Höchstadt lockte wieder hunderte Fans von längst vergangenen Zeiten. In teilweise historischen, meist dunklen Gewändern lauschten die Besucher aus ganz Deutschland den Klängen von Dudelsack und Schalmei.
So ein Trinkhorn ist schon was Feines. Es macht optisch was her und liegt so angenehm in der Hand wie ein Plastikbecher. Und an ferne Vergangenheiten erinnert es zudem. Was Wunder, dass es auch beim diesjährigen Höchstadter Schlosshof-Festival am Wochenende Trinkhörner en masse zu sehen gab.
Einen einzigen Nachteil hat ein Trinkhorn: Man kann es wegen der Spitze unten nicht einfach abstellen. Also braucht man einen Trinkhornhalter. Am besten aus Leder, damit man das Horn am Gürtel festbinden kann, und maßgeschneidert.
"Zuständig" dafür ist beim Schlosshof-Festival Michael Thummerer. Der Mann mit Barett, der aus Schaumburg stammt, arbeitet an seinem Stand "Lederwelten" als Gürtler, wie das Handwerk im Mittelalter hieß.
Von März bis Oktober, so erzählt er, ist er auf Mittelaltermärkten und Festivals mit Mittelaltermusik in ganz Deutschland unterwegs. Er wird noch am Abend seinen Stand abschlagen und ins Schwäbische fahren. Dort steht schon der Hauptstand der Firma; Thummerer hat nur einen Ein-Tages-Abstecher ins Fränkische gemacht.
Jetzt bekommt er Kundschaft. "Ratte" aus Höchstadt, ein fantasievoll gewandeter Stammgast des Festivals, möchte sein Horn stilecht befestigen können; eine einfache Lederkordel ist für das toll geriffelte Steinbockhorn nun wahrlich nicht das Beste. Und wohin mit dem Rinderhorn, das er zum Trinken benutzt? Thummerer nimmt Maß und schneidet zwei Lederstreifen ab. Er stanzt mit einem Eisen einige Löcher hinein - für die Schnürbänder - und fertig ist die stilechte Halterung.
Interessiert schaut ihm Daniela aus Hilpoltstein zu. Sie ist zum ersten Mal hier. "Ich habe zufällig vor ein paar Tagen mitbekommen, dass die Band Omnia auftritt. Da ich mit dem Bus vom VGN nach Höchstadt fahren kann, habe ich mich entschlossen, herzukommen."
Allerdings war ihr klar, dass sie vor Ende des Konzerts mit dem letzten Bus los müsste, um wieder nach Hause zu kommen. Glücklicherweise kann sie aber bei Bekannten übernachten. "Das Ticket gilt am Wochenende ja zwei Tage". Sie muss sich also "Alestorm" und "Saltatio mortis" nicht entgehen lassen. Zwei finstere Gestalten mit zottigen Mänteln gehen vorbei. Mitglieder von "Trollfaust", die auf dem Marktgelände zwischen Verwaltungsbau und Seniorenheim in den Umbaupausen auf der Bühne für urige Unterhaltung sorgen. Mit Dudelsack, Schalmei und Trommeln lassen sie - völlig unplugged - die Melodien vergangener Jahrhunderte auferstehen. Sie locken das bunt gemischte Publikum - vom Kleinkind im Kinderwagen bis zur Seniorengeneration, schlichte schwarze T-Shirt-Träger, zierliche Damen im Gothic Style, und viele Pärchen, die ihr Gewand auf eine Epoche abgestimmt haben.
Auffallend viele haben sich in ihrem Outfit Ideen von Piraten und Freibeutern geholt, Fans von Freibeuter Folk wohl. An den Shirts und auch an den Eintrittsbändern am Handgelenk lässt sich bei vielen ablesen, für welche Band sie sich begeistern und an welchen Festivals sie teilgenommen haben. Dabei stechen die Anhänger von "Coppelius" heraus, die sich wie ihre Band im Stil des frühen 19. Jahrhunderts kleiden. Mit Zylinder und Gehrock.
Passt nicht zu einem Mittelalterfestival? Doch, denn gerade in dieser Zeit kam in England das Mittelalter wieder in Mode und Mysteriöses, Schauriges und Geheimnisvolles sowieso. Man denke nur an Mary Shelleys Frankensteinfigur oder die gefälschten keltischen Ossian-Oden.