100 Küchenschellen sind aus einem Biotop in Hiltpoltstein verschwunden. War es die Trockenheit, ein Dieb für gewerbliche Nutzung oder ein Dachs?
Gut 100 Küchenschellen haben in einer bei Hiltpoltstein als Biotop ausgewiesenen Fläche im vergangenen Jahr noch geblüht und mit ihren lilafarbenen Kelchen die Wanderer erfreut. Nun sind dort nur noch Grabungsspuren zu finden. Wurde die geschützte Küchenschelle gestohlen? Das hat sich nicht nur Alois Stenglein gefragt, der diese Löcher im Erdreich gefunden hat. Wie in anderen Orten im Landkreis Forchheim lag auch für den Fränkische-Schweiz-Verein (FSV) Hiltpoltstein der Verdacht nahe, dass hier ein "Pflanzenliebhaber" am Werk war. "Es ist eine Tat, die eigentlich angezeigt gehört", betont Friedrich Oehme, Geschäftsführer des Bundes Naturschutz (BN) Forchheim. Nicht nur er, sondern auch Reinhold Geldner, Vorsitzender des FSV Hiltpoltstein, vermutet, dass diese Pflanzen ausgegraben werden, um sie in den eigenen Gärten anzusiedeln. Das passiere nicht nur bei der Küchenschelle. Auch Orchideen oder Märzenbecher würden häufiger ausbuddelt, um sie im eigenen Anwesen zu kultivieren. Ein Unterfangen, das laut Experten allerdings zum Scheitern verurteilt ist. "Die Bodenverhältnisse passen nicht", erklärt Oehme und nennt es einen Frevel, weil die Pflanzen verkümmern und verloren sind. Jetzt ist dieses Pflanze fast aus der Landschaft verschwunden. "Es gibt insgesamt nur noch wenige Küchenschellen", erklärt Rotraud Krüger. Sie ist Botanikerin und Mitglied beim BN Forchheim.
Auch in anderen Bundesländern
Auch in anderen Bundesländern wurde die Küchenschelle wohl zu gerne ausgegraben und ist fast ausgestorben. Im Vergleich dazu komme sie in Bayern noch relativ häufig vor. Als gefährdet wird sie dennoch eingestuft. "Dies liegt vor allem an Veränderungen ihres Lebensraums, zum Beispiel an Düngung oder auch Brachfallen und anschließender Verbuschung", erklärt Michael Weiser, Pressesprecher der Regierung von Oberfranken. Dass die Küchenschelle so begehrt ist, liegt wohl an ihrer Besonderheit. "Sie gehört zu den ersten blühenden Pflanzen im Frühjahr und ist wegen ihrer intensiven Färbung und den relativ großen Blüten durchaus auch attraktiv. Manche Standorte werden im Frühjahr regelmäßig von Naturliebhabern besucht.
Nahrungsquelle für Wildbienen
Gleichzeitig sind sie auch eine wichtige Nahrungsquelle für die ersten Wildbienen und andere blütenbesuchende Insekten. "Bei einer Entnahme aus der Natur fehlt dann diese Nahrungsquelle", erklärt Weiser. Die Naturschützer haben kein Verständnis für diese Blumensammler. "Man kann die Küchenschelle in jeder Baumschule kaufen. Sie sind nicht so teuer. Ich verstehe nicht, warum man sie ausstechen muss", ärgert sich Krüger. Und das offensichtlich in Mengen. Dass hier ein gewerblicher Nutzer am Werk war, dieser Verdacht wurde in Hilpoltstein hinter vorgehaltener Hand ebenfalls geäußert. In Zeitungsartikeln aus der Schweiz war sogar von einem Schwarzmarkt für Küchenschellen die Rede. Davon ist der Regierung von Oberfranken nichts bekannt.
Homöopathische Mittel
Verwendung findet die Küchenschelle in der Homöopathie und ist dort unter dem Namen Pulsatilla durchaus bekannt. "Die Küchenschellen für das homöopathische Mittel ,Pulsatilla' kultiviert die DHU selbst", bekräftigt Wolfgang Kern, Leiter Kommunikation bei der Deutschen Homöopathie-Union (DHU) in Karlsruhe. "Arzneimittelhersteller müssen Auflagen erfüllen. Das wird streng kontrolliert", sagt Kern. Die für die Herstellung notwendigen Pflanzen werden deshalb selbst kultiviert oder stammen aus zertifizierten Wildsammlungen, erläutert Kern, der sich auch nicht vorstellen kann, dass Laien oder Heilpraktiker homöopathische Mittel selbst herstellen können. Als bewusstseinsverändernde Droge sei sie nicht anwendbar und auch als pflanzliche Arznei unbrauchbar, wie Ina Förster-Köhler vom Landesverband Bayerischer Apotheker erläutert. Die in der Küchenschelle enthaltenen Toxine sind reizend. Alleine der Kontakt rufe schwere Haut- und Schleimhautreizungen hervor. "Früher wurde sie als Abtreibungsmittel verwendet, da sie schwere Krämpfe verursacht", erzählt die Fachapothekerin für Naturheilverfahren aus Winkelhaid. Diese Toxine haben alle Hahnenfußgewächse, zu der auch die Küchenschelle gehört. Neben dem Naturliebhaber und der anhaltenden Trockenheit, die bereits eine Reduzierung der Küchenschelle vor zwei Jahren bedingt hatte, sind die Mitglieder des FSV in Hiltpoltstein beim Standort der Küchenschelle noch auf eine andere Spur gestoßen: "Es gibt dort einige Dachsspuren", sagt Reinhold Geldner. Der Dachs habe dort einen Weg durch das Gelände. Was mit den Küchenschellen passierte, bleibt aber ein Rätsel.