Das Bergsteigen ist nicht nur die große Leidenschaft von Ulrich Schürr, dieser Sport liefert ihm auch das entscheidende Sinnbild für die Politik und für die OB-Kandidatur
Mit Gipfelerlebnissen ist Ulrich Schürr vertraut. Eine Wand seines Arbeitszimmers ist mit Dutzenden Fotos bestückt, die ihn mit Freunden oder mit seiner Zwillingsschwester Johanna neben einem Gipfelkreuz zeigen. "Erhebend" sei das, "ein Gefühl der Freiheit". Der Monte Rosa war der höchste der 20 Viertausender, die der 39-Jährige im Lauf seines Lebens bestiegen hat. Doch seit einigen Wochen geht es Ulrich Schürr um eine völlig andere Gipfel-Erfahrung: Am 6. März will er für die Jungen Bürger und für die CSU die Wahl gewinnen und Forchheimer Oberbürgermeister werden.
Ganz neu ist die Vorstellung, dieses Amt zu bekleiden, für den JB-Stadtrat nicht. Während der letzten acht Jahre sei er immer wieder mal gefragt worden, ob er sich das vorstellen könne. "So einen Gedanken trägt man mit sich", sagt Ulrich Schürr, "aber in der Politik ist wenig planbar, nicht umsonst heißt es: Das Amt kommt zum Menschen."
Als im Sommer seine Tochter Franziska geboren wurde, konnte Ulrich Schürr nicht ahnen, dass er viereinhalb Monate später mitten in einem Oberbürgermeister-Wahlkampf stehen würde. Für ihn sei die aktuelle Situation eine gute Gelegenheit, die "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" zu üben. "Warum soll ein Oberbürgermeister-Kandidat nicht auch Zeit haben für seine Tochter?" fragt der 39-jährige promovierte Jurist.
Er gibt allerdings auch zu: "Ich hab' Tage, die sind lang." "Sehr lang", korrigiert vorsichtig seine Frau Kathrin, die neben ihm sitzt und versucht, die zahnende Franziska zu beruhigen.
Jurist mit Trompete
Er sei es gewohnt, "viele Dinge zu vereinbaren", sagt Ulrich Schürr, "ich genieße das". Dieser Genuss begann spätestens in den Jahren nach dem Abitur: Den Tischtennis-, Tennis- und Volleyball-Spieler, der regelmäßig Berge erklimmt und den Gesang und das Trompetenspiel pflegt ("Wenn ich nicht Jura studiert hätte, dann Trompete"), zog es in die Politik; seit 20 Jahren betreibt er sie mittlerweile.
1995 trat er in die CSU ein, 2007 gründete er die Jungen Bürger mit. Er hat eine Wirtschaftskanzlei mitaufgebaut und ist Gesellschafter eines 80 Mitarbeiter zählenden Unternehmens. Hinzu kommen diverse Ehrenämter. "Aber ich hab' mir das nie überstülpen lassen, die ehrenamtlichen Tätigkeiten resultieren aus meinen Hobbys", betont Schürr. Und so sitzt er heute im Vorstand der Jahn-Tennisabteilung und er managt den 3000 Mitglieder zählenden Forchheimer Alpenverein.
Wozu jetzt auch noch das Oberbürgermeisteramt anstreben? "Weil man sich einbringen will." Und weil es "eine spannende und interessante Aufgabe" sei, sagt Schürr, der seine Arbeit als Rechtsanwalt und das Oberbürgermeisteramt für vergleichbar hält. "Menschen helfen, Projekte steuern, Probleme lösen" - das mache er beruflich "und das ist auch das Wesen der Kommunalpolitik".
Seit Ulrich Schürr Wahlkämpfer ist, hat sich sein Haus in ein kleines Logistikzentrum verwandelt. Neben der Eingangstür und im Arbeitszimmer stehen Kartons voller Prospekte und Giveaways. Täglich nehme er sich eine Stunde Zeit, nur um die Mails, Facebook- oder Whatsapp-Anfragen zu beantworten. "Ich lasse nichts im Raum stehen."
Der Bodenständige
Ulrich Schürr ist es wichtig, als verlässlich wahrgenommen zu werden. Daher hat er, bevor er sich in den OB-Wahlkampf stürzte, genau hingehört, wie andere seine Kandidatur einschätzen. Bestärkt habe ihn vor allem das Signal seiner Frau. "Egal, wie du dich entscheidest", hatte sie ihm gesagt, "ich unterstützte dich." Die einzige, die sich etwas besorgt geäußert habe, sei seine Mutter gewesen: "Sie sieht auch die zehrende Seite der Politik."
Dem Zehrenden begegnet Ulrich Schürr mit Struktur. Ein anderes Wort dafür ist vielleicht "Bodenständigkeit". Die empfinde er seit jeher als etwas Positives. Um sich vom Wahlkampf nicht aufzehren zu lassen, hat er seinem Leben zusätzliche Struktur gegeben. Jeder Tag beginnt mit einem Ritual in der Küche: Ulrich Schürr füttert seine Tochter und bespricht mit seiner Frau den Tagesablauf. Seit der Geburt von Franziska sei er "früh länger da und es gibt ein Wochenende". Und einen Tag pro Woche arbeite er von zu Hause aus.
Auf dem Schreibtisch liegt ein Diktiergerät. Oft schreibt und diktiert Ulrich Schürr bis spät in die Nacht, schläft nur fünf oder sechs Stunden.
Dass er trotzt des Wahlkampfes keine Abstriche im Privat- und Arbeitsleben machen müsse, verdanke er auch seiner guten Physis. Die hat er sich beim Wandern und in den Bergen erworben.
Außerdem habe er beim Bergsteigen etwas gelernt, das er auch in der Politik verkörpern möchte, sagt Ulrich Schürr: "Verlässlichkeit und das bedachte Handeln."