Einmal Hölle und zurück

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Tobias ist im Adelsdorfer Café, das die Laufer Mühle betreibt, sehr engagiert. Foto: Johanna Blum
Tobias ist im Adelsdorfer Café, das die Laufer Mühle betreibt, sehr engagiert.  Foto: Johanna Blum
Tobias im Service Foto: Johanna Blum
Tobias im Service Foto: Johanna Blum
 

Tobias war schon in seiner Jugend abhängig von Alkohol. Doch durch die Hilfe in der Laufer Mühle hat er nun wieder Hoffnung und will seine Zukunft in die Hand nehmen.

Gerade jetzt zur Ferienzeit fahren viele Radler, aber auch Urlauber mit dem Auto durch Adelsdorf und hoffen auf ein schattiges Plätzchen zum "Auftanken". Das finden sie am Marktplatz, denn dort lädt ein nettes Café zur Rast ein. Den einen oder anderen gelüstet es auch ab zu nach einem kühlen Bier oder einem Radler.

Tobias, der jüngste Mitarbeiter im Café, kommt eilends heraus und nimmt die Bestellung der neuen Gäste aus Holland auf. Als es an die Getränke geht, muss Tobias passen: "Tut mir Leid, wir schenken hier keinen Alkohol aus", erklärt er freundlich. "Warum denn das?", folgt prompt die entsetzte Frage. "Bei uns gibt es keinen Alkohol, weil das Café zur Laufer Mühle gehört." Die Mühle ist eine Einrichtung für ehemalige drogen- oder alkoholabhängige Menschen und sie hilft ihnen dabei, nach der Entgiftungszeit ihre Suchtprobleme in den Griff zu bekommen und ein neues, "sauberes" Leben
zu beginnen.

Einige enttäuschte Gäste, die sich auf Alkohol eingestellt haben, verlassen das Café, suchen aber meist vergebens um die Mittagszeit einen geöffneten Biergarten oder ein Speiselokal in Adelsdorfs Zentrum. Tobias arbeitet unbeirrt weiter und wenn er auf sein eigenes Problem angesprochen wird, erzählt der 21-Jährige bereitwillig aus seinem noch jungen Leben, in dem er sich schon mehr als ein Mal fast ins Grab "gesoffen" hätte.

Geboren wurde er im Februar 1994 in Marktredwitz und gelebt hat er hauptsächlich in Selb. Als Tobias mit drei Jahren in den Kindergarten kam, waren seine Eltern schon geschieden. "Ich wohnte dann bei meiner Mutter, die einen kleinen Teeladen hatte", so der junge Mann. Die Schule besuchte er in Selb "aber wir sind dauernd umgezogen.", weiß er noch. "Da ich eine Lern- und Konzentrationsschwäche habe - ich hab' den Stoff net so schnell in mein Kopf neibracht - besuchte ich die Förderschule in Naila bis zum Abschluss", erzählt er. Anschließend hatte er die Wahl zwischen einer Koch- und einer Tischlerlehre. "Man riet mir zu einer Kochlehre und die war echt stressig."

Dieser Stress wurde ihm zum Verhängnis. "Zuerst hab ich am Wochenende ein bis zwei Flaschen Bier getrunken, langsam wurde es ein halber Kasten und als ich mit meiner damaligen Freundin zusammengezogen bin, war es dann schon ein ganzer Kasten - nur am Wochenende!" Trotz allem schaffte er seine Zwischenprüfung. Aber dann kam das Feuer. "Meine Freundin wollte Pommes machen und hat das Öl auf dem Herd vergessen. Das hat mir dann den Rest gegeben. Die ganze Wohnung hat gebrannt!"

Nun brauchte er jeden Tag Bier. "Ich hab mich dann von meiner Freundin getrennt und bin nach Selb zu meiner Mutter gezogen", erinnert er sich. "Aber mit Mama hab' ich mich auch nicht mehr verstanden und irgendwann merkte ich, dass ich süchtig nach Alkohol war. Ich trank alles was alkoholisch war: Bier, Sekt, Schnaps, Likör ..."


Alkoholvergiftung mit 15

Mit 15 Jahren schmiss er die Ausbildung und hatte seine erste Alkoholvergiftung mit 2,5 Promille. "Immer wieder wurde ich von der Polizei irgendwo in der Stadt aufgegriffen. Ich war kaum mehr ansprechbar - ein richtiges Wrack. Es folgte dann stets die Entgiftung - und die ist grausam!" Nach der achten Entgiftung schlug man ihm eine Langzeittherapie in Furth im Wald vor. Dort ging es kurzzeitig besser. "Ich kehrte zu meiner Mutter zurück und da blieb ich sogar drei Monate trocken." Jetzt probierte er das kontrollierte Trinken. "Ich dachte, ich hätte das im Griff", erzählt er.

Aber es funktionierte einfach nicht. Zeitweise stapelten sich 25 leere Bierkästen in der Wohnung. "Am 27. Februar 2014 wurde ich mit 3,5 Promille aufgegriffen. Damals wäre ich beinahe gestorben", erinnert er sich mit Schaudern. "Drei Mal hatte ich einen Herzstillstand. Ich musste mich dauernd übergeben, hab fast keine Luft mehr bekommen." Der junge Mann zittert bei der Erinnerung leicht.

",Tobi, mit dir passt was net‘, dachte ich verzweifelt." In der anschließenden dreimonatigen Entgiftung besuchten ihn oft sein Betreuer und ein Vertreter der Suchtberatungsstelle. "Ich bekam dann zwei Vorstellungsgespräche in der Laufer Mühle und am 12. Mai 2014 durfte ich dort einziehen. Das war meine Rettung." Die ersten fünf Monate dort waren sehr sehr hart. "Der Suchtdruck war kaum zu ertragen und mein Hirn wollte Alk - aber ich hab mich standhaft geweigert."

Tobias hofft, dass er weg vom Alkohol ist. "Hab' ich Probleme und einen leichten Suchtdruck, gehe ich gleich zur Bereitschaft in der Mühle", gesteht er. "Wir unterhalten uns dann oft stundenlang - und meistens wird es besser." Auch im Café findet er immer Hilfe bei seinen Kollegen, die das Problem aus eigener Erfahrung kennen.
"Die letzten fünf Jahre habe ich versoffen. Wäre ich nicht hier in die Laufer Mühle gekommen, würde ich bestimmt nicht mehr leben", erklärt er ernsthaft und zugleich dankbar. Zurück nach Naila in sein altes Umfeld will er nicht mehr. "Meine Mutter kann mich gerne hier besuchen, aber in der Heimat ist die Versuchung doch zu groß."

Das einjährige Jubiläum ohne Alkohol hat er geschafft. Sein weiteres Leben will er auch meistern. "Ich will, wenn ich austherapiert bin, meine Kochlehre zu Ende machen und weiterhin eine Selbsthilfegruppe besuchen. Ich weiß, der Alkohol wird mich mein Leben lang verfolgen!"