Bei einem Teil der Patienten wurde die Diagnose einer bösartigen Erkrankung bereits extern bei einem niedergelassenen Kollegen oder in einem Krankenhaus gestellt und der Patient wird zur Behandlung an uns überwiesen. Diese Patienten sind dann bereits über ihre Krebserkrankung aufgeklärt.
Welche weiteren Untersuchungen und insbesondere welche Therapie dann auf sie zukommt, wissen die meisten Patienten jedoch oft noch nicht. Andere Patienten werden zur weiteren Abklärung von unklaren Krankheitssymptomen oder Untersuchungsergebnissen überwiesen. Bei diesen Patienten wird die Krebsdiagnose dann erst bei uns gestellt.
Wie bringen Sie Ihren Patienten die Diagnose, die damit verbundene Therapie und die daraus resultierende Prognose schonend bei?
Wichtig ist, dass wir uns als betreuende Ärzte für dieses Aufklärungsgespräch Zeit nehmen und ungestört sind. Idealerweise ist ein nahestehender Partner des Patienten dabei. Wenn wir dem Patienten dann die Krebsdiagnose übermitteln, muss in diesem Erstgespräch nicht alles im Detail besprochen werden.
Wichtiger ist, dass die Patientinnen oder Patienten den Raum und die Zeit bekommen, die Diagnose zu begreifen. Dass Emotionen aufgefangen werden, egal ob Angst, Verzweiflung, Fassungslosigkeit oder Wut - jeder reagiert anders. Alle Gefühle sind erlaubt.
Meine ärztlichen Mitarbeiter und ich beschreiben zunächst mit einfachen Worten, um welche Krankheit es sich handelt, welche Therapie vorgeschlagen wird und ob die Therapie dringend ist. Oft hat man ein paar Tage Zeit und kann in einem oder mehreren Gesprächen die Details besprechen. Wichtig ist, dass wir am Ende des ersten Gesprächs signalisieren, dass wir für weitere Gespräche zur Verfügung stehen.
Sagt man einem Todgeweihten die komplette Wahrheit oder darf man auch einen Teil verschweigen, um es dem Patienten leichter zu machen? Wenn Sie zum Beispiel der Meinung sind, dass der Patient die ganze Wahrheit nicht verkraftet.
Die Frage ist komplex - hier geht es um den Umgang mit Hoffnung. Wahrheit kann jedenfalls nicht aufgezwungen werden. Man sollte hier hoch-sensibel sein, die Patienten lassen einen in der Regel spüren, wie viel Wahrheit sie gerade verkraften und wie viel nicht. Persönlich ist mir wichtig, jederzeit den Eindruck zu hinterlassen, dass wir die Patienten und ihre Angehörige nicht alleine lassen.
Wie geht man mit den Angehörigen um? Werden diese zur Gänze über den erhobenen Befund, die Therapie und die damit verbundenen Risiken bzw. Chancen informiert oder erfahren Sie nur das Nötigste?
Die Angehörigen werden grundsätzlich nur in dem Maße wie die Patienten selbst über die Diagnose, die vorgeschlagene Therapie sowie deren Nutzen und Risiken informiert.
Wollen Ihre Patienten überhaupt die schonungslose Wahrheit? Kann man die Menge derer, die dies wissen wollen, in Zahlen ausdrücken?
Das ist ganz unterschiedlich. Manche Patienten wollen nicht alle Details der Erkrankung, der Therapie und deren Chancen und Risiken erfahren und möchten, dass das getan wird, was wir medizinisch für richtig halten. Andere Patienten haben einen sehr viel höheren Informationsbedarf und fragen ganz explizit nach, wie hoch die Chancen auf ein Ansprechen der Therapie ist, wie lange die Lebenserwartung ist, etc.. Zahlen einfach so zu nennen, ist problematisch. Man muss den Patientinnen und Patienten unbedingt erklären, was Statistiken bedeuten. Dass Wahrscheinlichkeiten zum Beispiel keinen Vorhersagewert für ihren individuellen Verlauf haben.
Waren Sie schon mal versucht, sich selbst zu belügen, um sich einen Rest Hoffnung für einen Patienten zu sichern?
Nein!
Wie verkraften Sie selbst all das Leid, das sich Ihnen in Ihrem Beruf offenbart?
Natürlich lassen mich die Schicksale nicht kalt. Bei all dem Leid fiel und fällt es mir glücklicherweise nicht schwer, auf die Menschen zuzugehen, ihnen ehrlich und professionell Hilfe anzubieten und Zuversicht zu vermitteln. Dieser persönliche Kontakt beschert mir persönlich viele gute, befriedigende Momente. Patienten geben uns viel zurück - auch dann, wenn wir nicht heilen können.
Das Gespräch führte Britta Schnake.