Fusion einmal ganz anders

2 Min
 
 

Das Dieter-Ilg-Trio vereinte im Höchstadter Schlossgewölbe Jazz und die Musik Johann Sebastian Bachs.

Es ist immer wieder erstaunlich, welche Musiker Ariane Ranger für ihre jazz!3-Reihe ins Schlossgewölbe locken kann. Musiker von deutschem, ja europäischem Rang. Dieter Ilg ist so einer. Der Kontrabassist, Jahrgang 1961, hat schon mit Koryphäen wie Randy Brecker, den bekanntesten deutschen Jazzgrößen Albert Mangelsdorff und Wolfgang Dauner musiziert, gegenwärtig bereitet er ein Duo mit Till Brönner vor, den man auch von "Jazz am See" kennt. Und am Freitag gastierte er bereits zum zweiten Mal binnen drei Jahren in Höchstadt. Offenbar gefällt nicht nur Ilg und seinen Begleitmusikern Auftrittsort und Publikum in der Kleinstadt, wie die Veranstalterin in ihrer Begrüßung versicherte.

Ein Publikum, das von Konzert zu Konzert wächst. Dabei war mit dem Dieter-Ilg-Trio alles andere als Easy Listening zu erwarten, auch um mit den Füßen im Takt mitzuswingen war das Konzert eher wenig geeignet. Denn Auftritte wie dieser zeigen, dass sich der einst in Kaschemmen und Bordellen der amerikanischen Südstaaten entstandene Jazz endgültig zur europäischen Kunstmusik gemausert hat. Einer Musik, die ästhetisch auf gleichem Niveau anzusiedeln ist wie die klassische.

Wie es überhaupt ein bemerkenswertes Phänomen ist, dass Orchestermusiker mit Pop und Rock nichts anzufangen wissen - die kennen sie gar nicht -, aber den Jazz mindestens respektieren.

Nach Bearbeitungen von Wagner ("Parsifal"), Verdi ("Otello") und Beethoven hat sich Ilg Johann Sebastian Bachs angenommen. Nun hat bereits in den 1960ern Jacques Loussier mit diversen "Play-Bach"-CDs Jazz-Adaptionen des Barock-Klassikers vorgelegt. Bearbeitungen, die der Kritiker Siegfried Schmidt-Joos seinerzeit als "Unterhaltungsmusik mit einem gewissen Pfiff" abtat.

Tiefer gründete da schon das Modern Jazz Quartet, wie auch von der anderen Seite der Pianist David Gazarov eine Fusion der Genres versuchte. Fusion, englisch ausgesprochen, war das große Ding der 1970er Jahre, eine Verschmelzung von Jazz und Rock allerdings.

Die Fusion von Bach und Jazz dagegen streben Dieter Ilg, der Schlagzeuger Patrice Héral und der Pianist Rainer Böhm an. Der gleichzeitig den neuen Flügel des Schlossvereins einweihte. In seinen knappen ("Ich bin nicht zum Erzählen, sondern zum Spielen da"), doch pointierten Moderationen erzählte Ilg, was er aus dem Riesenwerk Bachs für seine eigenen Interpretationen ausgewählt hat. Es sind Auszüge aus dem Wohltemperierten Klavier, aus dem Cembalokonzert mit der Nummer 1052 im Bach-Werke-Verzeichnis, mit einer Sarabande aus der dritten der französischen Suiten oder der Sonate für Flöte und Cembalo.

Das hört sich alles sehr anspruchsvoll an und ist es auch, doch auch der mit Bachs Werken wenig Vertraute konnte erstens bekannte Motive erkennen und zweitens dann das Hinübergleiten in jazztypische Improvisationen bewundern. Und das bei erstaunlichen handwerklichen Fähigkeiten. So gab etwa in der Sarabande der Bass das Thema vor, Piano und das auf diesem Niveau eigenständige Schlagzeug fielen ein, strebten auseinander, fanden wieder zusammen und zum Thema zurück.

Einen Auszug aus dem "Wohltemperierten Klavier" eröffnete Böhm mit einem mächtigen Solo am Klavier, während "Goldberg C" zeigte, dass Bach durchaus "hot" gespielt werden kann, wozu Schlagzeuger Héral nicht wenig beitrug. Im erwähnten "1052" jagen sich die Musiker, umtänzeln sich - ein Höhepunkt des Auftritts ist ein geradezu wahnwitziges Kontrabass-Solo des Bandleaders.

Freilich schleppen sich etwa in der "Aria" die Töne schon einmal etwas ermüdend dahin. Das wird durch ein fulminantes Schlagzeugsolo wieder kompensiert. Ein Solo, das mit Bach allerdings nichts mehr zu tun hat.

Großen Beifall gab's für ein anspruchsvolles Konzert. Wieder einmal war zu konstatieren, dass die jazz!3-Reihe das künstlerisch Beste ist, was Höchstadt derzeit zu bieten hat. Prädikat: besonders wertvoll. Am 9. November spielt das Uri-Gurvich-Quartett im Schlossgewölbe. Man darf gespannt sein.