Erlangens Haus der letzten Wünsche

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Kater Puma wacht am Bett seines sterbenden Herrchens. Hartmut Glienke ist jetzt im Hospiz zu Hause - das hat er selbst so gesagt. Ehefrau Gerti und Tochter Susanne sind Besucher. Sie kommen täglich und können bei Bedarf auch über Nacht bleiben. Fotos: Barbara Herbst
Kater Puma wacht am Bett seines sterbenden Herrchens. Hartmut Glienke ist jetzt im Hospiz zu Hause - das hat er selbst so gesagt. Ehefrau Gerti und Tochter Susanne  sind Besucher. Sie kommen täglich und können bei Bedarf auch über Nacht bleiben.  Fotos: Barbara Herbst
Inge Schwager kann die Patienten nicht heilen. Sie kann den Tod nicht aufhalten. Aber die Leiterin des Erlanger Hospizes kann sterbenden Menschen Lebensqualität schenken. Auf der Terrasse sehen sie Blumen und Himmel, spüren Wind und Sonne
Inge Schwager kann die Patienten nicht heilen. Sie kann den Tod nicht aufhalten. Aber die Leiterin des Erlanger Hospizes kann sterbenden Menschen Lebensqualität schenken. Auf der Terrasse sehen sie Blumen und Himmel, spüren Wind und Sonne
 
Baden mit Meerblick: Bei tödlichen Krankheiten gehört das Baden oft zu den ersten Dingen, die zu Hause nicht mehr funktionieren. Die Angehörigen schaffen es nicht, den Kranken in die Wanne und wieder hinaus zu hieven. Im Hospiz hat zwar jedes Zimmer eine eigene Nasszelle mit WC und Dusche, aber das Badezimmer mit Wanne ist bei den Sterbenden sehr begehrt: Das warme Wasser lindert Schmerzen und löst die Schwere des Körpers ein wenig. Mit dem Lift werden die Patienten ins Wasser gelassen. An de...
Baden mit Meerblick: Bei tödlichen Krankheiten gehört das Baden oft zu den ersten Dingen, die zu Hause nicht mehr funktionieren ...
Baden mit Meerblick: Bei tödlichen Krankheiten gehört das Baden oft zu den ersten Dingen, die zu Hause nicht mehr funktionieren. Die Angehörigen schaffen es nicht, den Kranken in die Wanne und wieder hinaus zu hieven. Im Hospiz hat zwar jedes Zimmer eine eigene Nasszelle mit WC und Dusche, aber das Badezimmer mit Wanne ist bei den Sterbenden sehr begehrt: Das warme Wasser lindert Schmerzen und löst die Schwere des Körpers ein wenig. Mit dem Lift werden die Patienten ins Wasser gelassen. An de...
 
In der Küche riecht's nach Butter: Schwester Jelena Kreft macht Spiegeleier. Es ist 13 Uhr. "Das ist für einen Gast, der bis jetzt geschlafen hat. Mittagessen will er später", erklärt sie. Süßes könne der Kranke wegen der Schädigung durch die Chemo nicht mehr essen. Eier mage er, verträgt er - und bevorzugt sie derzeit zum Frühstück.
In der Küche riecht's nach Butter: Schwester Jelena Kreft macht  Spiegeleier. Es ist 13 Uhr. "Das ist für einen Gast, der bis jetzt geschlafen hat. Mittagessen will er später", erklärt sie. Süßes könne der Kranke wegen der Schädigung durch die Chemo nicht mehr essen. Eier mage er, verträgt er - und bevorzugt sie derzeit zum Frühstück.
 
Puma lässt sich gern von Hospiz-Leiterin Inge Schwager kraulen. Fotos: Barbara Herbst
Puma lässt sich gern von Hospiz-Leiterin Inge Schwager kraulen.   Fotos: Barbara Herbst
 

Sahnetorte für Diabetiker, Rauchen trotz Lungenkrebs und das Haustier am Krankenbett: Im stationären Hospiz der Diakonie Erlangen leben Menschen selbstbestimmt. Bis zum Ende.

Im Hospiz der Diakonie Erlangen kann Hartmut Glienke baden. "Er liebt das so", sagt seine Frau Gerti. Daheim war das Badezimmer im ersten Stock für ihren Mann schon lange unerreichbar. "Er kann sich kaum rühren", erklärt Tochter Susanne. "Prostatakrebs. Metastasiert. Er hat ziemlich dagegen gekämpft, lange erfolgreich." An Weihnachten sagte der Hausarzt zu Hartmut Glienke, er solle das Fest genießen. Es sei sein letztes.

Für die Familie begann die Trauerphase. Die Zeit der Angst. Und der Überforderung: Was tun, wenn er stürzt und nicht mehr hochkommt? Was, wenn etwas passiert? Den Notarzt holen - obwohl Hartmut Glienke nicht mehr ins Krankenhaus will? "Man ist so verzweifelt, man weiß nicht, wie man das alles bewältigen soll", sagt Susanne Glienke. Für ihre Mutter war das Schlimmste, ihren Mann leiden zu sehen. "Das hält man nicht aus."

