Aggression gegen Rettungskräfte: Was Sanitäter am Unfallort erleben

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Gaffer am Unfallort - auch das empfinden manche Helfer als Form der Gewalt. Foto: Archiv
Gaffer am Unfallort - auch das empfinden manche Helfer als Form der Gewalt. Foto: Archiv

Auch Gaffer sind Teil der Aggression gegen Rettungskräfte, meint der Forchheimer THW-Aktivist Holger Lehnard.

Übergriffe gegen Rettungskräfte gehören zum Berufsalltag. Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) hat darauf in einer Studie hingewiesen: In 180 Fällen seien Retter im vergangenen Jahr Opfer von verbalen und körperlichen Attacken geworden. BRK- Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk betont, dass die Dunkelziffer "deutlich höher" liege. Josef Kern, stellvertretender Leiter des Rettungsdienstes beim BRK Forchheim sagt dazu: "Körperliche Gewalt gegen Helfer gibt es im Landkreis Forchheim nicht."

Aber es gebe eine Tendenz: "Wir sind in die Schiene der Uniformträger reingerutscht." Kern meint, dass die Sanitäter nicht mehr so stark als Helfer wahrgenommen würden: "Man wird eher mal beschimpft."

Daher gehöre es für einen Rettungssanitäter mittlerweile dazu, eine Anti-Aggressionsschulung zu machen. "Das Wissen holen sich die Sanitäter von der Polizei", sagt Josef Kern: "Wir lernen, in schwierige Situation mit offenen Augen reinzugehen und auf die eigene Sicherheit zu achten."

Zu dieser Form der Aggression kann auch der Forchheimer THW-Aktivist Holger Lehnard einiges erzählen. Während eines Hochwassereinsatzes an der Donau ereignete sich folgende Szene: Hunderte Zuschauer stehen auf einer Brücke. Als die Retter des Technischen Hilfswerkes anrücken, ist der Anfahrtsweg komplett mit Menschen und Autos zugestellt. "Macht mal den Weg frei!" Die Aufforderung der THW-Aktivisten verhallt. "Null Reaktion bei den Gaffern", erinnert sich der 59-jährige Lehnard. Er ist seit 39 beim THW und beobachtet, dass sich der Arbeitsalltag der Rettungskräfte im Laufe der Jahrzehnte verändert habe. "Der Katastrophentourismus ist das eine." Aber auch Umgangston und Verhaltensweisen an Unglücksorten hätten sich verändert. "Verkehrsrechtliche Anordnung" würden missachtet; respektlose Bemerkungen gehörten genauso dazu wie irritierende Dialoge: "Bitte machen Sie den Weg frei." "Nein, ich will mir das anschauen."


Als Deppen beschimpft

Zwar seien körperliche Bedrohungen die absolute Ausnahme, sagt Holger Lehnard. "Grundsätzlich gebe ich dem BRK recht: "Wir denken, wir machen was Gutes und die anderen fühlen sich begrenzt und beschimpfen uns als Deppen."

Sanitäter seien bestimmt mehr in Gefahr als Wehrleute, sagt Jürgen Mittermeier, Kommandant der Feuerwehr Forchheim: "Wir treten massiv auf, die Sanitäter sind zu weit." Das Problem der Gaffer, die die Arbeit erschweren, das gebe es natürlich. "Aber das war schon immer da. Ich bin 29 Jahre dabei", sagt Mittermeier. Dass es aber Übergriffe gegen Helfer gibt, das könne er nicht behaupten.


Freundlichkeit schulen

Josua Flierl, Vorsitzender der Forchheimer Wehr sagt: Wer sehen will, wie Helfer bei der Arbeit behindert werden, könne dazu genug Videos im Netz finden: "Facebook ist voll damit." In Forchheim habe er noch keine schlimme Erfahrung gemacht mit Aggression, sagt Flierl. Allerdings sei eines "allgemein in der Gesellschaft feststellbar - es wird rabiater, es wird kein Respekt gezollt".

Dieses Phänomen, sagt Kreisbrandrat Oliver Flake, beschäftige sämtliche Wehren im Landkreis Forchheim: "Das ist ein ein schleichender Prozess. Das Aggressionspotential ist gestiegen, ebenso das Unverständnis." Anzeigen wegen "massiver Bedrängung", auch das gab es im Landkreis schon, bestätigt Flake. "Aber das ist nicht die Regel, sowas kommt einmal in fünf Jahren vor." Weil die Leute sich "gestresst fühlen", wie der Kreisbrandrat beobachtet, und weil sich der Stress "in Unverständnis niederschlägt", gebe es auch Schulungen für die Wehrmänner: "Wir versuchen, den Leuten mit Freundlichkeit und Erklärungen zu begegnen", sagt der 43-jährige Oliver Flake. Er persönlich sei seit seinem zwölften Lebensjahr bei der Feuerwehr: "Persönlich musste ich noch keinen Platzverweis aussprechen."