"Das erste und letzte Foto": Sternenkind-Fotografin will Eltern zeigen, wie perfekt ihr Baby ist

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Forchheimerin fotografiert Sternenkinder - "darf kein Tabuthema mehr sein"
Sternenkinder zu fotografieren, ist für die Forchheimerin immer wieder aufregend. Es erfüllt sie aber auch mit Glück.
Forchheimerin fotografiert Sternenkinder - "darf kein Tabuthema mehr sein"
privat; Bianca Ehrich; Collage: inFranken.de (Symbolbild)

Die Forchheimerin Bianca Ehrich ist ehrenamtliche Sternenkinderfotografin. Sie schenkt Eltern "das erste und letzte Foto" ihrer leblosen Neugeborenen. Schon elf aufregende Einsätze habe sie erlebt und die Eltern darin bestärkt, wie "perfekt" ihr Baby ist.

  • Forchheim: Bianca Ehrich fotografiert ehrenamtlich Sternenkinder seit Januar 2021
  • "Vor jedem Alarm aufgeregt": Trauer der Eltern auszuhalten, größte Herausforderung
  • Woher sie die Kraft nimmt, "es zu machen"
  • Jetzt plant sie ihre erste Spenden-Veranstaltung für die Dein-Sternenkind-Stiftung

Bianca Ehrich aus Forchheim ist hauptberuflich Fotografin. In ihrer Foto-Oase rückt sie beste Freunde, Familien, Babys oder Kinder ins rechte Licht. Zwar freue sie sich über die glücklichen Feedbacks danach, habe in den vergangenen Jahren jedoch nach etwas gesucht, mit dem sie "ehrenamtlich etwas zurückgeben" kann. Diese Erfüllung findet sie in dem emotional fordernden Fotografieren von Totgeborenen, den sogenannten Sternenkindern

Forchheimerin fotografiert Sternenkinder: "Trauernde Eltern fallen oft in tiefes Loch"

Seit Januar 2021 habe die 36-Jährige bereits elf Sternenkinder fotografiert. Sie ist eine von rund 650 ehrenamtlichen Fotograf*innen in Deutschland, Österreich, Südtirol und der deutschsprachigen Schweiz bei der Dein-Sternenkind-Stiftung. Die kleinen zerbrechlichen Menschen sind manchmal schon im Bauch der Mutter gestorben oder tot zur Welt gekommen, erklärt Ehrich. 

"Es darf kein Tabuthema mehr sein", sagt sie. Laut der Stiftung werde der Tod allgemein heute im Gegensatz zu früher "meist aus Unsicherheit, Angst, Gedankenlosigkeit oder falsch verstandener Rücksichtnahme 'totgeschwiegen'". Um so mehr sei der Tod eines Kindes tabu. "Dies führt dazu, dass gerade trauernde Eltern in ein tiefes Loch fallen." Nicht alle Eltern wüssten, dass es solch eine Foto-Dienstleistung überhaupt gibt, erklärt die Mutter eines vierjährigen Jungen.

Ihren Wunsch nach einem Foto könnten Eltern über eine App äußern. Ehrich besuche oft die Kliniken in Nürnberg und Erlangen. Dabei stelle sie sich immer wieder neu auf das "Set" ein, das sie vorfindet. Es ginge darum, das Baby ganz behutsam und keinesfalls "behangen" in Szene zu setzen. Lediglich ein paar Sternchen verteile die Fotografin um es herum oder lege ein zuvor im Krankenhaus gemachtes Kärtchen mit den Fußabdrücken dazu. Sie erinnert sich an das erste Mal nach ihrer erfolgreichen Bewerbung: "Ich bin vor jedem Alarm aufgeregt, weil ich nicht weiß, was auf mich zukommt. Aber vor dem ersten war ich es besonders." 