Der Hausarzt empfahl der Familie aus dem mittelfränkischen Rummelsberg das Hospiz. "Die Schmerzmittel werden hier besser eingestellt. Das Personal ist sehr sensibel dafür", sagt Susanne Glienke. "Hier kam die Lebensfreude zurück." Sie arbeitet oft mit ihrem Laptop im Gemeinschafts-Wohnzimmer des Hospizes. Gerti Glienke entdeckte ihr altes Hobby wieder und malte Aquarelle, die sie an die pink- und orangefarbenen Wände im Zimmer ihres Mannes hängte. Die ersten fünf Monate schlief sie hier. Inzwischen pendelt sie täglich mit dem Zug. "Dass sie wieder begonnen hat, ihr Leben zu leben, geht auf Initiative der Schwestern zurück. Sie achten auch sehr auf die Angehörigen. Die nehmen sich Zeit", sagt Susanne Glienke.

Die zwölf Hospizplätze werden von 21 Pflegekräften betreut, hinzu kommt eine Haushaltshilfe und fast 25 Ehrenamtliche. "Der Tagessatz liegt bei fast 270 Euro", sagt Hospiz-Leiterin Inge Schwager. Zehn Prozent muss der "Hospiz Verein Erlangen" aufbringen, den Rest zahlen Pflege- und Krankenkassen. "Unsere Betten sind nicht lange leer. Im Schnitt haben wir eine Auslastung von 94 Prozent." Außer in Erlangen gibt es in Franken zwei stationäre Hospize in Nürnberg und je eines in Bayreuth und Naila. Würzburg hat mit dem Bau begonnen, auch in Coburg ist eine Einrichtung in Arbeit. Außerdem gibt es in größeren Städten wie Bamberg ambulante Hospizzentren oder Palliativstationen.

Es gibt eine Warteliste

Schwager glaubt, dass der Bedarf zunehmen wird. Wegen des demografischen Wandels, aber auch wegen der vielen Single-Haushalte. Sie führt eine Warteliste. Aufgenommen werden Patienten, deren Lebensende diagnostiziert ist: "98 Prozent sind Krebskranke."

Vergangenes Jahr starben 154 Menschen im Erlanger Hospiz, im Schnitt nach 24 Tagen. "Manche sind nur einen Tag hier und schreiben ins Gästebuch, wie wichtig das war", sagt Schwager. Das Hospiz verändert die Einstellung zum Tod. "Die Angehörigen sehen, dass man sich darauf einlassen kann. Wir haben manchmal Leute, die sind über 40 Jahre alt und haben noch nie einen Toten gesehen." Aber nicht immer ist der Tod ein Tabu: Schwager erzählt von einem alten Bauern, der - wenn schon nicht daheim sterben - wenigstens dort aufgebettet werden wollte. "Haben wir gemacht."

Das Hospiz versucht, Wünsche zu erfüllen. "Einen haben wir mal mit dem Sanitätsauto nach Hause gefahren, weil er seinen Garten noch einmal sehen wollte." Ein anderer bekam so viel Schmerzmittel, dass er bei der Hochzeit seiner Tochter dabei sein konnte. Die Todkranken dürfen essen, was sie wollen - selbst wenn "sie sich danach die Seele aus dem Leib kotzen. Manche sagen: Ist mir egal. Ich will das essen." Es gibt ein Raucherzimmer. In der Küche steht ein Kasten Bier. Kleine Kinder und Haustiere sind im Hospiz erlaubt, es riecht nicht wie in einer Klinik und es ist nicht leise.

Ein Glas Sekt in der Wanne

"Für meinen Mann war es wichtig, dass wir die Katze mitbringen durften. Das hat ihm das Daheimgefühl gegeben", sagt Gerti Glienke. "Wir haben hier auch schon gefeiert." Susanne Glienke erzählt von ihrem Geburtstag, sagt etwas schuldbewusst zur Hospiz-Leiterin, dass sie das Raclette-Essen im Gemeinschafts-Wohnzimmer wohl hätten planen sollen. Schwager schüttelt den Kopf: "Dann weiß man nie, ob's klappt. Wenn man so eine Idee hat, ist es besser, das spontan zu machen."
Zur Feier schoben sie den Vater samt Bett ins Wohnzimmer. "Wir schieben ihn auch oft auf die Terrasse." Den Platz unter freiem Himmel genießen viele. "Er mag es, wenn der ihm ins Gesicht weht." Und er liebt die Badewanne. "Das ist das erste, was daheim nicht mehr funktioniert", sagt Schwager. "Im warmen Wasser tut nichts mehr weh, ist alles warm, weich. Manche saßen auch schon mit einem



Verbände fordern bessere Pflege von Sterbenden

Vertreter der Hospiz- und Palliativbewegung forderten am Dienstag grundlegende Reformen: Wegen der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen müsse eine Hospiz- und Palliativversorgung in Pflegeheimen verankert werden, wo jeder dritte Todesfall in Deutschland eintrete. Nötig sei bestmögliche Symptomkontrolle, Linderung von Schmerzen, Übelkeit, Unruhe, Angst, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit. Nach Angaben der Verbände sind derzeit 2,37 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. 2030 sollen es 3,5 Millionen sein. epd