Martin Oberle kennen viele als Karpfen-Experten: als Erfinder von Fridolin auf dem Kreisverkehr. Jetzt will er sich auch als Politiker einen Namen machen und kandidiert für die Freien Wähler als Landrat.
Treffen will Martin Oberle sich unbedingt beim Karpfenkreisel. Direkt bei Fridolin, dem Wahrzeichen Höchstadts. Unbemerkt bleibt er da - mitten am Tag, mitten im Verkehr - natürlich nicht. Bekannte, die zufällig vorbeifahren, winken, hupen, drehen sogar noch einmal eine Extrarunde, um den Landratskandidaten der Freien Wähler zu grüßen.
Eine kurze Autofahrt später. Bis nach Kieferndorf sind es nur ein paar Kilometer, und doch wartet dort eine ganz andere Welt. Keine Autos. Kein Lärm. Stattdessen gerade mal 42 Dorfbewohner und ein riesiger Dorfweiher direkt vor Oberles Wohnzimmer. Nur eins ist sofort wieder präsent: der Karpfen. Zwar nicht aus Muschelkalk und in Übergröße, dafür in gleich mehrfacher Ausführung. Als Türgriff an der Haustür. Oder einge areitet in den Fliesen im Flur. Und, wie bei einem Karpfen-Experten nicht anders zu erwarten, natürlich auch ganz in echt, draußen im Gartenteich. "Wir haben 80 bunte Karpfen. Die habe ich selbst vermehrt", erzählt der 50-Jährige stolz, während er zum Füttern der Fische in die Hocke geht.
Forschung und Lehre
Martin Oberle ist absoluter Neuling in der Politik. Nennt sich selbst "Quereinsteiger" unter den Landratskandidaten. Politisch hörte man bislang nichts von dem Doktor der Agrarwissenschaften. Er war in keiner Partei aktiv, blieb stets neutral. Der Gedanke, sich politisch zu engagieren, schlummerte allerdings schon seit Jahren in ihm. Auf der Geburtstagsfeier seiner Partnerin Shanti Ray-Voigt letztes Jahr im April wurde dieser Wunsch dann ganz konkret. Zu Gast unter anderem Höchstadts Bürgermeister Gerald Brehm und Michael Ulbrich, Fraktionssprecher der Jungen Liste im Stadtrat. Gesprächsthema: Wer wird Landratskandidat für die Freien Wähler? "Da hab' ich meinen Hut in den Ring geworfen", erinnert sich Oberle und schmunzelt. Ein paar Wochen später, am 4. Juli, war es schon soweit: Oberle wurde als Kandidat ins Rennen geschickt. "Es ist für mich etwas ganz Neues, eine tolle Herausforderung."
Beruflich drehte sich für Oberle alles nur um eins: den Karpfen. Das verraten wie gesagt schon seine eigenen vier Wände. Aufgewachsen mit vier Geschwistern auf einem land- und teichwirtschaftlichen Betrieb in Kosbach, arbeitet der Agraringenieur seit nunmehr 17 Jahren als Leiter der Außenstelle für Karpfenteichwirtschaft des Instituts für Fischerei in Höchstadt. "Es gibt nichts Vergleichbares. Ich bin Experte in ganz Deutschland", sagt Oberle, der inzwischen an seinem großen Esstisch sitzt. Der Kandidat betreibt Forschung, macht Versuche über Fütterung und Vermehrung, hält Kurse für Teichwirte, kümmert sich um die Regionalvermarktung. Nebenbei hat er seit zehn Jahren einen Lehrauftrag an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, hält europaweit Vorträge und schreibt derzeit einen 150-seitigen Beitrag für ein Lehrbuch über Teichwirtschaft.
Fridolin ist seine Erfindung
Oberle erzählt gern von seiner Arbeit, kommt richtig ins Schwärmen, fast ins Unterrichten. Doch im Landkreis bekannt ist er durch ganz andere Dinge. Ganz andere Ideen. Um nur ein paar zu nennen: der Steinkarpfen auf dem Kreisverkehr, der Aischgründer Karpfenpass, der Karpfenradweg, das Fischerstechen im Aischgrund. Beteiligt war er außerdem maßgeblich an der Gründung des Vereins "Karpfenland Aischgrund". "Die Idee ist das eine, für die Umsetzung braucht man Menschen, die Dinge genauso gerne anpacken."
Und anpacken, das möchte er nun nicht mehr nur in seinem Metier. Er will sich als Landrat für alle Belange des Lebens einsetzen. Will sich für alle Bürger engagieren. Sieht sich durch seine Persönlichkeit und sein Naturell als den richtigen Mann. "Ich bin sicher, dass ich Gutes leisten kann."
Seit Montag kann sich der Kandidat auch ganz auf seinen Wahlkampf konzentrieren, hat vier Wochen seines Jahresurlaubs genommen und nun vor sich. Doch von Urlaub man dabei wohl nicht wirklich die Rede sein. Oberle besucht Ortsverbände, Vereine, Firmen. Quer durch den Landkreis. Quer durch die Branchen. "Es macht Spaß. Ich lerne viele neue Menschen kennen, und viele neue Inhalte."
Inhalte, die er erfährt, als auch Inhalte, die er vermittelt. So will der Kandidat vor allem den öffentlichen Personennahverkehr verbessern. Im Landkreis und über die Landkreisgrenzen hinweg: "Regelmäßige Fahrtzeiten, umweltfreundliche Busse, höhere Taktfrequenzen."
Auch zur Stadt-Umland-Bahn hat Oberle eine ganz klare Meinung: "Ich bin nicht dagegen. Es handelt sich um ein wichtiges Infrastrukturelement, das dem Landkreis sehr gut tun würde", betont er. Nur müssen sich ihm zufolge Bund und Land so beteiligen, dass die finanzielle Belastung für die Kommunen erträglich bleiben und sie ihre Pflichtaufgaben weiter erfüllen können. "Bei einer Förderung unter 90 Prozent fordern wir einen Bürgerentscheid", kündigt Oberle an. Er bejaht den Bau, sieht die Straßen-Umland-Bahn als wichtige Anbindung an die Metropolregion. Nicht nur für Herzogenaurach, sondern später auch für Eckental und Höchstadt.
Motorrad und Trompete
Auch im Pflegebereich möchte Oberle die nötige Infrastruktur entwickeln, möchte Wohngemeinschaften und wöchentliche Treffs, vor allem für Demenzkranke, anbieten. "Ehrenamtliche Strukturen müssen gefördert werden, Familien beraten werden." Der Jugend möchte er präventiv und frühzeitig Ansprechpartner bieten, möchte ihnen ein lebendiges Vereinsleben als Ausgleich fördern.
Wenn Oberle mal ausspannen will, setzt er sich auf sein Motorrad, eine alte BMW, oder greift zu seiner Trompete - seine große Leidenschaft. Seit 30 Jahren spielt er in der Band "Gonzo's Dixie Combo", zuvor 20 Jahre in der Erlanger Big Band "Swing Generation". Mit seiner Partnerin Shanti Ray-Voigt lebt er seit fünf Jahren in Kieferndorf. Zusammen bilden sie eine Patchwork-Familie mit vier Kindern - Oberle hat eine 13-jährige Tochter.
"Ich bin als Quereinsteiger vielleicht nicht gleich im Fokus, aber ich rechne mir schon Chancen aus", sagt der Kandidat. Er erwartet eine Stichwahl. Gegen Tritthart. Inzwischen steht Oberle aber erstmal wieder an seinem Gartenteich. Blickt auf den Dorfweiher, und weit im Hintergrund auf die vorbeirauschenden Lkw auf der Autobahn 3.