Einfach so kein Herzschlag mehr da: Fotografin führt bewegende Gespräche

"Ich war mit meinem ersten Sternenkind alleine im Zimmer." So habe sie sich in Ruhe an diese neue Situation gewöhnen können. "Das Baby war 20 Wochen alt. Ich habe es mir ganz genau angeschaut." Sternenkinder seien zwar sehr klein, "aber es ist alles dran", schildert sie. Der Anblick sei "nicht schlimm. Ich finde es schlimmer, die Trauer der Eltern auszuhalten." 

Ehrich spreche von sich aus nicht viel bei ihren Einsätzen und sei im Vorfeld von der Stiftung darüber aufgeklärt worden, dass sie nicht die Rolle einer Seelsorgerin einnehmen müsse und könne. Zeitweise wollten Eltern gar nicht dabei sein, manche seien dankbar, ihr Herz ausschütten zu können. "Manchmal habe ich intensive Gespräche, bei denen mir die Eltern ihre Lebensgeschichte erzählen und Gründe schildern, wieso ihr Baby zu den Sternen gereist ist. Es hilft ihnen ganz oft, dass ich einfach da bin und zuhöre." Diese Zeit hätten Hebammen oder das Pflegepersonal oft gar nicht, führt sie an.

Ein Gespräch habe einmal eine Stunde gedauert, bei dem die Eltern die vergangenen Wochen Revue passieren ließen. Nach den ersten kritischen zwölf Wochen seien sie erleichtert gewesen, dann sei die 24. Woche vorüber gegangen - eine Grenze, ab der das Baby überlebensfähig wäre. "Und dann war in der 28. Woche bei einem ganz normalen Kontrolltermin kein Herzschlag mehr da. Einfach so", berichtet Ehrich. "Mir fallen da nicht viele Worte ein. Ich höre einfach zu und sage manchmal, dass sie nicht alleine sind." Durch ihr Ehrenamt bekäme sie mit, "wie oft am Tag es passiert". Das zu wissen, helfe den Eltern.

Erst gesetzliche Neuregelung 2013 weist Sternenkindern "offizielle Existenz" zu

Eine Mutter habe die 36-Jährige einmal gefragt, wie sie solche Einsätze aushalten könne. "Ich antwortete, dass sie, die Eltern mir die Kraft geben, es zu machen." Zwar beschäftigten sie die Eindrücke noch auf der Heimfahrt oder einen bis zwei Tage danach. Doch auch ein Glücksgefühl nehme sie nach jedem Besuch wahr, "vor Dankbarkeit, dass ich so etwas machen darf" und, dass sie selbst ein gesundes Kind habe. Doch auch die Eltern von Sternenkindern sollten dankbar sein, für das, was sie geschaffen haben. "Denn auch ihr Kind ist perfekt, das sage ich den Eltern immer."

Ein Sternenkindergrab auf dem Neuen Friedhof Forchheim biete den Eltern eine Möglichkeit, ihr Kind angemessen zu begraben. Für Babys mit einem Gewicht von mindestens 500 Gramm besteht eine Bestattungspflicht in Bayern. Sternenkinder unter diesem Gewicht kämen in Forchheim gesammelt in ein Grab, wisse Ehrich. So hätten die Eltern immerhin eine Anlaufstelle. Erst seit dem 15. Mai 2013 ist es Eltern von totgeborenen Kindern unter 500 Gramm durch eine gesetzliche Neuregelung möglich, die "Geburt beim Standesamt dauerhaft dokumentieren zu lassen und ihrem Kind damit offiziell eine Existenz zu geben". Damit werde ein "würdiger Umgang mit Sternenkindern" ermöglicht, heißt es auf der Seite Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

In diesen Tagen blickt die Fotografin zudem aufgeregt ihrer ersten Spenden-Veranstaltung "Digital wird Real" am Samstag (7. Mai 2022) entgegen. Dienstleister, die sie und eine Kollegin über soziale Netzwerke kennengelernt haben, stellen in Ehrichs Forchheimer Studio ihr Handwerk aus. Auch eine Tombola, Musik und Verpflegung soll es geben. Der Erlös geht an die Dein-Sternenkind-Stiftung.