"Es ist schwer zu glauben, dass die Flüchtlinge die Verfahren verstehen"

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Balkan-Zentrum Bamberg: Wer hier ankommt, wird in der Regel drei Wochen später abgeschoben. Foto: Ronald Rinklef
Balkan-Zentrum Bamberg: Wer hier ankommt, wird in der Regel drei Wochen später abgeschoben.  Foto: Ronald Rinklef

Der Forchheimer Caritas-Geschäftsführer Peter Ehmann ist als Ombudsmann im Balkan-Zemtrum tätig, seine Erfahrungen sind ernüchternd.

Ein Schutzkonzept für Frauen und Kinder fehlt. Bis zu 17 Personen leben in einer Wohnung mit 67 Quadratmetern und nur einem Bad/WC. Eine psychosoziale Versorgung ist nicht vorhanden. Alle auf dem Gelände tätigen Mitarbeiter sind nicht über Namen, Nummer oder ähnliches identifizierbar. Eine normale Bettwäsche wird nicht standardmäßig ausgegeben. Hinsichtlich der Hygienezustände bestehen offene Fragen.

All das sind Sätze aus einer "Stellungnahme des Ombudsteams der Stadt Bamberg zur Ankunfts- und Rückführungseinrichtung (ARE) II". Dieses ehrenamtliche Ombudsteam besteht aus politischen und kirchlichen Vertretern. Einer von ihnen ist Peter Ehmann, der Kreis-Geschäftsführer der Caritas im Landkreis Forchheim.

Die Stellungnahme hat das Team Ende August vorgelegt. In einem FT-Gespräch berichtet Peter Ehmann über die vermittelnde Tätigkeit als Ombudsmann.
In wöchentlichen Sprechstunden habe sich das Team vermittelnd für die aus dem Balkan stammenden Flüchtlinge eingesetzt, die in Bamberg zusammengezogen wurden. "Wir haben die Asyl-Sozial-Arbeit gemacht", sagt Ehmann. Die Stellungnahme des Teams listet 13 Punkte auf und benennt Defizite bei den Kinderrechten, der Belegung, etc. In den Sprechstunden mussten in 150 Minuten bis zu 15 Fälle behandelt werden, erzählt Ehmann. Konstruktive Hilfe sei bei dieser Menge kaum zu leisten.

Gegründet wurde die unter dem Namen Balkan-Zentrum bekannt gewordene ARE, um sämtliche Behörden (Bundesamt für Migration, Schulamt, Zentrale Ausländerbehörde und die Regierung von Oberfranken) an einem Ort zu haben und um so schnelle Verfahren zu organisieren. "Mit diesen beschleunigten Verfahren tut man gerade den Kindern, wenn sie schon integriert sind, nichts Gutes", kritisiert Gabi Stingl. Sie ist Asyl-Sozialarbeiterin für die Caritas. Caritas und Diakonie sind für die Asyl-Sozialarbeit im Landkreis Forchheim zuständig. Gabi Stingl betreut drei Forchheimer Unterkünfte: in Buckenhofen, in der Trettlachstraße und in der Bayreuther Straße. Kaum betrete sie eine Unterkunft "da werde ich mit Briefen und Fragen erwartet", berichtet Stingl. Geduld sei gefragt: "In der Asylpolitik dauert alles".
Im Balkan-Zentrum dagegen setzen die Behörden auf Tempo und entscheiden innerhalb weniger Wochen über die Abschiebungen. "Kann man darüber in drei Wochen entschieden?", fragt Asyl-Sozialarbeiterin Stingl verwundert.

Man kann das schon deshalb nicht, weiß Peter Ehmann, weil in Bamberg die Asyl-Anwälte fehlen. Die Anhörungen im Balkan-Zentrum hätten ihren Namen oft nicht verdient. Dafür gebe es bestürzende Belege. Etwa die Geschichte von einem Flüchtling, der sich über seine Abschiebe-Bescheinigung freut, weil er sie für eine Bleibegenehmigung hält. "Es ist schwer zu glauben, dass die Flüchtlinge die Verfahren verstehen", sagt Peter Ehmann.
Die Erfolgsquote des Ombudsteams ist ernüchternd. Für tausende Balkan-Flüchtlinge war es zuständig, in vielleicht zehn Fällen konnte etwas im Sinne der Flüchtlinge bewegt werden. Peter Ehmanns Fazit nach neun Monaten Arbeit: "Das System an sich macht Sinn, aber der Nachweis für den Erfolg steht aus." Der Forchheimer Caritas-Chef plädiert dafür, den Menschen die "Umsiedlungsprozedur" zu ersparen und die "Rückführung" über die dezentralen Unterkünfte abzuwickeln. Gabi Stingl sagt: "Wer über ein Jahr hier ist und dann ins Balkan-Zentrum muss, wird nicht mehr als Mensch gesehen. Warum behält man die dezentralen Unterkünfte nicht bei?"


Wohnen ohne Schlüssel

Die Zustände in Bamberg hält Stingl für unzumutbar. Die Struktur der Medizinversorgung sei nicht geeignet, 1000 zusätzliche Fälle aufzunehmen. Auch die Unterbringungen seien ungeeignet: In Forchheim konnte eine Familie in einem Zimmer leben und ihre persönliche Habe verstauen. In der ARE mussten die selben Flüchtlinge dann ihre Koffer in der Toilette deponieren. "Die ARE soll wohl abschreckende Wirkung haben", mutmaßt Stingl. "Dass die Räume nicht abschließbar sind, finde ich besonders schlimm."