Jetzt erst recht: NSA-Opfer veranstaltet "Krypto-Party"

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Foto: NDR ( Screenshot)
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In der letzten Woche wurde bekannt, dass die amerikanischen Geheimdienste einen Erlanger Studenten im Internet bespitzelt haben. Unter dem Motto "Jetzt erst recht" hat NSA-Opfer Sebastian Hahn gemeinsam mit anderen Informatik-Studenten der Uni Erlangen am Samstag eine "Krypto-Party" veranstaltet.

Es ist Samstagabend. Kurz vor 20 Uhr. Da neigt sich die "Krypto-Party" schon fast dem Ende zu. Menschen sitzen schon seit Stunden gemeinsam an Computern und üben, wie man sich gegen die Datensammelwut der amerikanischen Nachrichtendienste besser schützen kann. Pünktlich um 15 Uhr hatte ein junger Mann mit Vollbart die Party im Hörsaal eröffnet. "Hey, das ist doch der Typ, der von der NSA ausspioniert worden ist", sagt ein Teilnehmer und zeigt auf den Mann auf dem Podium des Hörsaals der Technischen Fakultät in Erlangen. "Mein Name ist Hase", sagt der Mann mit dem Mikrofon in der Hand mit dem Vollbart im Gesicht.

Hinter dem tierischen Pseudonym versteckt sich der 27-jährige Informatik-Student aus Erlangen, der vor einer Woche die Schlagzeilen eines ganzes Landes dominierte. Jetzt sagt der Mann, der nach Angela Merkel das zweite, namentlich bekannte Abhör-Opfer der US-Geheimdienste in Deutschland wurde, leise aber bestimmt: "Die Privatsphäre ist ein Grundrecht. Zeigen wir unseren Überwachern, das uns Privatsphäre wichtig ist." Beifall gibt es dafür nicht. Hätte er auch nicht gewollt. Hase will kein Held sein. Hase will zeigen, wie der Hase läuft mit der Privatsphäre im Internet. Denn alleine komme keiner gegen die NSA an. Das ist ein bisschen wie beim berühmten Wettrennen aus dem Märchen von dem Hasen und dem Igel. "Nur wenn eine Mehrheit das Grundrecht auf Privatsphäre im Internet einfordert, haben wir eine Chance, es auch durchzusetzen", sagt Hahn alias Hase und erklärt ganz praktisch wie das geht. Zum Beispiel beim Mailverkehr im Internet. Das funktioniert eigentlich ganz einfach. Man baut sich ein kleines Schloss und fertigt passende Schlüssel für die Empfänger der verschlüsselten Briefe dazu an. Mit Hilfe des Verschlüsselungsprogramms Enigmail und des Email-Programms Thunderbird kann man sich in Sekundenschnelle vor den gierigen Blicken der Geheimdienste besser schützen. Das Gute: Die alte Email-Adresse kann man behalten. Mit ein paar Kniffen stellt man nichts weniger als das Postgeheimnis im Internet wieder her.

Hase warnt davor, die Sammelwut der Amerikaner zu unterschätzen. Sein persönliches Beispiel möge sich gut für Schlagzeilen eignen. Der eigentliche Skandal sei die riesige Dimension der Überwachung und die Naivität, mit der sich technisch unbedarfte Menschen den Spionen ausliefern würden. "Ich bin schockiert darüber, wie einfach Unschuldige in den Fokus der Überwachung geraten können, und mit welcher Selbstverständlichkeit die Geheimdienste vorgehen", findet Hase und erklärt, dass die gesammelten Daten "sehr, sehr lange" von den "bösen Jungs" gespeichert werden. Diese Informationen könnten irgendwann gegen die Menschen eingesetzt werden. Schrittweise müsse die Gesellschaft deshalb lernen, wie man die Privatsphäre auch im Internet schützen kann, damit man "in Zukunft weniger Angst vor Geheimdiensten" haben muss.

Nicht nur beim Schreiben von Mails, auch beim Surfen könne man der NSA eine lange Nase zeigen. Hase empfiehlt "Tor", ein Netzwerk zur Anonymisierung von Verbindungsdaten. Mit ein paar Mausklicks kann man die Software, die wie ein normaler Browser funktioniert, frei im Netz herunterladen. Hase ist überhaupt erst ins Visier der NSA geraten, weil er sich für das Netzwerk engagiert hat und einen Tor-Server betreut. Sichere Kommunikation im Internet hat für Hase auch eine politische Dimension. "Jeder Tor-Nutzer sendet ein starkes Signal, dass ihm die Demokratie und die ausufernde Überwachung der gesamten Kommunikation nicht egal ist." Unter dem Motto "Jetzt erst recht" haben sich Informatik-Studenten deshalb nach Bekanntwerden der neuerlichen NSA-Abhöraktion dazu entschlossen, eine "Krypto-Party" zu veranstalten. Es ist nicht die erste Feier dieser Art. Aber an diesem Samstag sind deutlich mehr Gäste gekommen. Sie lernen den richtigen Umgang mit Passwörtern oder erfahren, wie man kinderleicht SMS verschlüsseln kann. Nach den Vorträgen werden Laptops verkabelt. Die Party ist jetzt auf dem Höhepunkt. Es werden Mails verschlüsselt und Tor-Browser installiert. Aber ist das nicht paranoid? "Wenn man die Möglichkeiten kennt, weiß man, wie groß die Gefahren sind", sagt ein Informatik-Student und nippt an seinem Club-Mate.

Es dämmert schon, als die Grillkohle glüht und die letzten Notebooks sicher verstaut sind. "Ich kann nur dafür werben, sich für eine freiheitliche Gesellschaft einzusetzen. Aber die perfekte Sicherheit gibt es leider nicht", sagt Sebastian Hahn alias Hase und lässt sich in einen Stuhl fallen. Die Krypto-Party ist vorbei. Es wird wohl noch viele weitere brauchen, um die bunte Welt des Internets für alle sicherer zu machen.

Das Handout der Krypto-Party gibt wertvolle Tipps und zeigt, wie und wo man die passende Verschlüsselungs-Software finden und auf dem eigenen Rechner installieren kann: