Weil eine Medizinerin eine Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung sechs Wochen rückwirkend ausgestellt hat, stand sie vor dem Amtsgericht Forchheim.
"Ich habe nur versucht, meinem Patienten zu helfen", betonte die Ärztin vor Gericht. Im Mai 2016 stellte sie einem psychisch Kranken ein ärztliches Attest aus, das ihr zum Verhängnis wurde. Die Medizinerin schrieb den jungen Mann rückwirkend für sechs Wochen krank. Dadurch machte sich die Mitte 50-Jährige laut Staatsanwaltschaft strafbar.
Wegen "Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse" (Paragraf 278 des Strafgesetzbuches) sollte die Ärztin per Strafbefehl 7500 Euro zahlen. Dagegen legte sie Einspruch ein. Erst nach eineinhalb Stunden Verhandlung wurde das Verfahren gegen eine hohe Geldauflage für die Ärztin eingestellt.
Als einzige Zeugin sagte die Mutter des Patienten vor dem Amtsgericht Forchheim aus. Der Sohn erschien unentschuldigt nicht. Weil es ihm schlecht gehe, so die Mutter. Der psychisch kranke Sohn traue sich kaum das Haus zu verlassen und gehe deshalb auch nur "lückenweise" zum Arzt.
Jobcenter machte Druck
Am 17. Mai 2016 erschien er zusammen mit der Mutter in der Hausarztpraxis im Landkreis Forchheim. Der junge Mann leidet seit Jahren unter Panikattacken und Angstzuständen. Wegen der Krankheit und weil er ein Attest brauchte, gingen sie zur Hausärztin. "Der Druck durch das Jobcenter war konstant da", erinnert sich die Zeugin.
Nach einem rund 15 Minuten langen Gespräch stellte die Medizinerin die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung aus und wies ihn in eine Klinik ein. Die Ärztin mit jahrzehntelanger Berufserfahrung kannte den Patienten und seine psychische Krankheit seit mehreren Jahren. "Ich musste doch handeln", meinte die Ärztin.
Das Brisante: Das Attest galt vom 4. April (bis 27. Mai) - sprich rückwirkend für sechs Wochen. Laut Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ist dies nur in Ausnahmefällen und in der Regel nur für zwei Tage zulässig. "Die lange Rückdatierung ist hier problematisch", meinte Amtsrichterin Silke Schneider.
Krankheit ist nachweisbar
Verteidiger Thomas Mönius argumentierte, dass das langanhaltende Krankheitsbild anhand von Dokumenten, Gutachten und Zeugen nachgewiesen werden kann. Während explizit der Gesundheitszustand des Patienten thematisiert wurde, mussten die Zuhörer und Medienvertreter zweimal vorübergehend den Sitzungssaal verlassen.
Die Ärztin beteuerte, dass sie nicht leichtfertig Menschen krank schreibe. Ein Mediziner dürfe trotzdem nicht "ins Blaue hinein" rückwirkend einen Attest ausstellen, entgegnete der Bamberger Oberstaatsanwalt Otto Heyder. Selbst dann nicht, wenn der Patient später nachweisbar krank war. "Auch wenn die Motive gut waren, haben sie als Ärztin den Tatbestand erfüllt. Behörden müssen sich darauf verlassen, dass Atteste richtig ausgestellt werden", sagte Heyder.
Rechtsanwalt Mönius räumte im Laufe der Verhandlung ein, dass die Ärztin falsch gehandelt habe: "Hinterher wissen wir alle mehr." Das Verfahren habe seiner Mandantin sehr zugesetzt, sie hätte "quälende, schlaflose Nächte" gehabt. Sie habe sogar mit dem Gedanken gespielt, ihren Arztberuf aufzugeben. "Durch das Verfahren ist auf jeden Fall die Einsicht gereift", betonte Mönius.
Einigung auf hohe Geldauflage
Staatsanwalt und Verteidiger konnten sich erst dadurch auf einen Deal einigen: Das Verfahren gegen die Ärztin wurde eingestellt, dafür muss sie eine Geldauflage in doppelter Höhe des Strafbefehls - also 15 000 Euro - zahlen.
Wenn die Mitte 50-Jährige bis Ende Februar 5000 Euro an die Sozialeinrichtung Brückla Forchheim, 5000 Euro an den Kinderschutzbund und 5000 an den Sozialdienst katholischer Frauen Bamberg zahlt, ist das Verfahren eingestellt. Auch berufsrechtlich hätte die Ärztin somit nichts mehr zu befürchten.
