Im Mohrhof haben sich Zugvögel aus Osteuropa niedergelassen. Zur Freude von Vogelfreunden, die auch Limikolen und Krickenten sahen.
Strahlender Sonnenschein, kein Nebelfetzchen weit und breit über der Vogelfreistätte Mohrhof. Optimale Bedingungen zur Beobachtung von Zugvögeln aus dem Norden. Plötzlich erhebt sich aus dem Schilf eine leuchtend weiße Wolke. Es sind Hunderte von Silberreihern, die die Geräusche nahender Menschen aufgescheucht haben.
"Strichweiher" bevorzugt Die Zuggäste aus Osteuropa standen zuvor schön getrennt von einander im sinkenden Wasserspiegel des Weihers, um auf Futter zu lauern. Vor allem auf die Blaubärblinge haben sie es abgesehen. Das freut die Teichwirte ausnahmsweise, denn der Beifisch vermehrt sich manchmal massenhaft, seit er von überdrüssigen Aquarienfreunden in die Naturgewässer "entlassen" wurde. Silberreiher brüten in Deutschland nur wenige Paare; große Brutkolonien gibt es am Neusiedler See und in Holland.
Vereinzelt sind sie auch im Frühjahr oder Sommer im Mohrhof anzutreffen.
Die rastenden Silberreiher entschädigen die Vogelfreunde, die schon eine Weile über die Weiherdämme laufen. Gut ausgerüstet mit Kameras, Ferngläsern und Stativen, hatte sich die Gruppe, bei der auch viele Kinder und Jugendlich waren, den ersten Weihern im Mohrhof. Kein Vogel war auf der Wasseroberfläche zu sehen. Ein paar Kinder blickten enttäuscht zu ihren erwachsenen Begleitern. Michael Bokämper, der Kreisvorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), erklärte es ihnen aber: Die nördlichen Drittelweiher sind alle mit Fäden zur Abwehr der Kormorane überspannt. Sie halten auch andere Vögel vom Landen ab. Aber das ist es nicht alleine. "Vögel bevorzugen seit Jahrhunderten bestimmte Weiher." Sie haben bestimmte ökologische Vorteile, die den Menschen nicht auffallen, aber den Tieren wichtig sind.
"Solche Weiher heißen Strichweiher. Hier gibt es einen, aber auch in anderen Landstrichen. Streichen bedeutet herumziehen. Das kennt ihr vom Wort Landstreicher", bringt Bokämper die Wortfamilie ein. Bei den Rast- und Ruheplätzen auf dem Vogelzug haben sich richtige Traditionen herausgebildet.
Der Strichweiher, im örtlichen Dialekt Strieweiher, ist eine der größten Wasserflächen im Mohrhof. Der Name ist schon seit dem Mittelalter hier belegt. Dennoch wandte sich die Gruppe erst nach Osten. Der bei Vögeln ebenso beliebte Blätterweiher war das Ziel.
Bokämper hat aus einem besonderen Anlass zur Vogelführung eingeladen: Um das erste Oktoberwochenende herum findet der European Birdwatch statt. Unter diesem Namen zählen Ornithologen und Vogelfreunde die Vögel in ihrer Region.
Die Daten aus ganz Europa sollen Aufschluss geben, welche Vogelarten sich wo aufhalten, ob sich bestimmte Vögel vermehrt oder drastisch verringert haben. Die Zählungen finden alljährlich, nun schon zum 15. Mal statt. Die Wissenschaft erhofft sich dadurch auch Erkenntnisse zum Vogelzug und dessen Veränderungen.
Deshalb führt Bokämper eine Strichliste, welche Vögel zu sehen sind. Zahlenmäßig ganz vorne stehen die 150 und mehr (zählbaren) Silberreiher. Ein Grünschenkel wird am Ruf erkannt; etwas später fliegt ein ganzer Schwarm (zirka zehn bis 15 Tiere) vorüber. Bokämper notiert. Mehrere Entenarten werden bestimmt; darunter die kleinen Krickenten. Aber auch ein Starenschwarm und eine laute Rabenkrähenmannschaft.
Der Eisvogel verrät sich durch seinen Ruf.
"Jetzt sind vier Limikolen mit roten Füßen eingefallen", meldet eine Dame.
Sie richtet ihr Spektiv auf die Watvögel am Schlickrand des Weihers. "Ich bin mir nun sicher: es sind dunkle Wasserläufer." Kaum ein halbes Pfund schwer sind sie, aber sehr ausdauernde Langstreckenflieger. Auf ihrem Weg von ihren Brutgebieten in Lappland und Sibirien ins Afrika südlich der Sahara machten sie Rast im Mohrhof.