Der G8-Zug ist so umstritten, dass sich viele dagegen entscheiden. Die Mehrheit der Siebtklässler in Höchstadt entscheidet sich für die Mittelstufe Plus.
Der schnellen Entscheidung des damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) für das achtjährige Gymnasium müssen seitdem Eltern, Lehrer und vor allem Schüler Rechnung tragen.
Was ursprünglich als gut gemeintes Vorgehen gegen den demografischen Wandel und als eine Absicherung der Rente gedacht war, bleibt wohl nichts anderes als ein Experiment an den Kindern. Denn: Elf Jahre nach der politischen Entscheidung scheint das Experiment gescheitert zu sein.
Der Trend gehe eindeutig zur sogenannten Mittelstufe Plus. Seit dem Schuljahr 2015/2016 läuft das Pilotprojekt, das die CSU nach hagelnder Kritik von G9-Befürwortern einrichtete. Dabei ist es den Schülern der bayernweit 47 teilnehmenden Pilotschulen in der siebten Klasse freigestellt, ob sie die Mittelstufe im Regelzug in drei Jahren absolvieren wollen, oder ob sie nach der neunten Klasse noch die Jahrgangsstufe 9+ besuchen wollen.
Auch das Höchstadter Gymnasium ist eine der sechs ausgewählten Pilotschulen in Mittelfranken. Während dort in diesem Schuljahr noch zwei reguläre achte Klassen neben den drei Mittelstufe-Plus-Klassen gebildet werden konnten, gehen die Wahlen der aktuellen Siebtklässler deutlich in Richtung des neunjährigen Gymnasialabschlusses. Von den 145 Schülern haben sich 120 für die Mittelstufe Plus entschieden - das sind über 80 Prozent.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Mehr Zeit für außerschulische Aktivitäten und mehr Zeit, sich den Lernstoff anzueignen. Das sind auch die beiden Hauptgründe, weshalb Eltern ihre Kinder für die Mittelstufe Plus anmelden. Das zeigt die Statistik, die das Gymnasium nach den jüngsten Wahlen erhoben hat.
Schulleiter Bernd Lohneiß kann den Entschluss von Eltern und Schülern für die Mittelstufe Plus nachvollziehen: "Es ist einfach so, dass den Schülern nach acht Jahren auf dem Gymnasium ein Jahr Reife fehlt."
Seltener Mittagsunterricht
Er findet es falsch, dass Jugendliche acht Jahre enormem Leistungsdruck ausgesetzt seien, nur um dann teilweise schon mit 17 Jahren an die Uni zu kommen. Genau hier setzt das Pilotprojekt an. Während die Schüler des G8 in den Jahrgangsstufen acht bis zehn immer verpflichtenden Nachmittagsunterricht haben, ist das beim Plus-Zug ausschließlich in der zehnten Klasse der Fall.
Das ist möglich, weil die Schüler der Mittelstufe Plus pro Jahr mindestens zwei Nebenfächer weniger haben, die auf die vier Jahre aufgeteilt werden.
Den Hauptfächern werden mehr Stunden zugeteilt, sie werden "gedehnt". Dass so mehr Zeit bleibt, um das Gelernte zu wiederholen und zu vertiefen, kommt nicht nur den Schülern, sondern auch den Lehrern gelegen.
"Unsere Lehrer sind gegenüber der Mittelstufe Plus zunehmend positiv eingestellt", betont Lohneiß. Und das, obwohl die Organisation eines zweiten Zuges neben der Auswahl der einzelnen Zweige und zusätzlicher Sprachen, eine organisatorische Herausforderung darstellt. "Es gibt noch viele ungelöste Fragen", beteuert Kurt Spitzer, Leiter des Pilotprojektes am Gymnasium Höchstadt.
Als problematisch sieht er, dass die jetzigen 46 Achtklässler des G8 in der Q11 alleine sein werden, da die Mehrheit sich für den Plus-Zug entschieden hat und dadurch erst ein Jahr später in die Oberstufe kommt. Das Kurssystem der Oberstufe wird nochmals verkompliziert. Wie es nach der Pilotphase weitergeht, steht noch in den Sternen.
Fest stehe, dass allein schon wegen der Organisation G8 und Mittelstufe Plus an einer Schule auf Dauer nicht nebeneinander existieren können.
Jetzt heißt es erst einmal warten, denn die Ergebnisse der bayernweiten Befragungen von Eltern und Schülern der aktuellen Achtklässler zu G8 und Mittelstufe Plus stehen noch aus. Dass diese Ergebnisse nicht stichhaltig sind, ist für Schulleiter Lohneiß schon im Voraus klar. "Man kann nicht davon ausgehen, dass aus dieser Statistik nach zwei Jahren Pilotprojekt, nach dem die Schüler noch nicht einmal in der Oberstufe sind, die richtigen Schlüsse gezogen werden."
Für Lohneiß und Spitzer ist der Weg klar: Sie wollen zurück zum neunstufigen Gymnasium.
Als Kompromissmodell sehen sie einen neuen Vorschlag, bei der die Mittelstufe Plus zum Regelzug wird und die dreistufige Mittelstufe für Schüler zur Wahl steht, die das Gymnasium in nur acht Jahren durchlaufen wollen. Der Entschluss liegt jedoch nicht bei ihnen - letztlich entscheidet wieder die Politik.