Auf Straße gesprungen
Im Juni wurde dem 25-Jährigen zur Last gelegt, dass er gegen halb sieben morgens völlig unerwartet auf die Straße vor ein Auto gesprungen sein soll. "Wir sind von einer Party gekommen und nur über die Straße gegangen", meinte er zu diesem Anklagepunkt. Die 47-jährige Krankenschwester bestätigte jedoch die Anklage der Staatsanwaltschaft. "Ich musste eine Vollbremsung machen und kam so ungefähr 20 Zentimeter vor ihm zum Stehen." Sie erzählt weiter, dass sich der Angeklagte über die Motorhaube gebeugt habe. "Seine Pupillen war total groß, ich dachte mir dann schon, dass er irgendwie Drogen genommen hat. Da hatte ich richtig Angst."
Am selben Tag griff der Angeklagte schließlich noch einen 71-jährigen Briefträger an. Dieser war gerade dabei, Post zuzustellen: "Er wollte mir dann die Post nehmen, aber ich hab sie fest gehalten", erzählt der ältere Mann. Nachdem der Angeklagte die Briefe nicht in seinen Besitz bringen konnte, hab er versucht, dem Briefträger mit den Fingern in die Augen drücken. Dieser hatte jedoch eine Brille auf, die schlimmere Verletzungen seiner Augen vermied.
Unterbrechung notwendig
"Den Blick von ihm werde ich nie vergessen", sagte er mit zitternder Stimme aus. Dass ihm die Erinnerung noch immer sehr nachhängt und er Angst hatte, das merkte auch Richter Reznik und unterbrach die Verhandlung für einige Minuten. Nach dem Vorfall habe er einen sehr hohen Blutdruck gehabt und nicht schlafen können; Deswegen sei er zum Arzt gegangen.
Zu seiner Vergangenheit erzählt der 25-Jährige, dass er bereits mit 14 Jahren Cannabis konsumiert habe. "Ich hatte einfach die falschen Freunde", erklärt er. Ein Jahr später wurde bei ihm schließlich eine psychische Krankheit festgestellt. Die Diagnose warf den Jugendlichen aus der Bahn und als einzigen Schulabschluss hat er den qualifizierenden Hauptschulabschluss. "Ich habe keine Zukunft für mich gesehen. Ich war alleine und niemand hat mir geholfen."
Hans-Peter Volz stellte als Sachverständiger ein psychiatrisches Gutachten über den Angeklagten aus, der seit dem 17. Lebensjahr an einer psychischen Krankheit leidet. Bereits 2010 sei er in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht gewesen.
Viele aggressive Vorfälle
"Da gibt es eine dichte Folge von solchen Unterbringungen", erklärt der Experte. Laut dem Gutachter zeige der Angeklagte nur teilweise eine Krankheits-Einsicht. Da in der Vergangenheit bei schlechter Medikation immer wieder aggressive Vorfälle vermerkt seien, befürchtet Volz, dass auch in Zukunft solche Taten sehr wahrscheinlich seien. "Ich könnte mir auch Schlimmeres vorstellen." In seinem Gutachten erklärte er den Angeklagten für schuldunfähig.
Auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft, Dr. Wedekind, erklärte den Angeklagten für schuldunfähig. Jedoch forderte er eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik. Für Verteidiger Oliver Teichmann sah die Situation jedoch etwas anders aus. "Der Beschuldigte braucht Hilfe und vor allem eine Struktur im Alltag."
Die Vorfälle dürften nicht kleingeredet werden, räumte der Verteidiger ein, fand allerdings, dass nicht von "mittelschweren Straftaten" gesprochen werden könne. Deshalb forderte er die Aufhebung der aktuellen Sicherungsverwahrung im Bezirkskrankenhaus in Bayreuth.
Nach ungefähr 40 Minuten Beratungszeit teilte Richter Reznik schließlich das Urteil mit: Freispruch und eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik, sowie die Übernahme der Kosten des Verfahrens. "Das Verhalten des Beschuldigten ist rational nicht erklärbar. Zudem ist eine Rückfälligkeit zu erwarten", begründete er die Entscheidung der Großen Strafkammer.
"Das machen wir auch zu ihrem Schutz," meinte Reznik zum Angeklagten. "Wir wünschen Ihnen, dass sie lernen, mit Ihrer Krankheit umzugehen, Ihre Tabletten regelmäßig zu nehmen und die Krankheit akzeptieren lernen. Wenn sie gut mitarbeiten und sich auf Ihre Ärzte einlassen, werden sie auch wieder aus der Klinik entlassen. Wann das soweit ist, liegt jetzt ganz alleine bei Ihnen", beendete Richter Raznik die Verhandlung.