Reiner Bum verabschiedet sich am Freitag aus dem Schuldienst. Zwölf Jahre lang war der 64-Jährige Schulleiter der Realschule in Höchstadt. Jetzt freut er sich vor allem auf eins: aufs Nichtstun.
Die Regale sind fast leer, die Schubladen schon ausgeräumt, die Wände grau und kahl. Bereits seit Weihnachten räumt Reiner Bum sein Büro in der Realschule leer. Nach und nach. Immer ein bisschen mehr. Jetzt ist er in den letzten Zügen. Verpackt die letzten Reste in Pappkartons. Stapelt Bücher, Unterlagen und persönliche Erinnerungen vorsichtig aufeinander. Wirklich leicht fällt ihm das nicht. Das ist ihm gleich anzusehen.
Auf seinem Schreibtisch liegt nicht mehr viel, nur noch ein paar Zwischenzeugnisse, die auf seine Unterschrift warten. Eine seiner letzten Tätigkeiten als Schulleiter. Denn Bum hat am Freitag seinen letzten Tag. Seinen allerletzten Tag im Berufsleben. Nach 39 Jahren. "Abschied nehmen muss man üben, das geht nicht so schnell", sagt der 64-Jährige ein bisschen zerknirscht.
Bum nimmt sich nichts vor Eigentlich hätte er noch ein Jahr länger arbeiten können. Bis zum Februar 2015. Doch Bum wollte nicht mehr. Vor allem an der Verantwortung hat er schwerer getragen als früher: "Wenn man mal ehrlich ist, merkt man die Belastung. Schlaflose Nächte sind häufiger geworden." Immer gerade stehen für jede Entscheidung, zu wenig Unterstützung von den Vorgesetzten aus Nürnberg und München - anstatt sich weiter zu ärgern, wollte Bum einfach nochmal leben. Ohne Termine. Ohne Stress. Ob er sich schon etwas für seine Pensionärszeit vorgenommen hat? "Nichts. Absolut nichts", strahlt Bum über beide Ohren. "Aber wahrscheinlich hab' ich bald genauso wenig Zeit wie alle Pensionäre", scherzt er.
Solche Scherze macht Bum ohnehin andauernd. Und das ist es auch gerade, was ihn ausmacht.
Der Dachsbacher nimmt sich selbst nicht zu ernst, schreibt Elternbriefe am liebsten im Biergarten, traf in den zwölf Jahren, in denen er Schulleiter war, mutige Entscheidungen: Statt Klassenzimmer gibt es Lehrerzimmer, Zwischenzeugnisse kriegen nur noch die Schüler der 9. und 10. Klassen, unangekündigte Exen sind abgeschafft. "Da haben manche Lehrer schon gesagt: Jetzt gehen Sie zu weit." Doch es hat sich bewährt. Die Durchfallquote der über tausend Schüler ist auf unter ein Prozent gesunken. "Mut machen ist wichtiger als Angst machen", ist der Vollblut-Pädagoge überzeugt.
Zu sehr sei man immer noch auf Noten fixiert, nicht auf das Können der jungen Leute. Lehrer sind immer mehr zu Helfern geworden, und auch die Kinder sind anders als in anderen Generationen: "Sie haben keine Orientierung, keine Vorbilder mehr.
Sie werden zu früh in eine Situation gebracht, der sie nicht gewachsen sind." Was ihnen fehlt ist Wärme, Zuneigung - und vor allem Zeit. "Deswegen kann man auch nicht alle gleich behandeln, auch nicht bei Leistungsbewertungen. Alle Kinder sind Individuen." Bum könnte noch ewig so weiterreden. Die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler, was versäumt wird, dass Defekte an Psyche und Sozialverhalten immer häufiger werden - dagegen vorzugehen ist sein Thema. Seine Herzensangelegenheit.
Nachfolgerin kommt am Montag Um das Alltagsgeschäft in der Realschule - ohne ihn - macht sich der einstige Seminarlehrer und Konrektor der Realschule in Neustadt/Aisch dagegen überhaupt keine Sorgen. "Ich kenne das Lehrerkollegium gut. Ich weiß, dass sie ihre Arbeit toll machen." Bums Nachfolgerin wird Jutta Romeis, bisher Realschulkonrektorin in Scheßlitz.
Am Montag hat sie ihren ersten Tag in der Realschule. "Ich hab' mich mit ihr getroffen und ihr ein bisschen erzählt, wie unsere Schule tickt", erzählt Bum. "Ihre Rolle muss sie aber selbst finden."
Genauso wie Bum selbst. "Ich werde vor allem die Menge an Kindern vermissen. Und dass ich keinen Adressaten mehr für meinen eigenen Unfug habe." Wieder muss er lachen. Seinen Ruhestand will er vor allem im Garten genießen. Auf dem Fahrrad. Und mit seinem Enkelkind. Seine Frau Irene, Lehrerin, ist tagsüber in der Schule. Genauso wie seine achtjährige Tochter. Vorstellen könnte Bum sich auch, eine Art Coaching für Lehrer und Schüler zu geben. Oder er schreibt ein Kinderbuch. "Ich kann das jetzt noch nicht sagen."
Am Freitag wird noch einmal richtig gefeiert. Zuerst mit den Schülern, später, wenn alle Zeugnisse vergeben und die Schüler zuhause sind, mit den Kollegen. Und am Montag, dem ersten offiziellen Tag im Ruhestand? "Da gehe ich mit drei Lehrern, ebenfalls im Ruhestand, schön frühstücken." Jetzt wird aber erstmal weiter ausgeräumt. Die letzte Kiste. Natürlich, typisch Bum, mit einem Lächeln.