Hiltpoltsteiner repariert Kirchturmglocken

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Steffen Willing kennt sich mit Turmuhren aus und kann darüber hinaus hervorragend klettern - beste Voraussetzungen für seinen Beruf. Fotos: privat
Steffen Willing kennt sich mit Turmuhren aus und kann darüber hinaus hervorragend klettern - beste Voraussetzungen für seinen Beruf. Fotos: privat
 

Steffen Willing repariert in ganz Deutschland alte Turmuhren. In seiner Wahlheimat Hiltpoltstein hat er aber auch der Feuerwehr schon geholfen.

Zu wissen, wie eine Uhr aussieht, wie sie tickt und repariert wird, genügt nicht. Ein Turmuhrenbauer muss auch klettern können und neben der Uhrenmacherei viel Ahnung von der Elektronik und der Technik haben. Der Turmuhrenbauer vereint damit gleich mehrere Berufe in einem.

Während Steffen Willings Vater Manfred vor 30 Jahren durch seinen Beruf als Uhrenmacher zu seinem Hobby, der Uhrensammlung, gekommen ist, war es bei Steffen Willing umgekehrt. Der Hiltpotsteiner machte sein Hobby zum Beruf. Er erlernte das Tischlerhandwerk und absolvierte Ausbildungen zum Uhrenmacher.


Bier als Lohn

Es ist aber das Klettern, das ihm nun zugutekommt, wenn er sich, mit dem Seil gesichert, am Kirchturm hochzieht, um die Kirchturmuhr montieren zu können.

Das Klettern führte den aus Thüringen stammenden Uhrenbauer bevorzugt in die Fränkische Schweiz. Dort kaufte er in Almos ein Wochenendhaus. Bald erfuhr Bürgermeisterin Gisela Bauer (BfH) von Willings Handwerk und bat ihn, die Feuerwehrglocke zu reparieren. Bezahlt wurde Willing mit fränkischem Bier. "Das ist gut und ein weiterer Grund, in Franken sesshaft zu werden", sagt Willing. Als Zweitheimat allerdings nur, denn seine Werkstatt, eine große Halle, in der eine Schmiede, eine Schlosserei, eine Feinmechanikwerkstatt und eine Lackiererei untergebracht sind, steht im thüringischen Gräfenhain.


Aufgezogen mit der Hand

Gerade erst hat Willing eine sensible Arbeit abgeschlossen: die Restaurierung der 300 Jahre alten handgeschmiedeten Turmuhr des Klosters Seeon im Chiemgau. "Es ist die einzige Turmuhr in dieser Gegend, die noch täglich von Hand aufgezogen wird", sagt Willing.

Um Schmiedeoptik handelte es sich bei diesem Auftrag. "Nur Fachleute könnten erkennen, welche Teile neu sind", sagt er über die Reparatur- und Restaurierungsarbeiten. Auch in diesem Fall kletterte er mit dem Seil von außen auf den Kirchturm, um die Zeiger abnehmen und später auch wieder montieren zu können. Willing profitiert hier von seiner 20-jährigen Erfahrung bei der Bergwacht.

Selbst im Himalaya war er jahrelang zum Klettern, lebte dort sogar eine Zeitlang in einem Kloster an der pakistanischen Grenze. Dort gab es weder Uhren noch Glocken, aber eine Schule stand nebenan. Das Schuldach war ebenfalls renovierungsbedürftig.

Kurzerhand nahm sich Steffen Willing des Daches an und sammelte Spendengelder in Höhe von 25 000 Euro; alles, damit die Kinder auch im Winter in die Schule gehen können. Von dem Geld wurden auch Ärzte, Medikamente und natürlich die Lehrer bezahlt. Die Bildung findet der 48-Jährige einfach wichtig. Nicht nur die historischen Uhren, die seinen Beruf ausmachen.

"In den alten Bundesländern gibt es kaum alte Turmuhren. Sie sind in den 60er- und 70er- Jahren alle durch ein elektronisches Innenleben ersetzt worden", sagte Willing. Auch diese Funkuhren baut er ein. Andere tonnenschwere Glocken, die entweder nicht mehr benötigt werden oder restauriert werden sollen, werden mit dem Kran geholt und ins Glockenschweißwerk gebracht.


Vor 500 Jahren

Willing selbst stellt die Joche her, die Holzbalken, an denen die Glocke hängt. Aus denkmalpflegerischen Gründen werden die Befestigungen am Joch oft aus einem Stück handgeschmiedet. Eine Technik, wie sie vor 300 bis 500 Jahren ausgeübt wurde.

Nach Vorgaben der Denkmalpflege zu schmieden, ist nur eine der vielen Arbeiten, die Willing und seine sechs Angestellten ausführen. So ersetzte Steffen Willing in der Herderkirche in Weimar die drei defekten Eisenhartgussglocken, die 3300 Kilo, 2000 Kilo und 1500 Kilo schwer waren, durch ein neues Bronzegeläut.

Oder er errichtete eine neue Glockenanlage in Kirchenburg, Walldorf, wo die Glockenanlage durch einen schweren Brand vernichtet worden war. Eine sensible Aufgabe wartete in Erfurt auf Willing. Dort, im städtischen Dom, sollte er ein seltenes Turmuhrenwerk des Hofuhrmachers Jakob Auch aus Weimar restaurieren. "Das besondere Uhrwerk mit Schneckenantrieb und vier Meter langem Pendel aus dem Jahr 1853 sollte zu einer funktionstüchtigen Turmuhrenanlage auf einer Fläche von 25 Quadratmetern erweitert werden", erinnert sich Willing.

Historisch passend fertigte er das Ziffernblatt an. Mit handgeschmiedeten Aufhängungen rüstet er die Bronzeglocken für den Uhrschlag an.

Das hängt über dem Uhrwerk. "Es entstand eine funktionstüchtige Turmuhrenanlage, die bis heute Bestandteil der Führungen zur Gloriosa, der größten freischwingenden Glocke des Mittelalters, ist", berichtet Willing von seinen früheren Arbeiten.