Die Zahl der Kirchenaustritte steigt. Betroffen sind sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche.
Unwissenheit und die Kirchensteuer sind die meisten Gründe für einen Kirchenaustritt sowohl auf katholischer als auch auf protestantischer Seite. Doch eine Entwicklung wird unter den Teppich gekehrt: Es gibt fast genauso viele Kirchenwiedereintritte.
Die Zahl der Kirchenaustritte steigt. Auch in der katholischen Kirche, zumindest in anderen Bistümern. "Mehrheit schafft nicht Wahrheit", betont Pfarrer Oliver Schütz, Pfarrer in
Kirchehrenbach und Weilersbach. Die Kirchensteuer beispielsweise, die oft als Grund für die Kirchenaustritte auf katholischer und protestantischer Seite dient. Nach der Säkularisation, nachdem der Staat der Kirche die Eigentümer, das waren die Schulen, Altenheime, Krankenhäuser, beraubt oder enteignet hat, wurde als Wiedergutmachung die Kirchensteuer eingeführt. "140 Jahre müsste diese weiterlaufen, um annähernd zurückzubekommen, was der Staat genommen hat", erklärt Schütz.
Wiedergutmachung
Die Kirchensteuer sei ein Reparationssystem. Trotzdem heute jedes abrufbare historische Wissen im Internet nachgelesen werden könne, wissen die meisten Leute davon nichts, wundert sich der katholische Geistliche. An so manchem Gespräch erkenne man das. Die Kirche ist nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber. Eine Sozialsteuer wie bei den Italienern wünscht sich Schütz deshalb. Die Leute könnten dann selbst entscheiden, ob sie Kirchen- oder Sozialsteuer zahlen. Dass sich die Menschen vor ihrer Verantwortung drücken und das Geld in den eigenen Geldbeutel stecken, missfällt ihm. "Ein Großteil weiß nicht, was die Kirche für den Staat und die Gesellschaft leistet", nennt Stark die Gesprächsinhalte mit Menschen über das Thema Kirche und Gründe, aus der Gemeinschaft auszutreten.
Die Kirche, ob Priester, Pastoralreferenten oder andere damit betraute Mitarbeiter, bemühen sich sehr, Wege und Möglichkeiten zu finden, den einzelnen Menschen in die Kirche zurück zu holen. Die vielen engagierten Menschen sind der Reichtum der Kirche, betont Schütz. Trotz Kirchenaustritte sehe die gesamte Realität anders aus und zeige eine zunehmend wachsende Kirche.
Der Schwerpunkt habe sich verschoben. Früher musste in Afrika und Südamerika christianisiert werden. Auch durch den Zusammenbruch des Kommunismus sei ein großer Hunger nach Freiheit, Religion und Konsum erwacht. Doch immer dort, wo der Mensch mehr Luxus haben könne, desto mehr würde Transzendenz in den Abgrund geschoben werden.
Da ist es nicht wichtig, ob es über dieses Sein eine andere Wirklichkeit gebe, die rational nicht erfasst werden könne. Es sind verschiedene Gründe, die einzelne bei ihrem Kirchenaustritt angeben.
Der "Papst- Franziskus-Effekt" sei verpufft, wurde getitelt. Doch was ist der "Papst-Franziskus-Effekt" überhaupt? Das würden so manche Pfarrer selbst gerne wissen. Andere meinen damit, vor allem die Missbrauchsfälle in der Kirche, die schonungslos aufgedeckt werden sollten und der lockerere Umgang mit Geschiedenen beispielsweise. Während auf alle Bistümer bezogen die Zahl der Kirchenaustritte nach den Missbrauchsskandalen angestiegen und nach Papst Franziskus wieder leicht zurückgegangen ist, gab es hier sowohl in unmittelbarer Folge auf die Skandale als auch danach keine Veränderungen.
"Die Zahl der Austritte ist gleichbleibend wenig", sagt Pfarrer Michael Gehret aus der Pfarrei Wiesenthau-Pinzberg. Von 3000 Katholiken sind drei ausgetreten. Zudem habe der Papst den Pfarreien einen Spielraum gegeben, was den Umgang mit Geschiedenen beispielsweise betrifft. Pfarrer Gehret kennt viele Geschiedene, die sehr aktiv in der Kirche sind.
Eine Ehe könne aus verschiedenen Gründen in die Brüche gehen. Es könne aber nicht sein, diese Menschen zu bestrafen, weshalb der Papst den Pfarreien Möglichkeiten an die Hand gegeben hat, Geschiedene doch an der Eucharistiefeier teilhaben zu lassen. "Wir sind auf einem guten Weg. Kirche muss sich immer neu reformieren, ohne sich dem Zeitgeist zu unterwerfen", findet Gehret.
