Tagesordnung stand, verließ der OB den Saal und blieb der nichtöffentlichen Sitzung fern. In der jüngsten Ratssitzung scheiterte Kirschstein am selben Thema, weil zu viele Räte gegangen waren und das Gremium nicht mehr beschlussfähig war. Zupackende Stadtpolitik sieht anders aus. Auch auf das Phänomen "fernbleibender Räte" wollte der OB gestern erst einmal nicht reagieren. Das werde er vor der nächsten Ratssitzung tun. Das ist in 14 Tagen! Für einen Oberbürgermeister, der für zügige Internet-Informationspolitik und transparente Kommunikation stehen will, ein lähmend langer Zeitraum. In diesem Raum droht die Distanz zwischen Kirschstein und politikverdrossenen Stadträten unüberschaubar zu werden.