Forchheimer Stadtgespräch schlägt Wellen

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Das Rathaus auf Krücken und das Verhältnis zwischen Oberbürgermeister und Stadtrat zerrüttet, dieses Bild bietet Forchheim derzeit. Foto: Archiv Andreas Schmitt
Das Rathaus auf Krücken und das Verhältnis  zwischen Oberbürgermeister und Stadtrat zerrüttet, dieses Bild bietet Forchheim derzeit. Foto: Archiv Andreas Schmitt

Oberbürgermeister Uwe Kirschstein wirft im Stadtanzeiger der Stadtratsmehrheit in Sachen Rathaussanierung "Verantwortungsverweigerung" vor.

"Stadtgespräch" heißt die Kolumne im Stadtanzeiger, in der sich Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) regelmäßig zu Wort meldet. Die Inhalte variieren je nach Jahreszeit und Anlass. Zur Weihnachtszeit beschaulich, im Frühjahr blumig- "wo ich den Herzschlag des Frühlings am stärksten im Wald verspür" - doch in seinem jüngsten Editorial gibt sich Kirschstein kämpferisch. Thema ist die Kontroverse um die Rathaussanierung - und dabei teilt der selbst in der Kritik stehende Oberbürgermeister einen Rundumschlag aus. Dabei kritisiert er das "katastrophale Projektmanagement" vor seiner Amtszeit, wodurch "neu aufgesattelt" werden musste - und er watscht fraktionsübergreifend die Mehrheit des Stadtrates ab, dem Kirschstein "Verantwortungsverweigerung" vorhält.
Das "Stadtgespräch" hat unterdessen Wellen geschlagen und einen Sturm der Empörung ausgelöst: Die Fraktionsspitzen - von der CSU, über die Jungen Bürger, Freien Wähler, bis hin zu den Grünen - reagieren befremdet. Alt-Oberbürgermeister Franz Stumpf (CSU) kündigt eine schriftliche Stellungnahme an: "Zum Schutze meiner Mitarbeiter", wie er im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt. Denn er möchte nicht, dass seine Verwaltungskräfte durch Kirschsteins Vorwürfe diffamiert werden.
In seiner Kolumne spricht Uwe Kirschstein nämlich davon, dass vor seiner Amtszeit sämtliche Entscheidungen zu diesem inzwischen millionenschweren (Sanierungs-) Projekt "am Stadtrat vorbei, alleine durch einen kleinen verwaltungsinternen Kreis", getroffen worden seien. Den jetzigen Stadtrat macht Kirschstein für Zeitverzögerungen verantwortlich. "Wenn Angst vor Fehlern und mangelnde Risikokompetenz zusammenkommen, hören Menschen auf, Entscheidungen zu treffen", versucht sich der Oberbürgermeister am Schluss seiner Kolumne offensichtlich als Verhaltenspsychologe.
Um die Attacke einzuordnen, sei auf Folgendes hingewiesen: In Kürze - und zwar in der Stadtratssitzung am 28. Juni - wird der von der Stadtratsmehrheit beauftragte Stadtratskollege und Architekt Sebastian Körber seinen Untersuchungsbericht zur Rathaussanierung veröffentlichen - was Kirschstein am liebsten nichtöffentlich behandeln würde.


Flucht in die Offensive

Der CSU-Fraktionsführer Udo Schönfelder sieht in Kirschsteins Angriffen eine Flucht in die Offensive. "Diese Vorhaltungen weise ich auf's Schärfste zurück", erklärt der Parteisprecher. Es könne keine Rede sein von einem "katastrophalen Projektmanagement". Die damalig Verantwortlichen hätten ihre Aufgaben tadellos erledigt.
Falsch sei zudem die Darstellung Kirschsteins, dass ein Neuvergabe der Planerleistungen mittels eines beschleunigten Verfahrens kein Risiko berge. Es gebe erhebliche Risiken, warnt Schönfelder mit Blick auf die im Raum stehenden Regressforderungen eines bisherigen Fachplaners mit den einhergehenden zeitlichen Verzögerungen. Schon jetzt würden sich die von der Stadt zu tragenden Anwaltskosten in einem sechsstelligen Betrag belaufen. "Es ist absolut unseriös, wenn Oberbürgermeister Kirchstein dem Stadtrat Dinge anlastet, für die er selbst verantwortlich ist", zürnt Schönfelder. "Uns vorzuwerfen, wir verlören Zeit, das sind Nebelkerzen um zu verschleiern, dass er (Kirschstein) selbst Zeit vergeudet hat, mit seinem eigenmächtigen Planungs-Stopp vor eineinhalb Jahren."


Deplatzierte Konfrontationspolitik

Der Sprecher der Jungen Bürger, Ulrich Schürr, bedauert "die Schärfe, die Uwe Kirschstein auf dieser Ebene in die Diskussion und die Projektarbeit bringt." Schürr betont, "dass es uns gerade nicht an einer Konfrontation gelegen ist." Man wolle endlich eine Lösung in der Sache, erklärt der Fraktionssprecher der Jungen Bürger. Die gut gemeinten Appelle sehe er als Unterstützung. "So verstehen wir als Junge Bürger auch die begleitende Arbeit von Sebastian Körber", erklärt Schürr. Die Äußerungen Kirschsteins im Stadtanzeiger seien sowohl im Stil als auch im Hinblick auf die einmal mehr erhobenen pauschalen inhaltlichen Vorwürfe an den Stadtrat "der bisher traurige Höhepunkt einer deplatzierten und unnötigen Konfrontationspolitik durch den Oberbürgermeister." Kirschstein wolle dadurch nur von eigenen Fehlern ablenken.


Zerrüttetes Verhältnis zum Stadtrat

Mit Unverständnis reagiert auch die Fraktionssprecherin der Grünen, Annette Prechtel, auf Kirschsteins Veröffentlichung. Er, der als "Moderator" angetreten sei, gehe auf Konfrontation anstatt zu moderieren. Kirschstein suche selbst in dieser zunehmend verfahrenen Situation nicht das Gespräch mit dem Stadtrat. So habe seit einem halben Jahr keine Fraktionsvorsitzenden-Besprechung mehr stattgefunden. Stattdessen kanzele Kirschstein das gesamte Gremium schriftlich und öffentlich ab. "Führungskompetenz, Konfliktmanagement und Deeskalation sehen anders aus", betont Annette Prechtel. Sie zeigt sich überzeugt, dass die Mehrheit des Stadtrates eine verantwortbare Entscheidung in Sachen Rathaussanierung treffen wolle und werde - dies aber nur auf der Grundlage der nötigen Informationen. Solange Kirschstein diese verweigere, trage er die Verantwortung. Der Fraktionschef der Freien Wähler, Manfred Hümmer, sieht mit Kirschsteins Äußerung den bisherigen Höhepunkt eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses zum Stadtrat.