Umzug und Austritt
Der Grund Steuererleichterung sei eine Milchmädchenrechnung. "Die Leute ärgern sich einfach über irgendetwas", weiß Gehret. Und auch Dekanin Berthild Sachs kennt die Kirchensteuer als Grund. Die meisten Austritte sind mit einem Umzug verbunden. Wer schon zum Einwohnermeldeamt muss, kann den Kirchenaustritt gleich mit beantragen, meinen die Menschen, die sich innerlich von der Kirche entfernt haben.
"Jeder einzelne ist einer zu viel", bedauert die Dekanin, die sich andererseits über die geringe Ausstrittsquote im Dekanat freut. Da andrerseits jeder Einzelne wichtig ist, bemüht man sich verstärkt, auch diese Signale zu senden. Ein Glückwunschkarte zur Volljährigkeit, nennt sie als Beispiel. Denn viele Bemühungen gelten den älteren Menschen, aber die Kirche möchte auch den jungen Menschen zeigen, dass sie wahrgenommen werden und jederzeit willkommen sind. Die Kirchenaustritte sind sehr wohl ein Thema, das die Kirche selbst sehr beschäftigt. Eine erfreuliche Entwicklung darf trotz dieser Negativschlagzeilen nicht unter den Teppich gekehrt werden: "Ich erlebe genauso viele Kirchenwiedereintritte", freut sich Gehret über diese positive Entwicklung, die es auch in den anderen Kirchengemeinden hier hervorzuheben gilt.
Zum Thema Kirchenaustritte:
Ich empfinde nicht dass die Kirchensteuer alleine der Grund für die Kirchenaustritte ist.
Viele der austretenden aus den Kirchen sehen im gesamten Apparat der Kirchen den Grund ihres Weggangs. Ein tun im Sinne Jesus Christus wird in den Kirchen nicht mehr beachtet. Die christlichen Werte, der Nächstenliebe, Demut und Bescheidenheit sind für viele in den Amtskirchen fremd geworden. Die Wahrheit wird dahingestellt. Der Mensch als Mittelpunkt der Gemeinschaft ging verloren.
Durch den Erhalt der Kirchensteuer ist in den Kirchen ein rationelles Wirtschaften (gleich wie beim Staat) nicht gegeben. Gelder werden sinnlos vergeudet, da keiner effektiv zur Rechenschaft herangezogen wird. Zudem sind die Kirchen durch den Erhalt der Steuern in ihrer Unabhängigkeit beengt. Ohne Erhalt der Steuer, wie es in anderen Ländern der Fall ist, würde ein pflichtbewusstes Handeln in den Kirchen offenbar werden.
Man stelle die Frage, ob die Kirchen ihren Auftrag treu geblieben sind, das Evangelium in der Welt "sichtbar und wirksam werden zu lassen"!
Das Zitat: "Dass sich die Menschen vor ihrer Verantwortung drücken und das Geld in den eigenen Geldbeutel stecken, missfällt ihm." das gefällt mir überhaupt nicht. Denn es sollte doch jeder mit seinem Gesparten machen was immer er will. Wenn er es in den Geldbeutel steckt, dann ist doch auch gut.
An Weihnachten "benutzen" auch viele Ausgetretene die Kirchen, daß die Kirchen auch wegen ihnen gereinigt werden muß und es Geld kostet.... Die Kirchlichen Friedhöfe sollen Leistungen erbringen für jeden Irgendwann einmal !!! Es gäbe noch viele Beispiele über die es sich lohnt nachzudenken...
"140 Jahre müsste diese weiterlaufen, um annähernd zurückzubekommen, was der Staat genommen hat"
Ob diese Aussage einer ehrlichen und kritischen Prüfung standhalten würde darf durchaus bezweifelt werden.
Vielleicht wird der mathematische Beweis ja noch nachgeliefert?
Nachgefragt werden darf zudem nicht nur "woher", sondern insbesondere auch "wie" die Kirche zu ihrem Vermögen vor der Säkularisation gekommen ist. Auch sollte man sich einmal das Szenario vorstellen, wie
es uns ergangen wäre, hätte eine Säkularisation nicht stattgefunden.
"Gott sei Dank" (oder Dank der deutschen Gesetzgebung), sind im Grundgesetz der BRD Glaubens- und Religionsfreiheit immer noch fest verankert.
Dass es noch andere Gründe für den Kirchenaustritt geben könnte, ist wohl weder den Pfarrern noch der Reporterin eingefallen.
Achja: und vergessen wir nicht, woher die Kirche ihr Vermögen hat, gell?
Vergessen wir nicht die vielen Privilegien, die die Kirche hat: ein besonderes Arbeitsrecht ohne Streikrecht, keine Grundsteuer (!), keine Vermögenssteuer (was zur Folge hat, dass niemand weiß wieviel Grund und wieviel Vermögen die Kirche wirklich hat), keine Gerichtskosten (da kann man gut klagen), und sogar keine GEZ.
Die Amtskirche ist ein Beispiel für absolute Gnadenlosigkeit, was man mit vielen Beispielen untermauern kann.