Sichel-Attacke auf Polizisten in Heßdorf: Täter wollte einfach seine Ruhe haben

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Eigentlich wollte ein Polizist dem Angeklagten helfen, doch dann fielen vier Schüsse. Am Donnerstagabend, 21. Juli 2016, ist es zu einer Sichel-Attacke gegen einen Polizisten in Heßdorf gekommen. Am 4. April soll das Urteil in Nürnberg fallen. Foto: Nikolas Pelke
Eigentlich wollte ein Polizist dem Angeklagten helfen, doch dann fielen vier Schüsse. Am Donnerstagabend, 21. Juli 2016, ist es zu einer Sichel-Attacke gegen einen Polizisten in Heßdorf gekommen. Am 4. April soll das Urteil in Nürnberg fallen. Foto: Nikolas Pelke

Ein 50-jähriger Mann aus Heßdorf bei Erlangen soll mit einer Sichel versucht haben, einen Polizisten umzubringen.

Die Hintergründe des versuchten Totschlages, der seit Dienstag vor dem Landgericht in Nürnberg verhandelt wird, sind genauso tragisch wie kurios.

Wer hat hier den fatalen Fehler begannen? Der angeblich suizidgefährdete Angeklagte, der einfach nur seine Ruhe haben wollte und den besorgten Notarzt, zwei Arbeitskollegen und den Polizisten mit einer erhobenen Gartensichel von seinem Grundstück vertreiben wollte. Oder der Polizeibeamte aus Herzogenaurach, der dem Angeklagten zunächst unbedingt helfen und später im Vorgarten angeblich aus Notwehr seine Waffe zückte und vier Schüsse auf den Angeklagten mit der Sichel in der Hand abgab?


Zwei Tage und Nächte nicht geschlafen


Zwei Tage und Nächte habe er vor dem Vorfall im Sommer letzten Jahres nicht geschlafen, erzählt der Angeklagte am Dienstag mit kraftvoller und sonorer Stimme im ehrwürdigen Saal 600 des Justizpalastes in Nürnberg.

Zur Arbeit sei er an dem verhängnisvollen Tag im Juli aufgrund der Müdigkeit nicht gegangen. Die Firma hätte am Vormittag angerufen und sich erkundigt, was los sei. Er sei müde, habe er gesagt, und wieder aufgelegt. "Ich dachte, die Sache ist damit erledigt." War sie aber nicht.
Die Kollegen wollten sich aus Sorge um den psychisch angeschlagenen Angeklagten nicht so schnell abwimmeln lassen. "Nach 20 Minuten standen meine Arbeitskollegen vor der Tür." Mit denen habe er aber nicht reden wollen und sich wieder ins Bett gelegt. Nach 20 Minuten klingelte es schon wieder. Diesmal steht der Notarzt vor der Tür. Der Angeklagte sagt, er wolle seine Ruhe haben und schlägt wieder die Tür zu. Zehn Minuten später drückt die Feuerwehr auf die Klingel und packt den "Dietrich" raus. Als auch die wieder verschwindet, hofft der Angeklagte noch immer, dass die Sache jetzt endlich erledigt sei. Wäre man jetzt im Kino, wüsste man, was jetzt kommt. "Nach zehn Minuten steht die Polizei vor der Tür", berichtet der Angeklagte und fügt verständnislos hinzu, dass er doch nur seine Ruhe haben wollen.

Die herbeigeeilte Schwester habe die beiden Polizisten aufgefordert, wieder zu gehen. "Mein Bruder ist krank", habe seine Schwester zu den Beamten gesagt. "Ich war schon echt total fertig", erinnert sich der Angeklagte, der durchaus Züge eines fränkischen Sturkopfs aufweisen mag, an die schwere Zeit im Sommer letzten Jahres zurück.


Polizist feuert vier Mal auf Mann

Zu diesem Zeitpunkt zeigt der Zeiger auf der Uhr schon fast auf die zwölf. Im Streifenwagen hockt der 44-jährige Polizeibeamte aus Herzogenaurach, der später im Vorgarten des Angeklagten seine Waffe ziehen und viermal auf den vermeintlich hilfsbedürftigen Angeklagten mit der Sichel in der Faust feuern wird.

Er sei mit seinem Kollegen regulär auf Streife gewesen, berichtet der Beamte, als sie zur Unterstützung eines Krankentransportes nach Heßdorf gerufen worden seien. Ein Routinesache, hätten sie gedacht. Von Suizidgefahr sei die Rede gewesen. "Wir wollten ihm helfen", sagt ein im Zeugenstand sichtlich nervös wirkender Polizist. "Haut ab, geht weg. Ich brauche euch nicht", habe der Angeklagte ihm zugerufen. Daraufhin habe der Polizist es für eine gute Idee gehalten, dem Mann mit dem Einsatz des Spezialkommandos zu drohen, falls er nicht freiwillig ins Krankenhaus mitkomme. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Angeklagte wohl gedacht: Jetzt langt es aber. Mit einer originalverpackten Gartensichel geht er hinunter zur Haustür und stellt sich drohend auf den Treppenabsatz. Keine zehn Meter entfernt befindet sich der Polizist allein im Vorgarten. Den anderen Polizisten, den Notarzt, die beiden Arbeitskollegen und die Schwester des Angeklagten habe er in diesem entscheidenden Moment aus den Augen verloren, sagt der Polizist.

"Legen Sie die Waffe weg!", habe der Polizist dem Angeklagten mit der erhobenen Sichel in der Faust zugerufen. "Ich lege gar nichts weg. Geht von meinem Grundstück runter. Das ist Hausfriedensbruch. Und dann hat der Polizist geschossen", berichtet der Angeklagte kopfschüttelnd.


Polizist muss erklären, warum er mehrmals geschossen hat


Der Polizist spricht davon, dass er Angst gehabt habe und nach einem Warnschuss auf die Hand und den Fuß geschossen habe, als der Mann in seine Richtung losgestürmt sei. Der Angeklagte sei einfach weitergelaufen mit der Sichel in der Hand. Surreal sei die Situation gewesen, sagt der Zeuge und wackelt mit dem Oberkörper nervös auf seinem Stuhl herum. Dann habe er eine Doublette auf den Thorax abgegeben. Nach den zwei Treffern in den Brustkorb sei der Angeklagte im Garten umgefallen. Ganz überzeugend scheint die Darstellung des Schützen auf das Gericht nicht zu wirken. Mehrmals muss der Polizist vor die Richterbank treten und anhand der Fotos haarklein erklären, warum er so oft schießen musste und warum er sich nicht einfach aus dem Garten entfernt habe, um die Situation zu deeskalieren?

Das Gericht wird in den nächsten drei Verhandlungstagen durch Zeugenvernehmungen klären müssen, wie schlüssig die Antworten des Polizisten zum Prozessauftakt am Dienstag gewesen sind. Selbstverständlich wird auch die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Angeklagten geprüft werden. Staatsanwalt Peter Adelhardt klagt den 50-Jährigen aus Heßdorf schließlich wegen versuchtem Totschlag an. Darauf stehen zwischen zwei und elf Jahre. Am 3. April soll das Urteil gesprochen werden.