Dieses Urteil ist ein Witz. Respekt vor der Ärztin, die im Sinne ihres Patienten gehandelt hat. Wenn sich die Justiz mit solchen Verfahren beschäftigt, dann ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei weitem überschritten. Niemand hat ein Interesse an solch einem Verfahren. Die verurteilte Ärztin sollte auf jeden Fall ihren Beruf weiter ausüben und nicht aufgeben.
Ich bin ja mal gespannt, wann dann jetzt die ganzen Reiseunfähigkeitsbescheinigungen für abschiebepflichtige Ausländer geprüft werden, und was den ausstellenden Ärzten dann so an Strafen blüht. Theoretsich, wenn ich mir hier das Strafmaß anschaue, wo in gutem Glauben und aufgrund der Tatsache, dass der Patient tatsächlich bekannterweise schon länger erkrankt war, und im Gegensatz dazu die Reiseunfähigkeistbescheinigungen mutwillig falsch ausgestellt werden, müssten das ja pro Fall Strafen im hohen 5 stelligen bis hin zum 6 stelligen Bereich sein...
ich kann auf der einen Seite das Verhalten der Ärztin nachvollziehen, aber sie wusste doch das nicht mehr wie zwei tage rückwirkend eine AU ausstellen darf, denn in soweit geht der Vergleich schon in ordnung, was ich aber nicht verstehe, wenn sie von der psychischen Erkrankung ihres Patienten weis und auch darüber informiert war das er kaum das haus verlässt, warum hat sie die dann keine regelmässigen Hausbesuche bei dem Patienten gemacht und da die erforderlichen AUs ausgestellt, denn das darf sie ja und dann hätte sie sich den ganzen stress und ärger erspart bzw. hätte den betreffenden Patienten schon viel früher in eine nervenklinik einweisen können um den Patienten wirklich helfen zu können
Wieder so ein Wahnsinn: Ein Rechtsanwalt, der einen Bischof beschimpft, wird freigesprochen. Ein Kommentator auf Facebook, der gegen Politiker u. Kirche hetzt, wird zu einer Geldstrafe von 4000€ verurteilt, ein Chefarzt zahlt wegen sex. Übergriffen 14400€. – 15000€ muss diese Ärztin zahlen, weil sie einen Menschen helfen wollte. Unmöglich wie da vorgegangen wird!
Ob Anwälte, Richter oder Mitarbeiter von Behörden: Viele, die in ihrem Berufsleben mit Menschen zu tun haben, können sich nicht hinreichend in deren Lage von Menschen hineinversetzen können." Zudem ist mehr Sensibilität in Umgang von kranken Menschen gerade in unserer Gesellschaft angemahnt. - Das kritisieren auch der Weiße Ring und die Sozialverbände seit langem!
Oft sind es nicht nur die Probleme selbst, an denen Menschen psychisch jahrelang leiden. Auch mangelnde Sensibilität an Behörden sorgen für zusätzliche Belastung. Häufig fehlt der Blick dafür, was diese Personen brauchen, was ihnen hilft.
Seit längerem werden Aus- und Weiterbildung an Behörden gefordert, um die Perspektive von Menschen dort besser wahrzunehmen. Es geht darum das richtige Bewusstsein für die Situation von Menschen zu schaffen und so zu einem sensibleren Umgang mit ihnen beizutragen. Auch das Thema "Psychotraumatologie" von Opfern sollte vor Gericht einen hohen Stellenwert einnehmen. Ebenfalls wichtig ist das Thema "Kommunikation", um im direkten Kontakt mit Menschen den richtigen Ton zu treffen…
Das Gericht konnte nachgewiesen, dass der junge Mann seit Jahren unter seinen Problemen leidet. Dem Jobcenter müsste das auch bekannt sein. Die Ärztin stellte nicht bösartig Krankmeldungen aus. Das stellte auch das Gericht fest. – Das Gerichte kennt überhaupt keine Gnade. Da sieht man doch auch, dass da auch einiges falsch bei den Behörden läuft. Gerade bei Menschen, die krank sind unterlaufen Fehler. Alle haben von den Problemen des Mannes gewusst. Der Urteilsspruch ist völlig überzogen.
So ähnlich (nur nicht so ausführlich) war auch mein erster Gedanke. Andererseits muss man sich definitiv auf die Korrektheit eines ärtzlichen Attestes verlassen können, und da geht nun "nachträglich - über Wochen!" nicht. Sonst wird jedes Attest Makulatur.
Vielleicht hätte sie ihm ein ordentliches Attest und nicht die offizielle AU-Bescheinigung ausstellen sollen?
Eine andere Frage wäre die Höhe der Strafe.
Ob dem Menschen mit dem Attest wirkungsvoll geholfen würde?
(PS: den Freispruch für den Rechtsanwalt kann ich ebenso nachvollziehen)